Finanzen & Vorsorge

Finanzmodelle

Financial Modelling schafft Entscheidungsgrundlagen

Finanzmodelle sind eine wichtige Grundlage von vielen Entscheidungssituationen oder Führungsaufgaben. Viele dieser Modelle sind jedoch zu komplex, fehlerbehaftet und schlecht strukturiert. Financial Modelling – eine in der Schweiz recht unbekannte Disziplin – bietet Lösungen an, wie dem «Phänomen kreativer Kalkulationstabellen» begegnet werden kann.
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Die Verantwortlichen in Unternehmungen stützen sich in ihren Entscheidungen und in der Führungsarbeit in vielen Situationen auf Finanzmodelle ab. Investitionsvorhaben, Finanzplanungen mit Planbilanz, Planerfolgsrechnung und Plangeldflussrechnung, Preiskalkulationen für Produkte und Dienstleistungen, Unternehmensbewertungen oder Liquiditätsplanung sind Gelegenheiten, in denen vielfach komplexe Kalkulationstabellen zum Einsatz kommen. Geschickt aufgebaute Modelle berücksichtigen gegenseitige Abhängigkeiten von finanziellen Grössen, so dass verschiedene Szenarien berechnet, Sensitivitätsbetrachtungen und bei Bedarf Monte-Carlo-Simulationen durchgeführt werden können. Die Ergebnisse zeigen in verschiedenen Schattierungen künftige finanzielle Konsequenzen von Entscheidungen auf. Sie sind oft auch Grundlage für verschiedene Controlling-Prozesse, etwa Projektcontrolling bei Investitionen oder strategisches Controlling in der längerfristigen Unternehmensführung.

Ein Finanzmodell ist die abstrakte Darstellung einer finanziellen Entscheidungssituation. Es geht darum, in einem mathematischen Modell vergangene, gegenwärtige und künftige finanzielle Konsequenzen möglichst wirklichkeitsgetreu abzubilden. Bei anspruchsvollen Ursachen-/Wirkungsketten kann dies bei einer fehlerhaften Umsetzung zu folgeschweren Fehlentscheidungen führen. Dies verleitet dazu, die Modelle zu einfach darzustellen, was aber einem Grundsatz der Kybernetik widerspricht: «Only variety can destroy variety» (also: Komplexität kann nur mit Komplexität bezwungen werden), wie schon das Ashbysche Gesetz aus dem Jahr 1956 besagt (Ashby, W. R. (1956). An Introduction to Cybernetics. New York: Wiley).

Wie erlangen Finanzmodelle bei den Entscheidungsträgern die notwendige Beachtung und Akzeptanz? Selbstredend ist, dass das betriebswirtschaftliche Wissen und – je nach Entscheidungssituation – speziell das Know-how in Finanzen, Controlling und Corporate Finance unabdingbare Voraussetzungen sind. Ein gutes Finanzmodell ermöglicht zudem flexibel Simulationen durch geänderte Annahmen durchzuführen. Die Struktur muss weiter auf eine Weise aufgebaut sein, dass durch die Gesamtlogik des Modells Entscheidungssicherheit entsteht. Allerdings sollte darauf geachtet werden, dass auch anspruchsvolle Situationen nur so detailliert wie nötig bzw. so einfach wie möglich dargestellt werden. Überzeugende Finanzmodelle bestechen mit Glaubhaftigkeit, Transparenz, Nachvollziehbarkeit, Erklärbarkeit, Konsistenz, Plausibilität und Flexibilität.

Diese Eigenschaften haben zwei Dimensionen: Einerseits müssen die geplanten Werte und Überlegungen diese Bedingungen inhaltlich erfüllen (zum Beispiel eine realistische Einschätzung des Marktpotenzials für ein neues Produkt). Andererseits spielt die technische Umsetzung in einem Kalkulationstool wie Excel eine zentrale Rolle. Der Wert eines Finanzmodells mit inhaltlich richtigen Überlegungen löst sich in Luft auf, sobald ein schlechtes, unübersichtliches, fehlerbehaftetes und inkonsistentes Excel-Modell die Resultate anzweifeln lässt. Es entstehen Unsicherheiten, Reibungsverluste, Misstrauen und Mehraufwand. Entscheidungen, die sich auf solchen Modellen abstützen, beinhalten neben den betriebswirtschaftlichen Risiken (zum Beispiel Marktrisiko für ein neues Produkt) zusätzlich noch ein «Modellrisiko». Oder die Manager ignorieren diese «Blackboxes» und stellen gar die Handlungskompetenz des Entscheidungsvorbereiters infrage.

Financial Modelling umfasst Prozess-Know-how, Techniken, Fertigkeiten und Hilfsmittel, die zur Erstellung von Finanzmodellen benötigt werden. Es beinhaltet das integrierte Modellieren von betriebswirtschaftlichen Zusammenhängen in Tabellenkalkulationsprogrammen (beispielsweise Excel) unter Berücksichtigung gegenseitiger Abhängigkeiten. Dabei geht es nicht um betriebswirtschaftliches Wissen oder Kennen der Funktionalitäten von Excel, sondern um übergeordnete Umsetzungsfertigkeiten in einem Kalkulationsprogramm (vgl. Abbildung).

«Financial Modelling» stellt das methodische Toolset für die Entwicklung von konsistenten, verlässlichen und auch interpretierbaren Finanzmodellen zur Verfügung. Es setzt auf klare Regeln und Standardisierung, die in der Arbeit mit einem flexiblen Werkzeug zur Anwendung kommen sollen. Mit dem Befolgen der Regeln von «Financial Modelling» gewinnen Finanzmodelle nicht nur an Glaubwürdigkeit. Sie werden mit dieser Standardisierung zusätzlich auch aus der Abhängigkeit von einzelnen Personen gelöst.

Bei professionellen «Modellen» und im KMU-Umfeld ist Excel trotz verfügbarer ERP- oder BI-basierter Planungssoftware wohl das am häufigsten eingesetzte Ins-trument für Finanzplanungen. Während sich «hart codierte» Softwarelösungen für die Abbildung planerischer Standardsituationen durchaus eignen, bietet Microsoft Excel eine ideale Plattform, um individuelle, komplexe und iterativ entstehende finanzielle Entscheidungssituationen abzubilden und zu simulieren.

Diese kreativ gestaltbare und quantitativ mit immensen Möglichkeiten ausgestattete Software-Konstellation bietet Chancen wie aber auch Gefahren. Wichtig ist deshalb, diese schier unerschöpflichen Mittel in geordnete Bahnen zu legen und durch standardisiertes, betriebswirtschaftlich-sinnvolles Vorgehen, flexible, richtige, strukturierte sowie transparente Finanzmodelle zu entwickeln.

Gerade in der Anwendung von Microsoft Excel fehlt jedoch bei vielen Nutzern die Orientierung an einem Standard. Obwohl Unternehmen in vielen Gebieten mit Standards arbeiten, scheint dies bei der Anwendung von Excel oft in völlige Vergessenheit zu geraten. Die Folge sind unzählige Individuallösungen, welche – wenn überhaupt – nur noch von der jeweils erstellenden Person durchschaubar sind. Dies macht sich vor allem bei Stellenabgängen bemerkbar, bei denen bestehende Lösungen vom Nachfolger mangels Undurchsichtigkeit nicht mehr verwendet werden können und in der Folge neu erstellt werden.

Ein gutes Buch will organisiert sein: Layout und Struktur des gesamten Werkes, Aufbau der Kapitel und Absätze wie auch die Formulierung und die Wortwahl sollen wohlüberlegt sein, damit es les- und interpretierbar wird. Zwischen gutem Schreiben und gutem Modellieren besteht eine Analogie. Ein Beispiel für die Standardisierung von Excel-basierten Modellen ist «The FAST Standard» (www.fast-standard.org). Dieser umfasst Regeln und Richtlinien zur Struktur und Detaillierung Excel-basierter Finanzmodelle. Der Standard soll sowohl zu einem richtigen und guten Modelldesign anleiten als auch eine Basis schaffen, worauf sich Modellentwickler und -begutachter in gegenseitigem Austausch verlassen können.

Ohne zu sehr auf umfangreiche Details einzutreten, vermitteln folgende Beispiele einen Überblick über die Ansatzpunkte und Felder der Standardisierung im Erstellen von Finanzmodellen in Excel.

› Gestaltung der Arbeitsmappen, zum Beispiel generelle Prinzipien, Tabellenblattorganisation, Organisation über mehrere Arbeitsmappen

› Tabellenblattgestaltung, zum Beispiel generelle Layout-Prinzipien, Regeln für Kalkulationsabschnitte, Inputtabellen, Präsentationstabellen, Kontrolltabellen

› Felder, zum Beispiel Taxonomie, Design, Regeln für Formeln, Konventionen in der Benennung, Umgang mit Verknüpfungen

› Verwenden von Excel-Features, zum Beispiel Funktionen, Formatierung, Namen

Auf den ersten Blick mögen die vorgängig aufgeführten Stichworte aus einem Excel-Kurs stammen. Es sei jedoch betont, dass für Financial Modelling gute Excel-Kenntnisse eine wichtige Voraussetzung ist. Die Technik von Financial Modelling hat nicht zum Ziel, Excel zu schulen. Vielmehr ist es ein anspruchsvolles Verfahren, wie in Unternehmungen bei der Erstellung von Finanzmodellen mit Excel umgegangen werden soll, um verlässliche und «robuste» Finanzmodelle zu entwickeln, die Entscheidungssicherheit bieten und gleichzeitig unabhängig von den erstellenden Personen sind.

Der Einsatz von Excel in Kombination mit der Technik von Financial Modelling macht das Kalkulationsprogramm auch für KMU noch mächtiger, als es schon ist. Die Standardisierung zwingt die Ersteller die Abhängigkeiten in den Finanzmodellen klar und konsistent darzulegen. Mit der Anwendung der Regeln von Financial Modelling wird die oft falsch verstandene Modell-Kreativität umgemünzt in Modell-Effektivität. «

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