Finanzen & Vorsorge

Gewerblicher Immobilienmarkt

Eine gesunde Zurückhaltung wird empfohlen

Die Korrekturen von Gewerbeliegenschaften kommen mit der Krise unweigerlich. Wann und in welcher Intensität dies geschieht, ist für KMU und Investoren dagegen schwer zu prognostizieren. Wer im Umgang mit gewerblichen Liegenschaften auf alle Bewertungsszenarien vorbereitet sein will, sollte aktiv und umsichtig zugleich vorgehen.
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Den Verlockungen des Immobilienmarktes lässt sich bisweilen schwer widerstehen. Kreditzinsen verharren in der Nähe historischer Tiefs und bleiben attraktiv. Die Preise wiederum schiessen je nach Lage in bisher unerreichte Höhen. Bestimmte Immobilienkategorien bleiben dadurch begehrt. Dies teilweise auch an Orten, wo sich von Anfang an Leerstände abzeichnen und die effektiven Renditen tief ausfallen. Doch wegen der eingeschränkten Anlagealternativen hält die Entwicklung weiterhin an. 


Verflochtener Markt mit Tücken

Institutionelle Investoren unterschiedlicher Couleur drängen in einzelne Marktsegmente, um ihre Liquiditätsbestände zu reduzieren, und heizen die Transaktionen weiter an. Daneben entstehen zahlreiche weitere fundamentale Effekte durch die weltweite Pandemie, deren Auswirkungen sich noch nicht klar abzeichnen. 

Angesichts solcher Entwicklungen ist absehbar, dass dieser Trend irgendwann in riskante Bereiche vorstösst. Beim Thema Immobilien empfiehlt sich deshalb für KMU und Investoren eine gesunde Zurückhaltung.

Gerade der gewerbliche Immobilienmarkt ist durch Heterogenität und höhere Risiken gekennzeichnet. Dies erfasst Büroräumlichkeiten, Fabrikationsgebäude, aber auch gemischte Objekte mit Gewerbe- und Wohnanteil. Die aktuelle Krise lässt Umsatzmieten in der Gastronomie dramatisch einbrechen, Lagerflächen überlaufen oder komplett leeren, die Auslastung mancher Co-Working-Räume im Tagestakt schwankt und gleichzeitig vermelden Wohnbauten eine enorme Nachfrage. Dabei bleibt die Lage bei gewerblichen Immobilien im Kontext von Covid-19 ein massgebender Treiber. Unter diesen Bedingungen gute Renditen mit geringen Risiken zu finden, ist tatsächlich anspruchsvoll.

Im heutigen Markt erfolgen Investitionen bereits bei rund drei Prozent bis vier Prozent Bruttorendite. Ein Zukauf mit niedriger Rendite ist indes nicht zwangsläufig falsch. Wichtig ist, dass die geplanten Investitionen einen positiven Beitrag zum Gesamten leisten. Das heisst, dass sie beispielsweise ökonomisch nachhaltig sind, den Gesamtbestand verjüngen, die Mietvertragslaufzeiten diversifizieren oder ein bereits bestehendes Gewerbe-Segment sinnvoll ergänzen. Erfolgen diese Effekte jedoch nicht oder nur in geringem Umfang, so ist die Transaktion zumindest zu hinterfragen. Anhand bewusst nüchterner Chancen-Risiko-Überlegungen lassen sich dabei aber weiterhin interessante Objekte evaluieren oder im Gegenzug Portfolios und Bestände bereinigen.


Bestandsoptimierung

Die permanente Optimierung des Bestandes ist wesentlich. Sei es mit Massnahmen zur dauerhaften Senkung der Leerstandsquote oder einer Restrukturierung der Finanzierung. Hier lassen sich etwa Fristigkeiten aufeinander abstimmen sowie Absicherungen über vorzeitige Verlängerungen prüfen. Auch bei Verträgen zu Bauten und Umbauten oder der Vermietung bestehen Potenziale: Das Ein­holen von Expertise zu möglichen For­mulierungsrisiken, zur Stipulierung von Optionen oder zur Koppelung an Indizes und zu steuerlichen Themen lohnt sich daher meistens.

Passive Portfolio-Strategien lassen Immobilienbesitzer und -investoren oft nicht die volle Ertragskraft ausschöpfen. Es ist wichtig, dass eine organisierte Be­wirtschaftung gerade bei gewerblich ge­nutzten Immobilien erfolgt. Dabei sollte sich der Fokus direkt auf die Kundenbedürfnisse richten. Mit der Orientierung am Zeitgeist lassen sich leichter neue Wertschöpfungsquellen erschliessen und Mieter anziehen. Es gilt, die Präferenzen von Kunden zu erkennen oder noch besser: zu antizipieren. Hilfreich sind dabei eine hohe Flexibilität und nötigenfalls eine konsequente Portfolio-Umschichtung oder -Neuausrichtung.

Für eine Einschätzung des Immobilienbestands empfiehlt sich eine regelmässige Stabilitätsprüfung anhand von Stresstests und der Simulation verschiedener wirtschaftlicher, politischer oder auch gesellschaftlicher Szenarien. Gerade im eher langfristig orientierten Immobiliengeschäft kann beispielsweise der Einbezug relevanter Megatrends wie New Work, Neo-Ökologie, Sicherheit, Konnektivität sowie Urbanisierung profitabel sein. 

Ebenso spürbar ist das Kundenbedürfnis nach mehr Platz und Individualität bei gewerblichen Bauten. So reizvoll dabei eine ausgeklügelte, spezifische Infrastruktur auf den ersten Blick sein mag, so kostenintensiv und träge ist sie bei raschen Veränderungen. Oft ist es wirtschaftlicher, die Immobilie hinsichtlich zukünftiger Tendenzen zu redimensionieren und generischen Ansprüchen anzugleichen, statt die pure Individualität zu realisieren. Dies erhöht die Chance einer nahtlosen Weitervermietung oder kurzer Leerstände erheblich.

Zweckbau vor Luxusobjekt 

Bei potenziellen Geldgebern ist die Risikoneigung angesichts der jüngsten Entwicklungen gesunken. Absehbare Leerstände und gestiegene Preisvorstellungen lassen in gewissen Segmenten und Regionen zusehends grössere Lücken zwischen der erwarteten und der realistischen Rendite klaffen. Gerade Immobilien mit gleichzeitiger Gewerbe- und Wohnraumnutzung müssen aller Euphorie zum Trotz ökonomisch plausibilisiert sein.

Der Zweckbau ist damit dem ausgebauten Luxusobjekt in aller Regel vorzuziehen. Ein fundierter Plan – allenfalls unter Einbezug externer Sachverständiger – inklusive gewissenhafter Kapitalisierung hilft KMU-Eignern, ihre Ziele dennoch zu realisieren.


Konservative Finanzierung

Seit einiger Zeit entwickelt sich die kalkulatorische Tragbarkeit der Geldgeber nicht linear zu den Marktwerten. Daraus folgt ein generell höherer Eigenmittel­einsatz zur Deckung der Lücke seitens Käufer. Der im Kreditgesuch gewählte Nettomietfluss sollte daher konservativ angegangen werden, zumal der Gläubiger gleichermassen defensiv rechnet. Die weitere Kalkulation bleibt ebenso vorsichtig geprägt. Selbst wenn die Inflation moderat bleibt, so hat die Aussicht auf ein allenfalls steigendes Zinsniveau einen erheblichen Einfluss auf den Ertragswert. 

Diese marktnächste Grösse wird von Darlehensgebern gegenüber dem Realwert bevorzugt, um über den Barwert auf die maximale Belehnungshöhe zu kommen. Fruchtbare Wertdiskussionen zu den Projektierungen lassen sich vor diesem Hintergrund mit konkreten Argumenten und Vorstellungen der Käufer besser führen.


Transparenter, offener Diskurs

Ein konstruktiver Umgang empfiehlt sich ebenso bei allfälligen Altlasten, Servituten oder beispielsweise Drittverwendungsmöglichkeiten. Und auch rund um die Nutzung, den Ausbaustandard oder die Kostenkalkulation helfen ein transparenter Diskurs sowie eine flexible Einstellung. Entscheidend ist des Weiteren die Verortung der Immobilien innerhalb der Firmenstruktur: Wird das Portfolio im operativen Teil geführt (mit Vornahme entsprechender Abschreiber)? Oder wird es in eine eigens dafür geschaffene Gesellschaft ausgelagert?

Die eigene Risikofähigkeit zu prüfen und zu kennen, hilft, wenn es darum geht, weitere Aus- oder Umbauschritte zu planen. Gerade für professionelle Immobilieninvestoren ist diese feste Basis wichtig. Denn die vertiefte Konsultation makroökonomischer Prognosen, der Einbezug möglicher Leerstandsrisiken und Zahlungsausfälle sind wichtige Entscheidungshilfen, sollte die absehbare Nettorendite bereits relativ niedrig ausfallen.

Den Status quo in allen Bereichen zu hinterfragen, fördert in aller Regel Optimierungspotenziale zutage. Selbst wenn diese für sich allein marginal sind, so führen sie in der Summe zu einem ansehnlichen Effekt. 

Wer also kontinuierlich eine aktive und ganzheitliche Bewirtschaftung aufrechterhält, unternimmt schon einiges gegen die aktuellen Unsicherheiten und deren Folgen. Dazu gehören – gerade in der heutigen Zeit – ernsthafte Gedanken zur eigenen Risikoneigung, das Skizzieren von (selbst rudimentären) Szenarien sowie eine klare Strategie mit konsequenter Umsetzung. Schnellschüsse sind im aktuellen Umfeld dagegen zu vermeiden. 

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