Finanzen & Vorsorge

Elektronischer Datenaustausch I

E-Invoicing – ein erster Schritt zur digital vernetzten Wirtschaft

Geschäftskunden wollen ihre Rechnungen möglichst einfach bezahlen können, deshalb verlangen sie zunehmend die Rechnung in elektronischer Form. Dabei wünschen sie sich einen kontrollierten und sicheren Prozess. Spezialisierte Dienstleister bieten Rechnungs­stellern hierzu inzwischen Einsteigerlösungen zu tragbaren Kosten an.
PDF Kaufen

Stellen Sie sich vor, Sie hätten ein Unternehmen, das wöchentlich Hunderte oder gar Tausende von Rechnungen in Papier erhält. Damit der Rechnungsstapel nicht in den Himmel wächst, weisen Sie genügend Personen zu, um den Stapel laufend abzuarbeiten. In erster Linie heisst das, für jede Rechnung intern die richtige Stelle zu identifizieren und die Rechnung weiterzuleiten. Dort wird die Rechnung kontrolliert, kontiert und einer vorgesetzten Person zur Freigabe vorgelegt. Nach dieser zweiten Kontrolle – zur Einhaltung des Vier-Augenprinzips – wird die Rechnung in die Finanzbuchhaltung geschickt, um sie manuell ins Finanzsystem einzutragen. Die Rechnung wird danach ab­geheftet und Ende Jahr schliesslich ins
Archiv gelegt.

Der Notbehelf

Dieser Ablauf ist mit vielen manuellen Tätigkeiten verbunden und deshalb teuer, Studien errechneten Kosten zwischen 15 und 100 Franken pro Rechnung. Die Höhe hängt von der Kosten- und Unternehmensstruktur ab, ebenso von der bereits erreichten Effizienz der Abläufe. Der Prozess ist aber auch langsam, weil die Rechnungen auf ihrer internen Reise liegen bleiben oder verloren gehen können. Das führt auch dazu, dass in vielen Fällen der vom Lieferanten angebotene Skonto-Abzug gar nicht beansprucht werden kann.

Einige Unternehmen sind deshalb dazu übergegangen, die eingehenden Papierrechnungen gleich einzuscannen, damit sie den internen Stellen in digitalisierter Form schneller weitergeleitet werden können. Hier werden zuerst einmal zusätzliche Personalressourcen nötig, denn es gilt das Papier zu scannen und auch zu überprüfen, ob die Rechnungen korrekt eingelesen wurden. Ein nächster Optimierungsschritt ist das Auslesen der Rechnungsinhalte mittels einer Zeichenerkennungssoftware (OCR). Hier fällt erneut eine Prüfaufgabe an. Jemand muss sicherstellen, dass die Inhalte der Papierrechnung mit jenen, die elektronisch ausge­lesen wurden, übereinstimmen. Auch in diesem Fall muss bestimmt werden, wem die digitalisierte Rechnung zur Prüfung, Kontierung und zur Freigabe bereitgestellt werden muss.

Die Verbuchung und elektronische Archivierung der Rechnung ist im Idealfall automatisiert möglich. Das ist gegenüber dem ursprünglichen Papierprozess schon um einiges schlanker, erfordert aber zu Beginn einen erhöhten manuellen und technischen Aufwand. Die Papierrechnungen werden meist nach etwa 100 Tagen, eine Frist nach der ein üblicher Geschäftsfall in der Regel abgeschlossen ist, vernichtet.

Die Zwischenlösung

Wie wäre es denn, wenn die Rechnungssteller den Geschäftskunden die Rechnung statt auf Papier als PDF-Datei zustellen? Das kann für den Kunden einen ersten Verbesserungsschritt darstellen. Die Rechnung kann gleich elektronisch weitergeleitet und archiviert werden. Sie wird damit schneller «transportiert» und muss nicht noch in einem speziellen Prozess eingescannt werden. Wichtig ist jedoch, dass sie für den Rechnungsempfänger über einen kontrollierten Kanal eintrifft und in einem für die Langzeitarchivierung tauglichen Format (PDF/A) erstellt wurde. Viele grössere Unternehmen werden davon absehen, PDF-Rechnungen per E-Mail zu empfangen und weiterzuverarbeiten. Sie wollen möglichst effizient sicherstellen können, dass es sich tatsächlich um eine offene Forderung handelt.

Die bevorzugte Lösung

Muss es denn im Zeitalter der Digitali­sierung überhaupt eine Papierrechnung sein? Oder ist sie angesichts der hohen Investitionen, die Unternehmen und Organisationen in ihre Informatikinf­rastruktur getätigt haben, nicht ein Anachronismus? Die Rechnungssteller verfügen in den meisten Fällen über elektronische Rechnungsdaten, ehe sie diese auf Papier ausdrucken – die elektronische Information sozusagen vernichten – und sie auf Seite der Rechnungsempfänger wie beschrieben wieder mühselig und für teures Geld in elektronische Form gebracht werden muss.

Deshalb verlangen immer mehr grosse Unternehmen die Rechnungen in strukturierter elektronischer Form, damit sie die Daten im Idealfall gleich in ihr IT-System übernehmen können. Dies ermöglicht im besten Fall, wenn eine Bestellung im System vor­handen ist, die vollautomatisierte Zu­weisung, Kontrolle, Freigabe und Ver­buchung der Rechnung. Ein Prozess, den transaktionsintensive Branchen wie beispielsweise der Detailhandel oder die Automobilindustrie schon seit vielen Jahren kennen. Er setzt sich nun vermehrt auch in anderen Branchen mit einem mittleren Bestell- und Rechnungs­aufkommen durch, so auch bei der öf­fentlichen Hand.

Dieser als E-Invoicing bezeichnete Prozess birgt einige Herausforderungen, die aber gut zu bewältigen sind. Zum einen setzen die Unternehmen, die einander elektronische Rechnungen zustellen wollen, die Rechnungsdaten in unterschiedlichen Strukturen zu und haben zum Teil auch unterschiedliche Bedürfnisse an Format und Inhalt der Rechnung, damit diese automatisiert verarbeitet werden kann. Auf einen Standard zu hoffen, wäre fehl am Platz.

Zwar werden international verschiedenste Standardisierungsanstrengungen unternommen, die Realität zeigt jedoch, dass selbst Formatstandards (zum Beispiel cXML oder UN/Edifact) im Alltag unterschiedlich interpretiert und umgesetzt werden. Es ist also davon auszugehen, dass die Rechnungen noch lange in uneinheitlichen Formaten und Strukturen ausgetauscht werden.

Geforderte Beweiskraft

Die Eidgenössische Steuerverwaltung bescheinigt einer elektronischen Rechnung die nötige Beweiskraft, wenn sie durch eine fortgeschrittene digitale Signatur abgesichert ist. Mit diesem standardisierten Sicherungsverfahren kann die Herkunft und die Unverändertheit einer elektronischen Rechnung nachgewiesen werden. Obwohl im neuen Mehrwertsteuergesetz der Grundsatz der Beweismittelfreiheit gilt, setzen die Unternehmen auf das Verfahren der digitalen Signatur, weil der Beleg damit die geforderte Beweiskraft erhält und diese nicht anderweitig aus den Geschäftsprozessen heraus einzeln begründet werden muss.

Digitale B2B-Netzwerke

Im Austausch strukturierter Rechnungen sind also einige Herausforderungen zu überwinden. Die Anforderungen an das Rechnungsformat müssen zwischen dem eigenen Unternehmen und den vielen Geschäftspartnern abgestimmt werden. Während der Rechnungssteller am liebsten alle Rechnungsdaten im gleichen Format bereitstellen möchte, wird der Rechnungsempfänger verlangen, dass alle Rechnungen im von ihm gewünschten Format bei ihm eintreffen, damit sie standardisiert ins eigene IT-System übernommen werden können. Für diese Umwandlungsfunktion (Formatkonversion) haben sich spezialisierte Dienstleister etabliert. Sie vereinbaren mit ihren Kunden, in welchen Formatstrukturen die Daten gesendet beziehungsweise empfangen werden sollen und koordinieren diesen Prozess.

Weil diese Dienstleister die IT-Systeme vieler Lieferanten und Geschäftskunden elektronisch miteinander verbinden, spricht man von digitalen B2B-Netzwerken. Sie vereinfachen die Einbindung von weiteren Geschäftspartnern in die elektronischen Prozesse. Heute sind sie weltweit das vorherrschende Lösungsszenario im elektronischen Datenaustausch. Sie übernehmen Funktionen wie:

  • Umwandlung der Formatstrukturen von Geschäftsdokumenten.
  • Überprüfung der Vollständigkeit der Dateiinhalte.
  • Sicherstellung der reibungslosen Übermittlung.
  • Digitale Signierung der Dateien und Prüfung der Signatur.
  • Archivierung elektronischer Geschäftsdokumente.

Diese Leistungen erbringen sie zu Kosten, die teilweise stark unter den Material- und Portokosten für Papierrechnungen liegen. Dies hängt vom gewünschten Leistungsumfang und von der Komplexität der Anforderungen der Netzwerkteilnehmenden ab. Es gilt der Grundsatz: Wer auf Standards setzt und diese einhält, fährt günstiger.

Weil es allein in der Schweiz mehrere solche B2B-Netzwerke für E-Invoicing gibt und weltweit mehrere Hundert dazu kommen, sind seit Jahren Anstrengungen im Gange, diese Netzwerke miteinander zu verbinden. Dadurch muss sich ein Unternehmen nicht an mehrere Netzwerke anschliessen, um möglichst viele Geschäftspartner zu erreichen, sondern sucht sich ein Netzwerk aus, das mit vielen weiteren elektronisch verbunden, das heisst interoperabel ist. Studien gehen für die nächsten Jahre von einem markanten Wachstum an Transaktionen über B2B-Netzwerke aus.

Bedeutendes Potenzial

In der Schweiz werden jährlich mehrere Hundert Millionen Papierrechnungen zwischen Unternehmen und Organisationen ausgetauscht. Das vorhandene Effizienz- und Kosteneinsparpotenzial ist enorm und folglich volkswirtschaftlich relevant. Rechnet man mit einer Einsparung von wenigen Franken pro Rechnung, bewegen wir uns jährlich im Milliardenbereich. Grossunternehmen haben den Weg des E-Invoicings seit einigen Jahren eingeschlagen, um administrative Kosten zu sparen und die Abläufe zu beschleunigen.

Auch die Bundesverwaltung setzt auf diesen elektronischen Rechnungsverarbeitungsprozess. In den letzten Jahren hat sie alle Bundesämter dazu befähigt und verlangt seit dem 1. Januar 2016 von allen Lieferanten, die jährlich mehr als 5000 Franken Umsatzvolumen mit dem Bund abwickeln, dass sie die Rechnung in elektronischer Form einreichen. Diese Forderung hat eine gewisse Signalwirkung. Das Thema E-Invoicing erreicht plötzlich die Managementetagen in Zehntausenden von Unternehmen. Auch die Politik hat das Thema für sich erkannt. ERP- und Fakturierungslösungsanbieter sind nun aufgefordert, für ihre Kunden einen einfachen, standardisierten Zugang zum E-Invoicing zu ermöglichen und sie zusammen mit digitalen B2B-Netzwerken zu befähigen, an der digitalen Wirtschaft teilzunehmen und die Prozesse mit ihren Geschäftspartnern zu vernetzen.

Die ersten Schritte

Um den Einstieg ins E-Invoicing besser zu beurteilen und zu gestalten, stellt zum einen der Bund eine eigene Informationsplattform bereit (www.e-rechnung.admin.ch), zum andern besteht seit zehn Jahren das Swiss Digin-Forum, eine Plattform zur branchenneutralen Förderung von E-Invoicing in der Schweiz (www.swissdigin.ch). Dort werden kostenlos hilfreiche Unterlagen wie Fallbeispiele, Checklisten oder Merkblätter zur Verfügung gestellt. Regelmässige Veranstaltungen über aktuelle Fragestellungen dienen dem Erfahrungsaustausch. Diese beiden Initiativen zielen darauf ab, Unternehmen bei den ersten Schritten zu digital vernetzten Geschäftsprozessen zu unterstützen.

Porträt