Finanzen & Vorsorge

Wirtschaftsberatung

Die Rolle des Treuhänders in Covid-Zeiten

Für viele Unternehmen stellt sich in diesen Monaten die Existenzfrage. Die nachhaltige Lebensfähigkeit und unternehmerische Zukunftsperspektive sind aber mehr als reines Überleben. Der Treuhänder ist jetzt bei KMU besonders gefragt. Neue Modelle der Zusammen­arbeit steigern die Wirksamkeit der Finanzprozesse bei gleichzeitiger Kostensenkung.
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Menschen präferieren Planbarkeit und Kontrollierbarkeit, wir sind aber schon seit Jahren im Komplexitätszeitalter angelangt. Spätestens seit der Corona-Krise dürfte dies allen bewusst sein, und der Umgang mit der erhöhten Unsicherheit hat wichtige Erkenntnisse hervorgebracht. Die aktuelle Situation zeigt zudem eindrücklich, wie wichtig die Treuhandbranche für das Funktionieren von Unternehmen, Märkten und der ganzen Volkswirtschaft ist.

Die Aufgaben

Im Kern testieren, validieren und zertifizieren Wirtschaftsprüfer betriebswirtschaftliche Informationen. Ihre Berichte haben die Qualität eines Güte­siegels, dem Entscheidungsträger in Unternehmen genauso wie externe Anspruchsgruppen vertrauen. Branchenkenntnisse und Insights aus der Wirtschaftsprüfung befähigen Treuhandunternehmen, andernorts auch multidisziplinäre Beratungsleistungen anzubieten. Somit umfasst der Auftrag der Treuhandbranche:

  • Befriedigen öffentlicher Informationsbedürfnisse: Aussenstehenden Dritten wird Zugang und Sicherheit zu Finanz­informationen vermittelt. Dies auch als wichtiger Beitrag zum Gläubigerschutz.
  • Ermöglichen faktenbasierter Zukunftsentscheide: Das Validieren und Zertifizieren von Informationen, Zahlen und Prozessen schafft eine belastbare Basis für Entscheidungsträger, um Weichen für die Zukunft zu stellen und sich korrekt in einem sich ständig verändernden regulatorischen Umfeld zu bewegen. Mit Beratungsleistungen wird zudem das Überleben von Unternehmen in der Krise und die nachhaltige Lebensfähigkeit in der neuen Normalität ermöglicht.
  • Schaffen von Perspektiven für Leistungsträger: Treuhandunternehmen investieren viel in den Kompetenzaufbau ihrer Mitarbeitenden. Aus High Potentials werden so High Performer; für das eigene Unternehmen und im Karriereverlauf häufig auch für die Wirtschaft, die Verwaltung und die Politik.

Überleben in der Krise

Während der aktuellen Covid-19-Krise geht es zuerst einmal darum, als Unternehmen zu überleben und die Unternehmensfortführung sicherstellen zu können. Hier ist der Treuhänder in seiner Rolle als Wirtschaftsberater Sparring-Partner und Unterstützer. In seiner Rolle als Wirtschaftsprüfer ist der Treuhänder zunehmend nicht nur mit der klassischen Abschlussprüfung – im KMU-Kontext der sogenannten eingeschränkten Revision – betraut, sondern mit neuen Themen wie dem Überprüfen von Notkreditverwendungen, Subventionsbezügen, Lohngleichheitsanalysen oder Nachhaltigkeitsberichten. Generell steigt in Zeiten von Informationsüberflutung und Unsicherheit der Bedarf an Vertrauensdienstleistungen.

Sind Unternehmen mit existenziellen Herausforderungen konfrontiert, brauchen sie wirksame Lösungen. Die Covid-19-Krise führte zu einem grossen Bedarf an Wirtschaftsberatung, sei dies beim Anfordern von Notkrediten, Kurzarbeit oder Mietzinsreduktionen, bei der Liquiditätsplanung und beim Kostenmanagement oder aber beim Weiterentwickeln von Geschäftsmodellen und der Profitabilitätssteigerung. Bei der Wirtschaftsberatung geht es um das Gestalten, Optimieren und Weiterentwickeln von Sachverhalten. Im Umfeld der KMU kommt hierbei dem Treuhänder eine wichtige Beratungsfunktion zu.

Digitalisierte Prozesse

«Vertrauen bewegt» ist das Selbstverständnis der Branche der Treuhänder, Wirtschaftsprüfer und Berater. Sicherheit und Vertrauen kann man schaffen und als Unternehmen bis zu einem gewissen Grad einkaufen. Längst nicht alle Ansprüche und Bedürfnisse sind jedoch mit der Basisdienstleistung, dem (Financial) Audit, abgedeckt. Das bietet der Treuhandbranche ein breites Feld an Zusatzleistungen, die sie erbringen kann. Sei es als erweiterte Assurance-Leistungen in der Rolle als Prüfungsgesellschaft oder als erweiterte gesellschaftsrechtliche und betriebswirtschaftliche Beratung über den gesamten Unternehmenszyklus in der Rolle als Beratungsgesellschaft. 

Vertrauensdienstleistungen vereinen sowohl neue Ansätze der digitalisierten Datenwelt und der künstlichen Intelligenz als auch weiterentwickelter menschlicher Intelligenz. Die fortschreitende Digitalisierung erfasst längst nicht nur die Buchführung, sondern auch die Art und Weise sämtlicher Finanzprozesse – von der Planung und Budgetierung über die Buchführung und Rechnungslegung bis hin zu finanzbezogenen Wirtschafts- und Rechtsthemen. Hier steht innova­tiven Treuhändern eine Vielzahl an di­gitalen Tools zur Verfügung, welche die Routinetätigkeit automatisiert erledi­gen und den Treuhänder seine Zeit für die wirklich wesentlichen Fragestellungen nutzen lassen.

Nicht nur haben vielen Treuhänder ihren eigenen Wertschöpfungsprozess digitalisiert, auch die Interaktion mit dem Kunden ist digitaler geworden – bereits vor Covid-19, und jetzt erst recht. In Summe bieten sich damit auch ganz andere Formen der Zusammenarbeit an, wenn es hinsichtlich der oben skizzierten Finanzprozesse um das Zusammenspiel von KMU und dessen Treuhänder geht. Es gilt folgender Grundsatz: Je kleiner das Unternehmen ist, desto weniger macht es Sinn, selber Mitarbeitende im Finanzbereich angestellt zu haben. Die Kosten für Rekrutierung, Entwicklung/Qualifizierung und Stellvertretung eigener Angestellter sind oftmals unattraktiv im Vergleich zu einem Outsourcing.

Im Gegensatz zur Situation bei Gross­unternehmen gibt es im KMU-Umfeld eine pragmatische Lösung, bei der das Treuhandunternehmen als eingetragene Revisionsstelle zwar unabhängig vom KMU sein muss (zum Beispiel keine finanzielle Beteiligung oder enge Beziehung zum Verwaltungsrat), jedoch bei entsprechender or­ganisatorischer und personeller Trennung auch Doppelmandate der Beratung resp. Buchführung und der eingeschränkten Revision möglich sind. Dies, um die Kosten für das KMU möglichst tief zu halten.

Das «Integrated Reporting» 

Aus Unternehmersicht ist es lohnend, sich regelmässig zu fragen, wie man den bestmöglichen Nutzen aus der Zusammen­arbeit mit dem Treuhänder ziehen kann. Hierzu gehören ausser dem Revisions­stellenmandat auch die Frage des Outsourcing-Grads der generellen Finanzprozesse und natürlich auch die projektbezogene Weiterentwicklung der Organisation, wo­bei auch neue Themen wie «Integrated Reporting» für KMU an Bedeutung gewinnen.

Integrated Reporting ermöglicht, dass ein Unternehmen die Wertschöpfung des eigenen Geschäftsmodells ganzheitlich verstehen und steuern kann. Dies ist auch für KMU höchst relevant, in der Praxis jedoch schwierig. Hier kann der Treuhänder unterstützen: Auf Basis einer Geschäftsmodell- und Wertschöpfungsanalyse wird eine Wesentlichkeitsmatrix erstellt und ein Wirkungsgefüge genutzt, um so Schritt für Schritt über das Ableiten von Kennzahlen respektive Schlüsselleistungsindikatoren zu einem eigentlichen Führungscockpit zu kommen.

Es darf davon ausgegangen werden, dass die Relevanz des Themas Integrated  Reporting in Zukunft zunimmt. Denn eine ganzheitliche Sichtweise wird vermehrt von der Gesellschaft, den Geldgebern und weiteren Stakeholdern erwartet, und dies längst nicht nur bei Gross­unternehmen.

Die finanzielle Führung

Vier Fünftel aller Kapitalgesellschaften in der Schweiz verfügen aufgrund der grosszügigen Opting-out-Regelung über keine Revisionsstelle. Das ist ein Problem, weil dadurch häufig Defizite in der finanziellen Führung von diesen Unternehmen bestehen, was sich in der aktuellen Krise besonders bemerkbar macht. 

Umgekehrt ist aber die Revisionsstelle auch nicht Garant für alles. Vom Grundsatz her gilt beispielsweise, dass die Verwendung der Covid-19-Überbrückungskredite nicht Gegenstand der im KMU-Segment angewandten eingeschränkten Revision ist. Bei einer ordentlichen Re­vision besteht zwar eine Hinweispflicht bei wesentlichen falschen Darstellungen im Abschluss aufgrund von Gesetzesverstössen. 

Allerdings ist auch hier die Revision der Jahresrechnung grundsätzlich auf die Prüfung der Einhaltung der Rechnungslegungsvorschriften ausgerichtet. Es besteht daher keine hinreichende Sicherheit, dass Verstösse gegen die Kreditverwendungsbestimmungen im Rahmen der ordentlichen Revision aufgedeckt werden. 

Dies wäre nur mit einer eigenständigen Covid-19-Kreditverwendungsprüfung möglich, welche die Bürgschaftsorganisation in Einzelfällen veranlassen kann. Stand November 2020 läuft noch immer die politische Diskussion, wie mit dieser Situation umzugehen ist.

Revisionsstelle als Basis

Eine aktuelle Studie des KMU-Instituts der Universität St. Gallen vom Frühling 2020, basierend auf umfangreichen, aktuellen Daten des Schweizerischen Verbands Creditreform, zeigt, dass die Bonitäts- und Konkursrisiken bei Unternehmen ohne Revisionsstelle deutlich erhöht sind. Diese und viele weitere Überlegungen machen klar, dass das heutige Opting-out zu grosszügig ist und eine gewisse Verschärfung im volkswirtschaftlichen Gesamtinteresse wäre. Eine gute Zusammenfassung der Argumente findet sich im aktuellen Artikel von Prof.Lorandi zur Vollstreckung von Geldforderungen (AJP 11/2020, S. 1396 ff.).

Mit einer mandatierten Revisionsstelle ist für überschaubare Kosten sichergestellt, dass vorgelagert sauber Buch geführt wird, die erstellte Jahresrechnung von unabhängiger Seite validiert wird und mit dem Revisionsbericht quasi ein Label zur Verfügung steht, um gegenüber Investoren, Banken, Steuerbehörden, Kunden und Lieferanten aufzuzeigen, dass man eine aussagekräftige Jahresrechnung hat. KMU sind in Covid-19-Zeiten doppelt gefordert, zum einen geht es kurzfristig ums Überleben, zum anderen um eine profi­table Geschäftsentwicklung in der neuen Normalität. 

Zu beiden Aspekten kann  der Treu­händer ein wirksamer Sparring-Partner sein – persönlich und digital. Treuhandunternehmen schaffen robuste Fakten und ermöglichen dadurch verantwortungsvolle Entscheide und wirksame Um­setzungen.

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