Finanzen & Vorsorge

Internationalisierung

Die Rolle der Banken beim «Going International»

KMU tun sich schwer mit der Internationalisierung ihres Geschäfts. Banken versprechen Unterstützung in dieser Situation. Doch welche Rolle spielen Banken tatsächlich in dem Internationalisierungsprozess von Schweizer KMU? Die Hochschule für Wirtschaft in Fribourg ist dieser Fragestellung mit einem Forschungsprojekt nachgegangen.
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Banken werben oft in Hochglanzbroschüren um ihre KMU-Kundschaft mit Claims wie «Internationale Geschäfte ­– Chancen wahrnehmen mit einem starken Partner an Ihrer Seite» (UBS, 2016). Im persönlichen Gespräch mit Vertretern von Schweizer KMU sind jedoch regelmässig auch negative Meinungen zu vernehmen. Demnach seien Banken alles andere als hilfreich im Internationalisierungsprozess von KMU. Dieser Diskrepanz sind wir mit einem Forschungsprojekt an der Hochschule für Wirtschaft Fribourg auf den Grund gegangen.

Denn, sollten Banken tatsächlich eine wertvolle Hilfestellung für KMU bieten, so könnte die Schweizer Volkswirtschaft gleich in zweifacher Hinsicht davon profitieren: Einerseits könnten KMU von ihrer Bank wertvolle Beratungsleistungen und ihre Internationalisierung forcieren und zum anderen könnten Schweizer Banken neue Geschäftsfelder im Ausland erschliessen, wenn sie ihren KMU-Kunden dorthin folgen.

Die Hürden

Kleine und mittlere Unternehmen tun sich schwer mit der Internationalisierung. Dies vor allem aus zwei Gründen: der Liability of Smallness sowie der Liability of Foreignness.

Liability of Smallness

Die Liability of Smallness oder der Nachteil, klein zu sein, wie man es übersetzen könnte, beschreibt den Umstand, dass kleine Unternehmen eine grössere Wahrscheinlichkeit haben, zu scheitern, als grosse Firmen. Die «Sterberate» kleiner Unternehmen liegt wesentlich höher als die grosser Firmen (Aldrich & Auster, 1986; Hannan & Freeman, 1984). Hierfür sind verschiedene Gründe anzuführen.

Das wichtigste Argument dabei ist die Ressourcenknappheit. Kleinere Unternehmer haben im Wettbewerb um personelle und finanzielle Ressourcen einen Wettbewerbsnachteil gegenüber ihren grossen Mitbewerbern. So präferieren Arbeitnehmer oftmals Grossunternehmen, da diese vermeintlich sichere Arbeitsplätze bieten ebenso wie ein grösseres Angebot an Aufstiegs- und Fortbildungsmöglichkeiten.

Die Kapitalgeber auf der anderen Seite schätzen in der Regel kleinere Unternehmen als risikoreicher ein als Grossunternehmen und sie ziehen diese als Investitionsziel vor. Besonders deutlich werden diese Nachteile in der Ressourcenausstattung während Krisenzeiten. Doch der Mangel an Puffern erlaubt es KMU oftmals nicht, Krisenzeiten zu überleben. Aber auch mangelnde Skaleneffekte führen im regulären Betrieb zu Wettbewerbsnachteilen von KMU gegenüber grösseren Konkurrenten (Wholey, Christianson, & Sanchez, 1992).

Liability of Foreignness

Das Konzept der Liability of Foreignness bezieht sich auf die Tatsache, dass alleine aus dem Umstand, international tätig zu sein, regelmässig zusätzliche Kosten für Firmen entstehen. Die Liability of Foreign­ness, was sinngemäss mit dem Nachteil, fremd zu sein, übersetzt werden kann, umfasst sämtliche Kosten, die einem Unternehmen durch den Umstand entstehen, dass es im Ausland tätig ist (Zaheer und Mosakowski, 1997).

Es beschreibt somit die Zusatzkosten, welche ausländische Firmen gegenüber einheimischen Firmen zu tragen haben. Diese Kosten können recht offensichtliche Positionen umfassen wie Transportkosten, Reisekosten, Koordinationskosten, Übersetzungskosten, Marktforschungskosten etc. Es umfasst jedoch aber auch weniger offensichtliche Positionen wie Kosten, welche dadurch entstehen, dass Firmen nicht über vergleichbare Netzwerke verfügen wie einheimische Firmen oder nicht über den entsprechenden politischen Einfluss etc.

Liability of Newness

Bei jungen Unternehmen kommt ein dritter Wettbewerbsnachteil hinzu, die sogenannte Liability of Newness. Dieser Begriff, der mit dem Nachteil, neu zu sein, übersetzt werden kann, steht stellver­tr­etend für die Tatsache, dass junge Unternehmen ein grösseres Sterberisiko besitzen als Grossunternehmen (Aldrich & Auster, 1986). Dies ist auf verschiedene Gründe zurückzuführen (Stinchcombe, 1965). Zum einen sind in jungen Unternehmen Rollen und Aufgaben nicht so klar definiert wie in alten Unternehmen, so dass sich regelmässig Konfliktpotenziale ergeben.

Zudem müssen die zugewiesenen Aufgaben überhaupt erst einmal beherrscht werden, was einen Lernprozess erfordert. Auch existieren in einer Anfangsphase in jungen Unternehmungen oftmals nicht diejenigen Beziehungsnetzwerke, die in älteren Firmen vorzufinden sind.

All dies senkt die Effizienz einer Organisation. Zu diesen internen Problemen gesellen sich noch externe: Junge Unternehmen müssen sich zunächst einmal am Markt etablieren. Ihnen fehlen oftmals Industrieerfahrung und Reputation im Markt. Dies drückt sich in einer verminderten Wettbewerbsfähigkeit aus.

Effekte der Bankeninvolvierung

Angesichts der Nachteile, denen sich KMU im Internationalisierungsprozess ausgesetzt sehen, ist guter Rat teuer. Hier versprechen Banken Abhilfe. Die Marketing-Claims der Corporate Banks, welche KMU ihre Services andienen, sprechen eine deutliche Sprache: So ist auf den entsprechenden Webseiten von der UBS beispielsweise zu lesen «Internationale Geschäfte – Chancen wahrnehmen mit einem starken Partner an Ihrer Seite […] UBS unterstützt Ihr Unternehmen bei allen internationalen Geschäftstätigkeiten.» (UBS, 2016). Den Webseiten der Credit Suisse ist in ähnlicher Weise zu entnehmen: «Erfolgreich im Ausland mit einem starken Partner – Unsere Produkte sind optimal auf erfolgreiche Auslandsgeschäfte ausgerichtet. […] wir eröffnen Ihnen auch unser starkes, internationales Netzwerk und unser breites Know-how. So fassen Sie sicher und nachhaltig in internationalen Märkten Fuss. Wir unterstützen und begleiten Sie gerne während des ganzen Internationalisierungsprozesses.» (Credit Suisse, 2016).

Die Postfinance umwirbt ihre KMU-Kunden mit dem Slogan «Erfolg im Aussenhandel dank umfassendem Expertenwissen» (Postfinance, 2016). Aber auch die Ableger ausländischer Banken umwerben mitunter Schweizer KMU. So schreibt zum Beispiel die Zweigniederlassung Zürich der deutschen Commerzbank auf ihren Webseiten «Begleitung im Ausland als strategischer Partner – […] Wer die Chancen des Auslandsgeschäfts nutzen und gleichzeitig die damit verbundenen Risiken reduzieren möchte, braucht einen Partner, der ihn in fremde Märkte begleitet, Türen öffnet und die finanzielle Abwicklung des Auslandsgeschäfts kompetent gewährleistet. Genau dieses Leistungsprofil bietet die Commerzbank.» (Commerzbank, 2016).

Unterstützer der KMU

Diese Aussagen der Banken sind unmissverständlich. Die Finanzhäuser sehen sich als Unterstützer der KMU in ihrem Internationalisierungsprozess. Im persönlichen Gespräch mit KMU-Vertretern sind jedoch mitunter auch andere Stimmen zu hören. Demnach seien Banken oftmals alles andere als hilfreich in den Internationalisierungsbemühungen der KMU. In Workshops mit KMU-Managern wurde uns gegenüber der Austausch mit Banken über das Thema Internationalisierung sogar als Zeitverschwendung bezeichnet.

Um zu verstehen, wie es um die Qualität der Internationalisierungs-Dienstleistungen tatsächlich bestellt ist, haben wir ein Forschungsprojekt unter Schweizer KMU durchgeführt. Ausgehend von der Grundannahme, dass Banken ihren Unternehmenskunden bei der Internationalisierung tatsächlich helfen, haben wir weitere Annahmen über die Zusammenhänge zwischen Bankeninvolvierung auf der einen Seite und Internationalisierungserfolg auf der anderen getroffen. Diese Annahmen haben wir in einer empirischen Untersuchung unter KMU überprüft.

Das Umfragekonzept

Das Rahmenkonzept, das unserer Umfrage zugrunde lag, enthielt auf der einen Seite die Bankinvolvierung als unabhängige Komponente und die Internationalisierungsergebnisse als abhängige Komponenten. Es gestaltete sich wie in der Abbildung 1 dargestellt. Demnach gingen wir davon aus, dass eine enge und häufige Involvierung der Bank zu einer hohen Internationalisierungsintensität bei dem entsprechenden Unternehmen führt. Die Intensität der Internationalisierung wurde dabei anhand des Anteils des Auslandsumsatzes am Gesamtumsatz gemessen. Für die Internationalisierungs-Breite, von der anzunehmen war, dass sie mit einer intensiveren Bankeninvolvierung zunimmt, haben wir zwei Messgrössen verwendet. Zum einen die Anzahl der Länder, in denen ein KMU tätig ist, sowie die Summe der Kontinente, auf denen die Firma aktiv ist.

Das Internationalisierungs-Alter, von dem wir vermuteten, dass es geringer war, falls Banken stark involviert waren, wurde gemessen als das Firmenalter, in dem die Internationalisierungsaktivitäten gestartet wurden. Die Bankeninvolvierung haben wir anhand von zweierlei Variablen festgehalten. Zum einen, wie häufig das KMU mit seiner Bank betreffend Internationalisierungsfragen in Kontakt steht, und zum anderen, wie viele Produkte es von seiner Bank für den Internationalisierungsprozess bezieht.

Die Studie

Für die Datenerhebung wurde eine repräsentative zufällige Stichprobe aus der Gesamtheit aller in der Schweiz domizi­lierten exportierenden KMU gezogen. Auf diese Weise konnte sichergestellt werden, dass sämtliche Sprachregionen der Schweiz abgedeckt wurden. Der Frage­bogen wurde auf Deutsch, Französisch, Italienisch sowie Englisch zur Verfügung gestellt und im Frühjahr 2016 direkt an die jeweiligen Vorsitzenden der KMU-Geschäftsleitungen versandt.

Die Adressaten hatten zudem die Möglichkeit, die Fragen online zu beantworten, sofern dies bevorzugt wurde. Insgesamt wurden 609 Fragebögen (online oder schriftlich) von Schweizer KMU aus allen Landesregionen ausgewertet. Das durchschnittliche Alter der befragten Unternehmen beträgt 31,3 Jahre. Sie verteilen sich über verschiedene Grössenklassen (vgl. Abb. 2): 320 von ihnen, das heisst 52,5 Prozent, zählen zu den Kleinstunternehmen, die im Durchschnitt nur vier Mitarbeitende beschäftigten.

Die 207 Kleinbetriebe repräsentieren weitere 34 Prozent der befragten KMU und haben durchschnittlich 22 Mitarbeitende angestellt. Dazu kamen 82 mittlere Unternehmen, das heisst 13,5 Prozent, welche im Mittel 106 Personen beschäftigen.

Die Banken-Beziehungen

Mittels einer statistischen Datenauswertung konnten fünf von acht vermuteten Beziehungen zwischen Bankeninvolvierung auf der einen und Internationalisierungserfolg auf der anderen Seite bestätigt werden. Im Einzelnen lieferte die Datenanalyse folgende Erkenntnisse:

Eine enge Beziehung zwischen KMU und Bank beschleunigt die Internationalisierung eines KMU.

Beide Variablen, welche die Involvierung der Bank beschreiben (Anzahl der Kontakte wie auch Anzahl der bezogenen Produkte / Services), haben einen positiven Einfluss auf den Anteil des Auslandsumsatzes am Gesamtumsatz gemessen. Möglicherweise dient die Bank mit ihren Services sowie Produkten, aber auch mit Rat beziehungsweise Kontakten als Katalysator für internationalisierende KMU.

Die Nutzung der Produkt- bzw. Servicepalette einer Bank hilft einem KMU dabei, sich die der Breite zu internationalisieren.

Je grösser die Produkt- beziehungsweise Servicepalette war, welche das KMU von einer Bank bezog, desto grösser war die Anzahl der Länder, in welche ein KMU exportierte. Offenbar trägt die breite Nutzung der Produkt- beziehungsweise Servicepalette einer Bank dazu bei, dass sich ein KMU über mehr Länder hinweg internationalisieren kann.

Eine enge Abstimmung mit der Bank unterstützt ein kleines oder mittleres Unternehmen in seinen Bemühungen, sich in der Breite zu internationalisieren.

Je häufiger ein KMU im Kontakt mit seiner Bank stand, desto grösser war die Anzahl der Kontinente, in denen ein KMU aktiv war. Die Ratschläge der Bank trugen mutmasslich mit dazu bei, dass sich KMU über mehrere Kontinente hinweg internationalisieren konnten.

Eine enge Abstimmung mit der Bank führt schneller zu einer Internationalisierung eines KMU.

Je häufiger ein KMU im Kontakt mit seiner Bank stand, desto geringer war das Alter, in welchem sich die Unternehmung internationalisiert hat. In diesem Zusammenhang ist ebenfalls zu vermuten, dass es die Ratschläge der Hausbank sind, die einem KMU dabei helfen, sich in einem früheren Alter zu internationalisieren. Der enge Kontakt zur Bank wirkt quasi wie ein Internationalisierungsbeschleuniger.

Handlungsempfehlungen

Aus unseren Forschungsergebnissen lassen sich für KMU verschiedene konkrete Handlungsempfehlungen ableiten. Erstens sollten KMU durchaus aktiv auf Banken zugehen, wenn sie die Bestrebung haben, ihr Geschäft zu internationalisieren. Banken können hierbei uneingeschränkt Hilfestellungen leisten. Zweitens sind KMU angehalten, sich über die Produkte und Services zu informieren, welche Banken für das internationale Geschäft offerieren. Sicherlich sind nicht alle Produkte beziehungsweise Services gleichermassen hilfreich für alle KMU, aber unsere Ergebnisse zeigen, dass erfolgreiche Internationalisierer zahlreiche Produkte und Services der Banken in Anspruch nehmen. Drittens ist den KMU anzuraten, ihre Bank als «Outsourcing Partner» in Geldfragen zu betrachten. Unternehmer sollten sich auf ihre Kernkompetenz konzentrieren und das Geschäft entwickeln, während die Bank die monetäre Infrastruktur hierfür liefert, eben auch auf internationalem Parkett.


Konklusion

Es bleibt festzuhalten, dass gemäss unserer Studie die Banken tatsächlich eine positive Auswirkung auf den Internationalisierungsprozess ihrer KMU-Kunden haben. Die Bankeninvolvierung ging in der Regel einher mit einem höheren Anteil des Auslandsumsatzes am Gesamtumsatz, mit einer breiteren Internatio­nalisierung der kleinen und mittelgros­sen Unternehmen sowie mit einer früheren Internationalisierung. Die in persönlichen Gesprächen geäusserten negativen Rückmeldungen konnten anhand des vorliegenden Datenmaterials nicht bestätigt werden. Sie können noch am ehesten mit dem negativen «Word of Mouth»-Effekt erklärt werden.

Demgemäss verbreitet sich eine negative Meinung über ein Produkt beziehungsweise Service wesentlich weiter als eine positive. So erzählen unzufriedene Kunden zweimal so vielen Personen von den gemachten negativen Erfahrungen wie zufriedene Kunden (Goodman, 1986). Darüber hinaus ist die Anzahl der Personen, welchen von den negativen Erfahrungen berichtet wird, beachtlich. Ein unzufriedener Kunde erzählt mindestens neun anderen Personen von seinen negativen Erlebnissen. 13 Prozent dieser unzufriedenen Kunden berichten jedoch sogar mehr als 20 weiteren Personen von den gewonnenen negativen Einsichten.

KMU, die ohnehin zahlreichen Widrigkeiten im Internationalisierungsprozess ausgesetzt sind, sollten also definitiv die Partnerschaft mit Banken suchen, wenn es um die internationale Erweiterung ihres Geschäfts geht. Umgekehrt kann jedoch auch der Bankensektor massiv profitieren, wenn Banken mehr als bisher das Auslandsgeschäft ihrer KMU-Kunden forcieren und ihnen ins Ausland folgen. Für Banken erschliessen sich dadurch allfällige neue Geschäftsfelder jenseits eines weitgehend gesättigten Schweizer Marktes.

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