Finanzen & Vorsorge

Rentenmodelle

Auf dem Weg zu flexiblen Renten

Um die Abhängigkeit von Finanzmärkten zu verringern, suchen Vorsorgeeinrichtungen zunehmend Lösungen in variablen Rentenmodellen. Was dabei zu beachten ist und welche Herausforderungen damit verbunden sind, zeigt folgender Beitrag.
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Schweizer Vorsorgeeinrichtungen suchen vermehrt nach Lösungen, ihre Abhängigkeit von den Finanzmärkten zu reduzieren und die Umverteilung von Aktiven zu Rentnern zu verringern. Dies ist aufgrund der demografischen Veränderung und des Niedrigzinsumfeldes ein notwendiger Schritt. Im Zuge dazu sorgte die Pensionskasse der SBB für Aufsehen. Denn die Vorsorgeeinrichtung prüfte den Wechsel in ein variables Rentenmodell und löste damit eine öffentliche Debatte aus. Einige Einrichtungen wie die PwC-Pensionskasse oder die Vorsorgestiftung der Pensionskasse Energie haben derweil bereits solche Modelle mit variablen Renten eingeführt.

Bei einer Umstellung in ein flexibles Modell gilt es wichtige Voraussetzungen zu berücksichtigen sowie die Vor- und Nachteile genau abzuwägen. Wichtig ist es, dass für die aktuellen Herausforderungen kassenspezifische Lösungen gefunden wer­den.

Rahmenbedingungen

Die vergleichsweise hohe Verzinsung der Altersguthaben von Rentnern (im Durchschnitt 3,0 bis 3,5 Prozent) sowie der noch immer zu hoch angesetzte Umwandlungssatz von 6,8 Prozent auf das BVG-Obligatorium sind dafür verantwortlich, dass die Verpflichtungen gegenüber den Pensionierten zu tief ausgewiesen werden und eine Umverteilung von aktiven Beitragszahlern zu Rentnern stattfindet. Zudem werden die Sparkapitalien der aktiven Versicherten in der Regel tiefer verzinst als Kapitalien der Rentner, obwohl die Gelder mit der gleichen Anlagestrategie angelegt werden. Dies ist eine weitere Ungleichbehandlung, welche es zu reduzieren gilt.

Die Mehrheit der Vorsorgeeinrichtungen in der Schweiz sind sogenannte umhüllende Kassen und erbringen überobli­gatorische Leistungen. Bei diesen sind Abweichungen von den Vorgaben im BVG-Obligatorium dann erlaubt, wenn die Mindestleistungen erfüllt werden. Gemäss der letzten «Complementa Risiko Check-up»-Umfrage befinden sich lediglich 44 Prozent des Vorsorgekapitals im obligatorischen Teil. Somit ist mehr als die Hälfte des Vorsorgekapitals für überobligatorische Leistungen bestimmt. Deshalb ist bei den meisten Pensionskassen genügend Spielraum für eine Flexibilisierung der Rentenversprechungen vorhanden. Neue Rentenmodelle wie das variable Rentensystem dürfen nur für neu entstehende Renten Anwendung finden. Laufende Renten dürfen nicht verändert werden. Die Wirkungen von neuen Modellen bei Vorsorgeeinrichtungen zeigen sich demnach erst in der langen Frist.

Keine Schweizer Eigenheit

Flexible Rentensysteme (Variable Annuities) hatten ihren Ursprung im angelsächsischen Raum. Neben den USA und UK ist dieses Rentenmodell insbesondere in Kanada sehr verbreitet. Es gewann auch in Japan zunehmend an Bedeutung. 2006 ist diese Form der Altersvorsorge zum ersten Mal in Deutschland eingeführt worden. Beim System der Variable Annuities wird dem Versicherten zum Ende der Akkumulationsphase eine Minimalzahlung garantiert. Ob die Rente aber über dem Minimalbetrag zu liegen kommt, hängt von der Performance des angelegten Kapitals ab.

Auch in der Schweiz sind solche Modelle bereits Realität, zum Beispiel bei der Pensionskasse der PwC oder bei der PKE Vorsorgestiftung Energie. Dem Modell der PKE liegt eine Zielrente von 100 Prozent zugrunde und ein variabler Teil von +/- 10 Prozent, welcher in Abhängigkeit zum Deckungsgrad steht. Fällt der Deckungsgrad unter 100 Prozent, wird die Altersrente der Versicherten nach unten angepasst. Wohingegen bei einer Deckung über 100 Prozent die Rente nach oben
angeglichen wird.

Das Modell der PwC Pensionskasse berücksichtigt bei der Regulierung der Rentenhöhe die Einnahmen- und die Ausgabenrechnung. Erreicht die Rendite der Pensionskasse die durchschnittliche Soll-Rendite, bleiben die Leistungen grundsätzlich konstant. Wird die Soll-Rendite nicht erreicht, muss im schlimmsten Fall die Rente auf rund 90 Prozent gekürzt werden. Bei positivem Verlauf wird der Bonusteil erhöht, es besteht keine Obergrenze.

Deckungsgrad vs. Anlageerfolg

Die Kassen, welche ein variables Rentensystem eingeführt haben, können ihre Renten abhängig vom wirtschaftlichen Erfolg senken oder erhöhen, sofern das BVG-Obligatorium eingehalten wird. Die üblichsten Varianten einer Rentenflexibilisierung orientieren sich an den vorangegangenen Beispielen, namentlich am erzielten Anlageerfolg (wie beim Beispiel Pensions­kasse PwC) oder am vorhandenen Deckungsgrad (wie beim Beispiel der PKE Vorsorgestiftung Energie). Da es sich bei Pensionskassen um gemeinschaftliche Vorsorgeeinrichtungen handelt, sind Grundprinzipien wie Kollektivität, Planmässigkeit, Gleichbehandlung, Angemessenheit und Versicherungsprinzip einzuhalten. Willkür und selektive Begünstigungen sollten anhand klarer Regeln vermieden werden.

In einem variablen Rentensystem auf Basis des Anlageerfolges können die Renten erhöht werden, wenn die Nettoanlagerendite über einem minimal erforderlichen Zinssatz liegt. Umgekehrt werden sie gesenkt, wenn das Ergebnis schlechter ausfällt. Der Anlageerfolg ist bei liquiden und marktgängigen Anlagen gut messbar. Bei ca. zehn Prozent der Anlagen einer Pensionskasse wie Direktimmobilien, alternative Anlagen und übrige Bilanzpositionen sind jedoch keine transparenten Marktdaten vorhanden – die Pensionskassenverantwortlichen müssen sich auf eine bestimmte Bewertung verlassen. Zudem entscheidet der Anlage­erfolg nicht ausschliesslich über das fi­nanzielle Gleichgewicht einer Vorsorge­einrichtung. So können andere Faktoren, wie zum Beispiel Fusionen oder Änderungen des technischen Zinssatzes, auch einen wesentlichen Einfluss haben.

Bei der Anbindung am Deckungsgrad wird die gesamte finanzielle Lage einer Pensionskasse in Betracht gezogen. In einem variablen Rentensystem auf Basis des Deckungsgrades können die Renten gesenkt werden, dann nämlich, wenn der Deckungsgrad unter 100 Prozent gefallen ist. Umgekehrt werden sie erhöht, wenn der Deckungsgrad über 100 Prozent plus den minimal erforderlichen Schwankungsreserven liegt. Jedoch ist der Deckungsgrad durch die mögliche Anwendung von unterschiedlichen Zinssätzen und Buchungsmethoden nicht vollständig neutral zu bestimmen und deswegen «manipulierbar».

Pensionskassen sollten daher ihr Risikomanagement stärken und neue Aspekte ins Risikospektrum einfliessen lassen. Das Aktuariat muss neue Kalkulationsprinzipien anwenden und Kapitalmarktsimulationen durchführen. Wichtig ist, dass alle Betrachtungsaspekte berücksichtigt werden.

Transparenz ist massgebend

Durch die inhärente Komplexität und Unsicherheit wird ein perfektes Rentensystem wohl kaum möglich sein. Deshalb muss eine optimale Lösung, die sowohl Sicherheit und Flexibilität wie auch Solidarität und Individualität erlaubt sowie den kassenspezifischen Gegebenheiten entspricht, gesucht werden. Flexible Renten sind dabei ein möglicher und durchaus gangbarer Weg und sollten nicht von vornherein als Teufelszeug abgetan werden. Wichtig für die erfolgreiche Einführung eines flexiblen Rentenmodells ist die konsequente Anwendung von eindeutigen, verständlichen und objektiven Kriterien. Dabei sollte zudem berücksichtigt werden, dass nicht nur die Passivversicherten mit ihren Renten, sondern auch die Aktivversicherten in gleichem Masse über die Verzinsung ihres Vorsorgekapitals am Wohlergehen der Vorsorgeeinrichtung beteiligt sind.

Die berufliche Vorsorge hat als zweite Säule neben der AHV/IV/EL als erste Säule die Aufgabe, den Versicherten die Fortsetzung ihrer bisherigen Lebenshaltung finanziell in angemessener Weise zu ermöglichen. Sinn und Zweck ist demnach die Sicherung der gewohnten Lebenshaltung nach der Pensionierung. Die Vorsorgeeinrichtungen sind frei, auch über das vom Gesetz geforderte Minimum hinauszugehen in Form von über­obligatorischen Leistungen.

Die Frage nach der geeigneten Organisation, der passenden Gestaltung und auch der bestmöglichen Finanzierung dieser Leistungen im Obligatorium wie im Überobligatorium überlässt das Gesetz grundsätzlich den Vorsorgeeinrichtungen. Was über die finanzielle Basisversorgung im Alter hinausgeht, ist jedem Individuum selbst überlassen und der Staat sollte hierbei nicht in die Pflicht genommen werden. Aus diesem Grund ist es umso wichtiger, dass Pensionskassen transparente Strukturen, insbesondere auch bei ihren Anlageentscheidungen schaffen. Nur so kann eine Pensionskasse das Vertrauen ihrer Destinatäre gewinnen und auch die sichere Konsistenz in Zukunft gewährleisten.

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