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Börseninvestments

Aktienmarkt – aussteigen oder engagiert bleiben?

Der volatile Aktienmarkt scheint Rätsel aufzugeben. Bis Mitte Januar ging es stetig aufwärts. Dann schaltete die Börse um; es kam zu Kursverlusten. Und seit dem 7. Februar drehte sich das Börsengeschehen erneut. Ist das normal? Und warum diese Unsicherheit? Antworten auf diese Fragen gibt nachstehender Beitrag.

Vergessen Sie erst einmal die Kommentare in den Medien, die für die zwischenzeitliche Korrektur gegeben wurden. Da war die Rede von Problemen der Schwellenländer, falls die US-Zinsen nun steigen sollten, wenn die Anleihekäufe der US-Zentralbank zurückgenommen werden. Doch das war nicht der Grund. Denn die US-Zinsen sind ja seit Januar wieder kräftig gesunken, wie die Zinsen in Europa. Und die Problemländer Italien, Spanien, Portugal sowie Griechenland bekamen wieder Kapital zu sehr günstigen Zinsen.

Keine übereilten Reaktionen

Nein, die Kursverluste hatten keine fundamentalen Ursachen. Vielmehr hatten offenbar mehrere Gross- und Kleinanleger ein dringendes Bedürfnis, einmal ihre Gewinne mitzunehmen. Aber die Gründe für die vorherigen Kurssteigerungen waren deshalb nicht vom Tisch. Der SMI war ja nicht ohne Grund auf 8500 Punkte gestiegen. Die Grossanleger wussten schon, warum sie im Jahr 2013 Aktien kauften und damit das Kursniveau so weit anhoben. Den meisten Unternehmen geht es sehr gut, und die Dividendenzahlungen werden dieses Jahr eher höher als 2013 ausfallen. Freilich lösen solche Kursschwankungen immer wieder Nervosität bei den Privatanlegern aus. Verständlicherweise möchten sie ja die schönen Kursgewinne der letzten Jahre nicht wieder hergeben. Und was tun im Moment? Sollte man nicht doch jetzt lieber mal die Gewinne mitnehmen, ehe eine erneute Schwankung nach unten kommt? Sollte man Teilverkäufe machen, sich mit Bargeld eindecken, um schnell zuzugreifen, wenn ein klarer Aufwärtstrend beginnt?

Oder ist es sogar ratsam, sofort mit Zukäufen am Aktienmarkt zu starten, ehe andere auf dieselbe Idee kommen und die Kurse weiter nach oben treiben? Wichtig ist zunächst mal, keine übereilten Entscheidungen zu treffen. Das Schlimmste, was man im Moment wohl machen könnte, wäre das Setzen von Stoppkursen. Das wird in den Medien ja sehr häufig empfohlen, und zwar aus gutem Grund. Die Berater in den Medien sichern sich damit selbst ab. Sie können im Falle von Kursstürzen dann immer darauf verweisen, dass sie ja zum Setzen von Stoppkursen geraten haben. Trotzdem halte ich nichts von dieser Vorgehensweise. Wenn Sie Pech haben, werden Ihre Aktien dann tatsächlich ausgestoppt, und zwar zu Niedrigstkursen, die weit unter Ihrem Stoppkurs liegen können. Das ist dann oft der Moment, in dem sich die Börse wieder dreht. Dann haben alle verkauft, die verkaufen wollten, und die Börsenkurse werden nun von jenen gemacht, die die Billigkurse nützen möchten.

Wer verkauft oder Stoppkurse setzt, ist offenbar der Meinung, dass die Kurse zu hoch seien und daher eine scharfe Korrektur nötig ist. Ich bin hingegen der Meinung, dass die Kurse erstens nicht zu hoch sind; dazu nachher. Und zweitens kommt eine scharfe Aktienbaisse in der Regel nicht unmittelbar nach neuen Jahreshöchstkursen. Sondern sie braucht ihre Zeit. Das kann man aus der Vergangenheit lernen: Ein Börsenzug, der in eine Richtung rast, dreht nicht von heute auf morgen, um in die völlig entgegengesetzte Richtung zu eilen. Das braucht seine Zeit. Dazwischen bewegt sich die Börse seitwärts.

Rückblick auf das Jahr 2011

Nehmen wir einmal zum Vergleich die Aktienbaisse des Jahres 2011. Nach dem Höchststand am 18. Februar 2011 gab es beim SMI, der die wichtigsten 20 Aktien der Schweiz enthält, mehrere Schübe nach unten. Doch immer wieder konnten sich die Kurse teilweise erholen (siehe Abb. 1). Erst Ende Juli 2011 ging es dann plötzlich steil bergab. Aber bis dahin hatte es dann genügend andere Warnzeichen zum Ausstieg aus Aktien gegeben. Kann es aber nicht auch vorkommen, dass die Kurse direkt nach einem Höchststand binnen zwei Monaten gleich um 20 bis 30 Prozent einbrechen, und es eben keine Zwischenerholungen gibt? Ja, in Ausnahmefällen kommt auch das vor. Sie sehen es am Kursverlauf des «Eurostoxx50» im Jahr 1998, der durch drohende Zahlungsunfähigkeiten von ostasiatischen Staaten (Thailand, Korea, Malaysia) und Russland geprägt war. Die Schwierigkeiten dieser Länder waren seit 1997 bekannt gewesen. Dennoch stiegen die Aktienkurse in Europa kräftig an, bis plötzlich Mitte Juli eine Panik die Börsen in Europa erfasste. Der SMI fiel um rund 40 Prozent bis Anfang Oktober, und zwar ohne jede Zwischenkorrektur (siehe Abb. 2). Freilich erholte er sich dann auch wieder schnell, und auch da kam die erste Zwischenkorrektur erst in der zweiten Novemberhälfte.

Der «faire» Aktienwert

Dass die Kurse aber 1998 viel zu hoch waren, hätte jeder Beobachter schon anhand des durchschnittlichen Kurs-Umsatz-Verhältnisses erkennen können (siehe Abb. 3). Diese Zahl errechnet sich bekanntlich aus dem Börsenwert der Industrieunternehmen, geteilt durch deren Jahresumsatz. Der Analyst James P. O’Shaughnessy hat in einer Studie, die sich auf die Jahre 1950 bis 1997 bezieht, ausgerechnet, dass das durchschnittliche Kurs-Umsatz-Verhältnis der untersuchten US-Unternehmen etwa 1,0 betrug. Das heisst, dass der faire Kurs von Industrieunternehmen etwa so hoch sein sollte, dass der Wert aller seiner Aktien dem Jahresumsatz entspricht. Das weltweite Durchschnitts-KUV war aber im Juli 1998 bereits auf 1,80 (!) gestiegen. Das heisst, man war viel zu optimistisch geworden. Denn man hatte, wie dann im Jahr 2000 besonders deutlich wurde (Neuer Markt!), auf eine völlige Neubewertung des Aktienmarktes gesetzt. Dass der Preis der Aktien schon um 80 Prozent über dem «fairen» Preis (nach KUV) lag, interessierte nicht. In einer solchen Situation kann es schon passieren, dass es vom Höchstkurs aus zu einer 30-Prozent-Korrektur kommt, ohne dass es Zwischenerholungen gibt. Und heute? Heute liegt das durchschnittliche Kurs-Umsatz-Verhältnis mit 0,98 sogar leicht unter seinem fairen Wert (siehe Abb. 4). Es gibt noch eine andere Methode, den fairen Wert der Aktien zu berechnen, indem man den aktuellen Stand eines Index mit seinem 20-Jahres-Durchschnitt vergleicht. Dabei muss aber berücksichtigt werden, dass der aktuelle Stand in der Regel immer deutlich über dem 20-Jahres-Durchschnitt liegt. Aber wie weit? Das errechnet man ebenfalls aus einem langfristigen mittleren Wert. Damit ergibt sich für den 14. Februar ein fairer Wert für den SMI von 8916. Und das wären rund sechs Prozent mehr als der heutige Stand Mitte Februar.

Dividende schlägt Anleihe

Eingangs haben wir die Frage gestellt: Aussteigen oder engagiert bleiben? Im Moment sollten Sie am besten ein breit gestreutes Aktiendepot haben, in dem marktbreite Standardpapiere mit wenigstens durchschnittlicher relativer Stärke und verhältnismässig niedriger Bewertung (nach KUV/KBV) überwiegen. Dann müssen Sie sich bei Kursrückgängen keine allzu grossen Sorgen machen. Ihre Papiere sind ihren Preis wert, und Sie können davon ausgehen, dass die nervösen Verkäufer auch bald einsehen werden, dass Aktien als Geldanlage momentan nicht zu schlagen sind, spätestens dann, wenn die Dividenden ausgeschüttet werden.

Gemessen an den Renditen, die man noch vor zehn Jahren für sichere zehnjährige Staatspapiere bekommen konnte (wie etwa Deutschland 4,3 Prozent, Schweiz 2,7 Prozent, USA 4,1 Prozent), ist das ja nicht gerade üppig. Dennoch sind diese Dividendenrenditen den heutigen mageren Anleihezinsen oder gar den Sparzinsen haushoch überlegen.

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