Editorial

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Compliance kultivieren

Jede Gesellschaft, und damit jede Wirtschaftsordnung, benötigt Gesetze, Regeln und Normen. Diese Rahmenbedingungen sollen Frieden, Fairness und Fortschritt ermöglichen, Chaos und Anarchie verhindern.

Selten allerdings können theoretische Konstrukte die menschliche Komponente ausreichend berücksichtigen. Und so bleiben Gesetze, Regeln und Normen Papiertiger, wenn sie denn nicht befolgt werden. Also braucht es Kontrollen und Sanktionen. 

Im ökonomischen Zusammenhang hat sich Compliance als Sammelbegriff  für Verbote, Regeln und Richtlinien, respektive die Abwehr von Normverstössen, etabliert. Geprägt hat den Begriff die US-Finanzbranche Ende der 1980er-Jahre. Die Firmen verpflichteten sich – nicht ganz freiwillig – ein System einzurichten, welches gewährleistete, dass sich alle Mitarbeiter an die rechtlichen Rahmenbedingungen hielten (engl. to comply: befolgen, erfüllen). Compliance, die zunehmend auch ethische Aspekte berücksichtigt, soll Unternehmen also möglichst vor Fehlverhalten jeglicher Art bewahren. Weil Unternehmensrisiken zunehmen und Verstösse durch die digitalen Kommunikationskanäle in sehr kurzer Zeit an die breite Öffentlichkeit gelangen, ist Compliance auch zu einem wichtigen Managementthema mit strategischen Optionen gereift. 

Und doch wird Compliance auch noch von Skepsis begleitet. Denn es darf durchaus auch kritisiert werden, dass Compliance aufgrund der Zunahme von (häufig auch unnötigen) Regelwerken eine Komplexität erreichen kann, die dem gesunden Menschenverstand uneinholbar vorauseilt. Tatsächlich gibt es fast unüberschaubar viele Möglichkeiten, in die Compliance-Falle zu laufen. Kartellabsprachen, Bestechungen oder unzureichende Massnahmen zum Datenschutz sind nur einige Beispiele. Oftmals haben zwar nur die gröberen, spektakulären Verstösse, die mit hohen Buss­geldern oder Konsequenzen für Geschäftsleitungsmitglieder verbunden sind, ihren grossen Medienauftritt, doch es wäre kurzsichtig, Compliance daher vor allem als Kostenfaktor zu betrachten. Schliesslich könnten Folgekosten bei Compliance-Verstössen höher ausfallen als die präventiven Kosten zur Schaffung eines wirksamen Compliance-Managementsystems. Inhaltliche Vorgaben durch Richtlinien oder Handbücher bilden dabei nur einen Baustein von Compliance. Das Verankern von Compliance im Bewusstsein aller Mitarbeiter und Führungskräfte und in den täg­lichen Abläufen ist ebenso wichtig. Um den Anreiz der Regelkonformität im Unternehmen aufrechtzuerhalten, sind Verstösse allerdings zu sanktionieren. Sonst, wie eingangs beschrieben, bleibt auch Compliance nur ein kostspieliger Papiertiger.

PS: Mehr zum Thema Compliance in der Ausgabe 1-2/2020.

Porträt