Wenn ein bereits länger operierendes und noch traditionell geführtes Unternehmen ins digitale Zeitalter geführt werden sollte, ist die Datenlage, die zur Verfügung steht, vermutlich lückenhaft oder gar nicht vorhanden. Es kann zudem sein, dass bislang aufgrund historisch gewachsener Märkte und angestammter Kundensegmente das systematische Sammeln und Auswerten von Informationen wenig dringlich erschien. Spätestens das Krisenjahr 2020 sollte aber jedem Unternehmen die Augen dafür geöffnet haben, welchen Wert Kundendaten und Marktwissen für den Erfolg haben.
 Märkte definieren 
Die zurückliegenden Monate zeigen deutlich: Märkte können sich schnell und drastisch verändern. Gleiches gilt für die Kundenbedürfnisse. Und beides kann in Wellen oder dauerhaft variieren. Digitalisierung hilft genau hier: Unternehmen bleiben flexibel. Es lohnt sich, herauszufinden, ob die Märkte und Kundensegmente von gestern auch die von morgen sein werden – demografisch, in Hinblick auf die Kaufkraft oder aber die Art, wie Kunden künftig Produkte kennenlernen und wo und wann sie diese kaufen. Hierzu gibt es genügend Daten, Studien und Prognosen, die sie nicht selbst generieren müssen und für ihren künftigen Erfolg nutzen können. Ein erfolgreiches Konzept, um zeitnah Kundenwünsche oder Verbesserungen und Probleme zu erkennen, ist das Net-Promoter-Score-(NPS-)Konzept. Richtig angewandt, werden die relevanten Kundenkontaktpunkte mit dem Unternehmen automatisiert evaluiert und sogar interne Mitarbeiter-Befragungen damit durchgeführt. Sobald die Mitarbeiter über ein NPS-System incentiviert werden, wird das Unternehmen kundenfokussierter.
Für bisher konservativ geführte Unternehmen mag es ungewohnt sein, aber die neue Realität und die ungewisse Zukunft erfordern ein Umdenken, Mut zum Ausprobieren und eine fortwährend lernende Unternehmenskultur inklusive einer gewissen Fehlertoleranz. Bewährte Märkte und Kundensegmente sollten nicht leichtfertig aufgegeben, aber kritisch hinterfragt werden – gerade beispielsweise in Hinblick auf deren Krisenfestigkeit. Aber aufgepasst, einen Markt rein digital aufzubauen, ist fast genauso teuer wie ein physischer Aufbau. Performance-Marketing ist ein gutes Mittel, um zu testen, aber nicht, um physische Produkte in einem neuen Markt zu positionieren, wenn man die Marke nicht kennt. Es ist ein Irrtum, zu meinen, die Digitalisierung sei das Zaubermittel für rasche Umsatzsteigerung. Auch die Digitalisierung erfordert langen Atem, Geduld.
 Kundenprofile schärfen
Auch die Kommunikationskanäle verändern sich. Für viele Unternehmen scheint es noch immer überraschend zu sein, dass sie selbst über ungenutzte Möglichkeiten – vor allem im Bereich der sozialen Medien – verfügen. Dort können potenzielle Kunden zielgenau angesprochen und ihr Nutzerverhalten analysiert werden.
Ein gutes Mittel, um Aufmerksamkeit zu generieren, sind Influencer. Social Media ist vielfältig und es geht nicht primär um zusätzlichen Umsatz, sondern um die Stärkung des Brands sowie um Customer Support bei Kundenfragen. Aber auch auf ihrer eigenen Website haben viele Unternehmen Optimierungspotenzial. Die direkte Kommunikation zu den Zielgruppen hat den enormen Vorteil, dass man eine Welt schaffen kann, die sich an den Bedürfnissen der Kunden orientiert. Artikel in der Publikums- und Fachpresse haben ihre eigenen Vorteile, aber den erwähnten nicht. Gleichzeitig kann man beeinflussen, wie gut sich Inhalte von Suchmaschinen und damit von potenziellen Neukunden finden lassen. Wie das genau funktioniert, erläutern wir im dritten Teil dieser Artikelserie.
Tipp: Gehen Sie statt von Ihren bereits vorhandenen Märkten von künftigen Absatzmöglichkeiten aus. Testen Sie mit kalkuliertem Risiko neue Märkte und neue Kundensegmente über Suchmaschinen und Social Media. Messen Sie den Erfolg. Lernen Sie aus Fehlern. Testen Sie erneut.
Testen, Messen, Lernen
Welche neuen, womöglich digitalen Distributionskanäle wurden im Unternehmen in den letzten Jahren erschlossen? Welchen exakten Nutzen bringen die bestehenden Kanäle? Wie werden Zwischenhändler motiviert, gemeinsam mit der Geschäftsführung neue Kundensegmente zu erschliessen? Viele Unternehmen haben auf diese Fragen nur unzureichende Antworten.
Die Lieferanten und Handelspartner sind selbstverständlicher Teil der Wertschöpfungskette und eine wertvolle Datenquelle. Im Idealfall sind sie auch Wertschöpfungspartner, die über den Umsatz und die Marge hinaus motiviert sind, Teil des Geschäftsmodells zu sein. Werden Datenfragmente der eigenen Kundendaten mit denen der Zwischenhändler und Endverkäufer bereits ausgetauscht? Es wäre beispielsweise hilfreich, dem Vertriebspartner Einblick in das sich wandelnde Nachfrageverhalten der Kunden zu geben, das über die Website erfasst wird.