Digitalisierung & Transformation

Kommunikation

Warum die Zeit der Social-Media-Manager vorbei ist

Social Media muss zwar strategisch vorbereitet und begleitet werden, doch dazu ist kein ­Social-Media-Mitarbeiter notwendig. Vielmehr muss das Thema durch die Unternehmensführung und die leitenden Angestellten im Zusammenspiel mit Geschäftsführung, Marketing, Vertrieb und HR verankert werden.
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Die Digitalisierung hat vor allem kleinere und mittlere Unternehmen vor grosse ­Herausforderungen gestellt. Nicht nur im ­IT- und Produkt-Bereich ist es seitdem zu gros­sen Veränderungen gekommen. Auch das Marketing und der Vertrieb mussten sich der digitalen Revolution anpassen. Heute gibt es kaum noch Unternehmen, die nicht in den sozialen Medien sichtbar sind. Alle haben verstanden, dass es ohne digitalen Auftritt nicht mehr geht, und dieser wird meist durch einen Social-Media-Manager inszeniert. 

Mehr als ein Outbound-Kanal

Das wichtigste Auswahl-Kriterium ist ­dabei oftmals lediglich das Alter. Denn natürlich sind alle jungen Menschen Social-Media-Experten, glaubt die Unternehmensführung. Aber einfach nur jung zu sein und die Klaviatur der sozialen Medien bedienen zu können, reicht nicht aus. Das bestätigt eine aktuelle Studie der Digitalagentur Virtual Identity, der ­Macromedia und der Donau-Uni Krems: Denn auch nach zehn Jahren haben sich Social-Media-Manager im Unternehmen kaum etabliert. Und das hat einen Grund.

Viele Unternehmen sahen in Social Media einen weiteren Outbound-Kanal, der durch die PR- und Marketing-Abteilung abgedeckt wird – eine kommunikative Einbahnstrasse. Das ist aber falsch. Denn wer genau hinsieht, versteht, dass Social Media für eine Veränderung der gesamten Art und Weise sorgt, wie nach innen und aussen kommuniziert wird. Und das betrifft nicht nur die Produktion, sondern auch den gesamten Vertrieb und das HR. Denn die Rolle, die dem Kunden und dem potenziellen Bewerber heute für das Unternehmen und dessen Image zukommt, hat sich stark verändert.

Die Kundenansprüche

Was früher ein reiner Push-Kanal war, ist heute ein Kommunikationsweg in beide Richtungen. Der Kunde ist nicht mehr reiner Empfänger von Botschaften. Stattdessen will er zumindest die Möglichkeit haben, zu reagieren und zu interagieren. Er will Angebote erhalten, die genau auf ihn zugeschnitten sind, er will sofort und individuell beraten und betreut sein. Und das kann kein einzelner Berater leisten. Entscheidet sich ein Unternehmen heute für Social Media, ist es eine Entscheidung, die für alle Geschäftsprozesse gilt. Denn die Kommunikation über soziale Netzwerke ist vor allem eines: persönlich.

Zwei Beispiele: Ein Verkäufer, der möglichst viel über sein Gegenüber weiss und versteht, um was es ihm als Käufer geht, hat höhere Erfolgschancen als derjenige, der «kalt» zum Hörer greift, um sein Produkt zu verkaufen. Die sozialen Medien bieten eine einmalige Chance, sich ein Bild über den Kunden, seine Wünsche und Bedürfnisse zu machen, um diese als Anknüpfungspunkte für ein Verkaufs­gespräch zu nutzen. Das kann ein Social-Media-Manager nicht. 

Gleiches gilt für HR: Statt darauf zu hoffen, dass sich hinter den eingegangenen Bewerbungen der richtige Kandidat ­verbirgt, kann sich der Personaler über Linkedin, Xing usw. selbst einen ersten Eindruck verschaffen und passende Kandidaten sogar selbst ansprechen. Deshalb ist es wichtig, dass ausgewählte Mitarbeiter auf den relevanten Plattformen im direkten Kontakt mit ihren Kunden stehen. Ihre Fach-Expertise ist das ausschlag­gebende Kriterium für den Erfolg. Und nicht das (junge) Alter. Leider passiert das noch nicht oft genug, obwohl auch sie von einer Social-Media-Präsenz profitieren.

Ziel: digitale Souveränität

Die Beispiele zeigen: Social Media ist eine Möglichkeit der persönlichen, nahbaren Kommunikation und macht sie skalierbar. Dazu muss es jedoch in der Unternehmensstrategie klar verankert sein und statt auf den Schultern eines Einzelnen in jeder Abteilung gelebt werden. Ähnlich wie im Change-Management muss die soziale Kommunikation alle Unternehmensbereiche, die nach aussen sichtbar sind, abdecken. Nur dann kann ein langfristiger Erfolg stattfinden, der sich auf die gesamte Marke auswirkt. Richtig aufeinander abgestimmt, entsteht dadurch ein Gesamtbild der Marke, das für Offenheit, Souveränität und ein positives Markenimage steht. Im Idealfall geht daraus eine Bewegung innerhalb des Unternehmens hervor, die die gesamte Unternehmenskultur verändert. 

So ist es einem Personaldienstleister ergangen. Nach ersten Workshops und ­Analyse der bestehenden Kommunikation der Bereiche Marketing, HR und Vertrieb sowie der Aussenwirkung des Managements entstand eine übergeordnete Social-Media-Strategie, die von allen getragen und umgesetzt wurde. Der Vertrieb wurde in Social Selling geschult, das Marketing in Storytelling und die HR-Abteilung in Employer Branding in sozialen Netzwerken. Ausserdem erhielten alle Führungskräfte einen Linkedin-Workshop, um ihr Profil zu schärfen und zu erlernen, wie sie ihren Auftritt sowohl für sich selber als auch für die Wahrnehmung des Unternehmens einsetzen können. Der Erfolg war so durchschlagend, dass daraus eigene Bootcamps hervorgingen, in denen heute sowohl weitere Mitar­beiter als auch Kunden in Sachen Social Media geschult werden. Die Sales-Abteilung verleiht regelmässig Social Selling Awards an die erfolgreichsten Mit­arbeiter und ein eigenes Matrix-Team erarbeitet kontinuierlich neue Ideen und integriert diese in die Gesamtstrategie.

Führungskräfte profitieren 

Je mehr Verantwortung Führungskräfte im Laufe ihrer Karriere erhalten, umso mehr Zeit verbringen sie mit Kommunikation. Ob Kommunikation seitens Kunde, Bewerber, Investor oder Mitarbeiter. Doch ein grosser Teil dieser Kommunikation kann bei 500 Mitarbeitern und mehr nicht mehr eins zu eins stattfinden. 

Gerade hier spielt Social Media eine wichtige Rolle. Social-Media-souveräne Führungskräfte gewinnen unter anderem die besten Talente für sich, noch bevor das erste Vorstellungsgespräch gelaufen ist, indem sie Einblicke geben in ihr Führungsverständnis und damit bei Bewerbern den Wunsch kreieren, Teil der Mission zu sein. Sie vermitteln Mitarbeitern ein Gefühl von Nähe und Werkstolz trotz Remote-Arbeit und können auch digital ihre Wertschätzung ausdrücken. Das alles kann ein Social-Media-Manager nicht.

Orchestrierte Präsenz

Orchestriert werden muss die Social-Media-Präsenz dennoch. Dazu müssen alle beteiligten Bereiche eine gemeinsame ­Digital-Marketing-Strategie entwickeln, welche die Ziele für Branding (Awareness), Sales (Leads) und HR (Bewerbungen) genau festlegt. Nur wenn Marketing, HR und Vertrieb eine gemeinsame Strategie verfolgen, verändert sich das Image des Unternehmens langfristig in den sozialen Medien und im Internet. Bestehende Silos müssen dazu abgebaut und durch gemeinsame Ziele ersetzt werden. In der Praxis eignet sich Kotters Acht-Stufen-Modell aus dem Change-Management als Leitfaden für die Umsetzung der Social-Media-Strategie: 

1. Analyse der bisherigen Nutzung von Social Media 
2. Sense of urgency: Workshop über die Relevanz von Social Selling für das ­Unternehmen
3. Vorbilder schaffen: Erstes Training für das Management und fortgeschrittene Mitarbeiter
4. Kontinuierliche interne Kommunikation der Erfolge
5. Bootcamps und Online-Kurse für Mitarbeiter und Führungskräfte 
6. Integration ins CRM-System, um Social Selling als vollwertigen Sales-­Kanal zu implementieren und messbar zu machen
7. Ausrufung des «Social Selling Award» als Ansporn für alle Mitarbeiter
8. Aufstellung eines interdisziplinären Social-Media-Teams, das das Thema im Unternehmen weiterdenkt und steuert

Offen für neue Denkweisen

Digitales Marketing ist oft eine, wenn nicht sogar die treibende Kraft der digitalen Transformation in einem Unternehmen. Diese gelingt jedoch nur, wenn alte Strukturen aufgelöst werden und Mut zur Veränderung besteht. 

Alte Silos müssen aufgebrochen werden und einem ganzheitlichen Denken weichen. Bisherige Erfahrungen und Strukturen müssen hinterfragt und gegebenenfalls durch neue ersetzt werden. Mitarbeiter und Führungskräfte müssen dazu ermutigt werden, neue Wege auszuprobieren und neue Denkstrukturen zuzulassen, ohne dafür verurteilt zu werden. Das dafür notwendige «Growth Mindset» ist nicht nur eine wichtige Voraussetzung für die digitale Transformation, sondern auch für einen souveränen Auftritt im Netz. 

Die Unternehmensführung muss Vertrauen in ihre Mitarbeiter haben und ihnen erlauben, ohne doppelte Absicherung durch das Marketing oder die PR eigene Meinungsbeiträge, Kommentare und Likes im Netz zu veröffentlichen. Unterstützung statt Kontrolle. Dadurch verbessert sich nicht nur die Unternehmenskultur, sondern es entsteht auch eine lebendige Marke, deren Strahlkraft durch die Mitarbeiter verbreitet wird.

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