Digitalisierung & Transformation

Künstliche Intelligenz

Die Möglichkeiten und die Grenzen der KI

Künstliche Intelligenz, die Kunst produziert, ist die jüngste spektakuläre Entwicklung im Bereich von KI. Das ruft Ängste und Erwartungen hervor. Doch wo liegen die Grenzen dessen, was Künstliche Intelligenz zu leisten imstande ist?
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Künstliche Intelligenz gewinnt im Alltag immer mehr an Bedeutung. Auch bei der letzten Fussball-WM in Katar kam KI breit zur Anwendung. Mehr als 15 000 Kameras waren rund um die acht Fussballstadien im Einsatz, um gefährliche Menschenansammlungen und eine mögliche Massenpanik vorherzusagen und zu verhindern. Ebenso half die Videoüberwachung den Schiedsrichtern beim Treffen von kniffligen Entscheidungen. Die Fussbälle selbst waren mit Sensoren aus­gestattet, die fünfhundertmal pro Sekunde die Position der Bälle angaben.

Nachdem Künstliche Intelligenz um die Jahrtausendwende noch kein Thema war, nahm deren Entwicklung in den 2010er-Jahren erheblich an Fahrt auf. Grosse Fortschritte wurden beim autonomen Fahren erzielt, in der Diagnose von Krankheiten, in der Abstimmung von Abläufen in der Logistik und schliesslich konnte KI auch den amtierenden Weltmeister im Go-Spiel schlagen, eine noch kurz ­davor für unmöglich gehaltene Aufgabe.


Leistungsstarke Rechner 

All diese Erfolge beruhen aber darauf, dass zeitgemässe Rechner eine Unmenge von Daten prozessieren können – und nicht zuletzt deswegen fortwährend eine Unmenge von neuen Daten generiert wird, die von den Rechnern anhand von Algorithmen erneut verwertet wird. Das steckt hinter Big Data. Tatsächlich ist eine lernende und analysierende KI aber vollkommen «dumm». Um zu verstehen, was eine Katze ist, muss die KI mit Mil­lionen von Katzenbildern gefüttert ­werden, während ein kleines Kind sehr schnell begreift, was eine Katze ist. 

Doch nicht nur die Quantität der Infor­mationen, mit denen die KI gefüttert wird, ist von Bedeutung, sondern auch die Qualität. Da die Künstliche Intelligenz nicht tatsächlich intelligent ist, kann sie nämlich nicht entscheiden, welche In­formation tatsächlich relevant ist. Im Geschäftsalltag scheitert der Einsatz von Künstlicher Intelligenz oftmals an ­einer inadäquaten Datengrundlage. 

Gute Beispiele dafür, wie grosse Datenmengen dank KI optimal genutzt und gepflegt werden können, liefern die B2B-Plattformen «wlw» (ehemals «Wer liefert was») und «Europages». Die Plattformen bieten eine grosse Menge an Informationen, um gewerbliche Einkäufer mit den passenden Produkten und Dienstleistungen zusammenzubringen. Das Unternehmen Visable als Träger der beiden Plattformen nutzt selbst KI-Programme zur Pflege der Daten, beispielsweise zur Bereitstellung von Schlüsselwörtern für die Datensuche oder zur Eliminierung von Daten-Duplikaten. Notwendig dafür ist die Verfügbarkeit von qualitativ hochwertigen Daten. Denn Datenquantität ist nicht gleich Datenqualität. Visable hat für die Datensammlung begonnen, Künstliche Intelligenz zu nutzen, um relevante Daten als solche zu identifizieren – im Sinne eines Lernprozesses über intelligente Algorithmen.


Die effizientere Intelligenz

Künstliche Intelligenz erscheint also deswegen intelligent, weil sie blitzschnell und auf der Basis von vorgegebenen Algorithmen eine Unmenge von Daten verarbeiten kann. Solche Leistungen bleiben der menschlichen Intelligenz verschlossen. Gleichzeitig scheint die menschliche Intelligenz viel effizienter zu sein. Aus viel weniger Daten kann sie Schlüsse ziehen, die vielleicht für immer ausserhalb der Reichweite der Künstlichen Intelligenz liegen. Das scheint sich auch in Bezug auf die «Hardware» auszudrücken. Während das menschliche Gehirn zwar einen hohen Anteil der körperlichen Energie für sich beansprucht, benötigt es nur einen verschwindend kleinen Raum und verschwindend wenig Energie im Vergleich zu Superrechnern. 

Künstliche Intelligenz arbeitet also vergleichsweise ineffizient. Es gelingt ihr nicht, auf der Basis eines geringen Vorwissens, zwischen relevanten und irrelevanten Daten zu unterscheiden. Künstliche Intelligenz hat in dem Sinne gar kein Wissen und weiss auch nicht, was Wissen ist. Sie operiert nur mit Daten. «Alpha Go», das den Go-Weltmeister schlägt, weiss nicht, was Go ist, noch dass es ein Spiel spielt. Es weiss nicht, was ein Spiel ist und kennt keine Emotionen und geistigen Zustände, die mit einem Spiel im Zusammenhang stehen wie Anspannung, Faszination oder Siegesfreude. 


Weder Willen noch Emotionen

Die Intelligenz einer Künstlichen Intelligenz beschränkt sich immer auf die Anwendung. Eine Künstliche Intelligenz, die Go spielt, kann nicht Schach spielen. Wenn man sie umprogrammiert, kann sie nicht mehr Go spielen, denn eine Künstliche Intelligenz hat kein Gedächtnis. Indem sie kein Gedächtnis hat, «lernt» sie auch nicht in unserem Sinne. Sie hat auch keine Motivation zu lernen, da sie generell keine Motivation und keinen Willen hat und – an sich – kein inneres Belohnungssystem. Was gut ist – denn so hat KI an sich auch keinen Willen, die Menschheit auszulöschen oder zu versklaven. Diesbezüglich braucht man sich wohl vor Künstlicher ­Intelligenz nicht zu fürchten, denn Intelligenz allein ist nichts Gefährliches. 

Wenn man den Menschen als einen sehr langsamen Lerner und Datenauswerter verglichen mit einer KI betrachten will, übersieht man, dass der Mensch in jedem Augenblick eine Unmenge von Daten auswertet, die er über seinen Körper als Sinnesdaten empfängt. Während eine Künstliche Intelligenz (zumindest wenn sie nicht mit Sensoren ausgestattet ist) keine Leiblichkeit und keine Sinnesorgane hat. Lernen ist mit spontaner Bewegung und einer Erkundung der Welt verbunden, die eine Künstliche Intelligenz wahrscheinlich nicht in gleicher Weise imitieren kann. 


Mensch hat Weltwissen

Das Wissen, das der Mensch bewusst oder auch unbewusst hat, ist schliesslich ein umfassendes Weltwissen. Aufgrund dieses enormen Weltwissens fällt es dem Menschen offenbar viel leichter, in neuartigen Situationen angemessen zu reagieren – oder eben neues Wissen her­zustellen –, als es Künstliche Intelligenz kann. Wenn der Wind eine Plastiktüte über die Stras­se weht, wird ein Mensch das angemessen erkennen und auch erkennen, dass keine grosse Gefahr besteht. KI hingegen muss explizit auf solche Fälle – und das heisst auch auf die unwahrscheinlichsten – trainiert werden. 

Lernen und Können ist bis zu einem gewissen Grad algorithmierbar. Stufe 1 eines Lernprozesses wäre, die Regeln zu erlernen und sie stur anzuwenden. Stufe 2 wäre die Anwendung der Regeln unter bestimmten Situationen. Tatsächliches Expertenwissen hingegen ist bis heute nicht algorithmierbar – und wird schliesslich auch vom Menschen nicht recht verstanden. Tatsächliche Meister und Experten auf einem Gebiet würden es als «Gefühl» für eine Sache beschreiben, aus dem heraus sie die richtigen Entscheidungen treffen. Als Algorithmus ist das aber nicht abbildbar. 

Während ein Mensch angeben kann, was er tut und warum er etwas tut, kann die Künstliche Intelligenz das nicht. KI ist eine Blackbox. Daher kann KI auch keine Verantwortung für ihre Entscheidungen übernehmen. Auch wenn KI die komplizierten Berechnungen angeben kann, aufgrund derer sie eine Entscheidung getroffen hat, hat sie das nicht bewusst getan.


Grenzen der KI 

Künstliche Intelligenz hat bedeutende Fortschritte erzielt darin, kreative Leistungen zu erbringen. Künstliche Intelligenz kann Kunst machen, Bilder generieren, Musik komponieren. Sie braucht dazu gar nicht einmal besonders fortgeschritten zu sein. Tatsächlich kann Künstliche Intelligenz auf diesem Gebiet auch etwas «Neues» hervorbringen. Jedoch stellt sich die Frage, wie neu und innovativ KI-Kunst tatsächlich sein kann. Denn Künstliche Intelligenz ist an sich nicht kreativ. 

Was Kreativität ist und wie sie im menschlichen Gehirn hervorgebracht wird, ist ebenfalls noch nicht erschöpfend geklärt oder definiert. Bedeutende künstlerische Leistungen sind zudem nicht allein kreativ, vielmehr scheinen sie profund und tiefsinnig. Sie scheinen einem tiefen Weltverständnis und einem Weltempfinden einer Künstlerpersönlichkeit zu entspringen. Und die Mühen einer geistigen Geburt, innerhalb eines geistigen Ringens, scheint man ihnen anzumerken. 

Kunst assoziiert man damit, dass jemand etwas kann und dass jemand etwas will. Sie entstammt einer Anstrengung und hat das Charisma einer nicht alltäglichen Anstrengung. KI-Kunst hingegen kann nichts und will auch nichts. Sie weiss nichts von Kunst und vom tieferen Sinn von Kunst. Kreativität lässt sich – als spontane, jedoch sinnvolle Assoziation von Inhalten – bis zu einem gewissen Grad imitieren und modellieren. Tiefsinn ist jedoch wiederum eine Art von Weltwissen, das auch uns Menschen selbst mysteriös erscheint, geschweige denn, dass Menschen ein ­Programm dafür angeben könnten. 


Quantensprünge gefragt 

Dieses sind einige der Grenzen, denen Künstliche Intelligenz in ihrer heutigen Form anzunehmenderweise unterliegt. Damit Künstliche Intelligenz tatsächlich kreativ oder tatsächlich «intelligent» sein kann, sind Quantensprünge in der Forschung – nicht zuletzt in der Hirnforschung – nötig. Die heutige Künstliche Intelligenz beruht eher auf einem kontingenten Zusammentreffen von Faktoren – in dem Fall von Big Data und der heutigen hohen Rechenleistung von Computern. Vielleicht sind Intelligenzleistungen mehrheitlich keine grossartigen schaumgeborenen Ideen, sondern ein kontingentes Zusammenführen von Wissen oder Können, das bereitsteht. 

Eine Mischung aus neuromorphen Chips, gehirninspirierter Software, neuen Al­gorithmen und weiteren Ideen könnte schliesslich den Traum einer allgemeinen Künstlichen Intelligenz möglich machen. Eine solche Künstliche Intelligenz könnte dann selbst solche kontingenten Zusammenführungen von Wissen veranlassen.

Bis dahin scheint es aber noch Menschensache – und eine Sache der menschlichen Verantwortung –, die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz dementsprechend voranzutreiben.

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