Digitalisierung & Transformation

Digitalisierung

Neue Herausforderungen für den Verwaltungsrat

Digitalisierung betrifft nicht nur Technologien, sondern es geht um Strategien, Prozesse, Geschäftsmodelle, Strukturen und Workflows. Insofern ist die Digitalisierung ein Thema, das in der Verantwortung des Verwaltungsrates liegt. Der Beitrag zeigt, welche Aspekte zu berücksichtigen sind.
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Mit der fortschreitenden Digitalisierung der Wirtschaft werden die unternehmerischen Grenzen weiter aufgelöst, die Geschäftsbeziehungen verändern sich und die Wertschöpfungsketten werden übergreifend vernetzt. Diese technologischen Entwicklungen sind dabei, das gesellschaftliche Leben, die Wirtschaft, die Wissenschaft und die politischen Organisationen grundlegend zu verändern.

Veränderungsmechanismen

Und sie verlaufen um ein Vielfaches schneller als frühere Umbrüche. Es ist nicht eine bestimmte Technologie, die den Wandel vorantreibt, sondern es sind viele Innovationen und deren Verschmelzung. Sie verbinden verschiedene Technologien zu ganz neuen Lösungen und transformieren Systeme und Organisationen über Grenzen hinweg.

Bei den Unternehmen sind verschiedene Reaktionen erkennbar. Diese reichen von Relativieren oder gar Verharmlosen bis zu eigentlichen Schreckensszenarien. Es stellt sich daher die relevante Frage, wann sich Branchen wie verändern oder gar verschwinden, und nicht, ob dies überhaupt eintritt. Die sorgfältige Unternehmensführung erfordert somit die Einbindung von «digitalen Kompetenzen».

Die Zusammenarbeit zwischen Verwaltungsrat (VR) und Geschäftsleitung (GL) muss von beiden Seiten her betrachtet werden. Der Verwaltungsrat vertritt mit den Aktionären das Kapital und ist von Gesetzes wegen für die Strategie und deren korrekte Umsetzung verantwortlich. Die Geschäftsleitung ist das Organ, mit dem die Strategie am Markt umgesetzt wird.

VR und GL in der Praxis

In der Praxis wird häufig die Strategie der Unternehmung gemeinsam erarbeitet, da die Geschäftsleitung näher am Markt ist und deswegen wichtige Marktfaktoren in die Strategie einfliessen lassen kann. Der VR sollte eine übergeordnete Marktbetrachtung haben und Trends / Tendenzen bereits frühzeitig erkennen. Die Digitalisierung ist deshalb nicht nur das Thema der Geschäftsleitung, der Verwaltungsrat müsste dieses Thema schon lange auf dem Radar haben.

Als Verwaltungsrat darf man sich durchaus externe Unterstützung in Form von Beratung holen, damit man danach das Thema als Sparringspartner mit der Geschäftsleitung angehen kann. Die Digitalisierungs-Verantwortung rein innerhalb des Verwaltungsrates wahrzunehmen, mag in gewissen Unternehmen durchaus möglich sein, in der Mehrzahl der KMU-VR ist dieses Thema jedoch Neuland und sollte professionell begleitet werden. Digitalisierung ist nicht ausschliesslich Technologie, sondern es geht um Strategie, Prozesse, Geschäftsmodelle, Strukturen sowie Workflows. Insofern ist die Digitalisierung klar ein Thema, welches in der Verantwortung des Verwaltungsrates liegt.

Strategie und Geschäftsmodelle

Der Erhalt oder die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit erfordert in fast allen Unternehmen durch diese digitalen Umwälzungen eine eingehende Überprüfung der Strategie, der Geschäftsmodelle, der Organisation, der Prozesse und der Kultur. In den meisten Fällen wird sogar eine Veränderung oder Anpassung notwendig sein.

Die digitale Transformation betrifft im Querschnitt das ganze Unternehmen und die für das Unternehmen relevanten Anspruchsgruppen. Aufgrund der Veränderungen durch die Digitalisierung ergeben sich neue Herausforderungen an die Organisation des Unternehmens und an die Definition der Funktionen der Mitarbeitenden mit ihren Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortungen. Darin sollte sorgfältig vorgegangen werden. Für Führungsverantwortliche in Unternehmen ist es in dieser Situation recht schwierig, sich zu orientieren: Welche Anpassungen sind in strategischer Hinsicht notwendig? Wie verändern sich die Märkte und das Umfeld? Welche Konsequenzen ergeben sich daraus auf die Geschäftsprozesse und Wertschöpfungsketten?

Traditionelle Unternehmen sind mehrheitlich hierarchisch organisiert, gesteuert durch Finanzkennzahlen. Die Planung baut auf den Erfahrungen aus der Vergangenheit auf. Gegenüber von Risiken besteht tendenziell grosse Skepsis. Inno-
vationen erfolgen überwiegend intern durch Verbesserungen der Produkte und Optimierungen der Prozesse. Es muss konstatiert werden, dass diese Methoden und Strukturen nur sehr bedingt weiterhelfen, auf die wichtigen Fragen der Zukunft relevante Antworten zu finden. Aus Sicht des Verwaltungsrates gilt es aber die relevanten Veränderungen zu erkennen und rechtzeitig mit zukunftsfähigen Strategien zu reagieren. Die Geschäftsleitung erwartet vom Verwaltungsrat neue Impulse und eine kompetente Beratung und Diskussion über ihre Anträge und Anpassungen in den Geschäftsmodellen, der Ertragsmechanik, den Organisationsstrukturen und den Prozessen.

Zu einer sorgfältigen Unternehmensführung gehört heute, dass dieser stetige Wandel richtig organisiert, strukturiert und geführt wird. Die Einbindung von «digitalen Kompetenzen» durch mindestens eine Person im Verwaltungsrat ist nicht nur empfehlenswert, sondern notwendig.

Kompetenzen und Fähigkeiten

Viele Verwaltungsräte haben heutzutage klare Kompetenzprofile: Leadership, Strategie, Finanzen, Recht et cetera. In den wenigsten Fällen ist jedoch die Kompetenz Digitalisierung abgebildet. Will sich also ein Verwaltungsrat entwickeln und die strategischen Herausforderungen der Zukunft annehmen, muss diese Kompetenz zusätzlich im Verwaltungsrat vertreten sein.

Doch von welchen Kompetenzen sprechen wir eigentlich? Erfahrung im Einsatz von Multi-Channel-Vertriebsstrategien, Social-Media-Erfahrung, aktuelles Wissen im Bereich Informationstechnologien, Erfahrung im Umgang mit und in der Führung von virtuellen Organisationen, Erfahrung in Innovationsmanagement, um nur einige zu nennen. Alle diese Kompetenzen erfordern aber auch die Bereitschaft für Change-Management, denn all diese Kompetenzen sind darauf aufgebaut. Wenn die Bereitschaft für den Wandel nicht vorhanden ist, nützen diese Kompetenzen gar nichts.

Nun ist es grundsätzlich schon möglich, dass ein oder mehrere Mitglieder des Verwaltungsrats sich diese Kompetenzen aneignen, oder man kauft sich diese Kompetenz auf dem Markt ein und erweitert den bestehenden Verwaltungsrat. Der letztgenannte Fall stellt sicher, dass keine Zeit verloren geht und dass man das Thema Digitalisierung professionell angeht. Die eingangs erwähnten Fähigkeiten wie Leadership, Unternehmertum und Strategieverständnis werden deshalb nicht verschwinden, aber sie werden durch weitere wichtige Kompetenzen ergänzt.

Technologie

Die vierte digitale Revolution wird durch die Vernetzung von Innovationen auf physischer, digitaler und biologischer Ebene angetrieben. Die Vernetzung auf digitaler Ebene ermöglicht eine Informationstechnologie, welche Mensch und Maschine in eine immer engere Verbindung und Interaktion setzt. Die Wirtschaft strebt nach intelligenten Fabriken, in denen Prozesse beispielsweise mit Robotik automatisiert und Ressourcen effizienter eingesetzt werden. Dank künstlicher Intelligenz und modernen Analysemöglichkeiten werden Informationen zu einem Produktionsfaktor. Schnelligkeit und Flexibilität wird wichtiger als der Besitz von Ressourcen oder unternehmerische Grösse.

Daraus ergibt sich, dass Geschäftsbereiche zunehmend an Dritte ausgelagert werden. Beispielsweise IT-Dienstleistungen in eine Cloud oder andere Elemente aus den Unterstützungsprozessen wie Buchhaltung, Human Resources oder Logistik. Ein weiterer Aspekt ist die Zunahme der Mitarbeitenden, welche mobil arbeiten, von unterwegs, beim Kunden oder von zu Hause aus.

Daraus ergeben sich nicht nur Fragestellungen im Hinblick auf die IT-Sicherheit, sondern auch zu den veränderten Anforderungen an die Führung, Kompetenzen und Verantwortungen des Mitarbeitenden mit entsprechendem Regelungsbedarf. Mit in die Überlegungen einzubeziehen sind auch vermehrt die Portfolio-Worker, welche für spezifische Projekte zeitlich und inhaltlich limitiert engagiert sind und nicht in einem klassischen Arbeitsverhältnis arbeiten. In diesen Überlegungen mitzuberücksichtigen ist die Beibehaltung der Attraktivität als Arbeitgeber. Denn gut ausgebildete Mitarbeitende bevorzugen Arbeitgeber, die zeitgemässe Beschäftigungsmodelle und attraktive Arbeitsumgebungen anbieten.

Risiko und Haftung

Die Digitalisierung ändert an der Sorgfalts- und Treuepflicht gemäss OR Art. 717 nichts. Die Mitglieder des Verwaltungsrats sowie die Geschäftsleitung müssen die Interessen der Unternehmung in guten Treuen wahren. Übersetzt heisst das, die Digitalisierung muss im Interesse der Unternehmung stehen, will das Unternehmen auch in Zukunft marktfähig sein. Wie und in welchem Ausmass liegt schlussendlich im Entscheidungsspielraum der Aktionäre. Die Aktionäre bestimmen mit der Besetzung des Verwaltungsrates, welche Kompetenzen und Fähigkeiten für den Unternehmenserfolg der Zukunft entscheidend sind. Das Risiko, den Verwaltungsrat ohne Digitalisierungskompetenz auszustatten, dürfte grösser sein als vielfach angenommen. Insofern müsste das Thema Digitalisierung an jeder Generalversammlung aufgegriffen werden – lieber einmal zu viel als einmal zu wenig.

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