Digitalisierung & Transformation

Unternehmensführung

Digitalkompetenz als essenzielle Basis für Beiräte

Die Nutzung digitaler Tools ist bei Weitem nicht mehr optional. Insbesondere viele familiengeführte KMU tun sich aber oftmals noch schwer, sich dem verändernden Markt agil anzupassen und in eine digitale Zukunft aktiv zu investieren. Eine digitale Kompetenz aufseiten der Aufsichts- und Beiräte wird vor allem im Zuge der Zukunftsfähigkeit immer wichtiger.
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Covid-19 hat gezeigt, dass eine bereits vorhandene Digitalkompetenz den Unternehmen hilft, erfolgreicher durch die Krise zu navigieren. Das spiegelt sich auch im Aktienkurs: Während im März 2020 der globale Markt ganze 30 Prozent absank, stürzten Tech-Aktien weit weniger stark ab. Als die Kurse wieder Fahrt aufnahmen, stiegen die Kurse dieser Unternehmen weiter. Gleichzeitig hat die globale Wirtschaft mit einer nie dage­wesenen Geschwindigkeit neue digitale Technologien in der Krise eingeführt. 

Generationenwechsel als Chance

Eine stärkere Ausrichtung in Richtung digitale Lösungen sowie eine gewisse Abhängigkeit dergleichen kennzeichnen diese Krisenzeit und sind gleichzeitig zur neuen Realität geworden. Man könnte die kürzlich stattgefundene weltweite branchen- und marktübergreifende Umstellung auch mit dem Wort «Zwangsdigitalisierung» betiteln. 

Dabei wird diese Entwicklung nicht nur kurzfristige, sondern auch langfristige Erfolge verbuchen, denn Tech-getriebene Geschäftsmodelle gewinnen auch zukünftig weiter an Relevanz. Laut dem Wirtschaftsmagazin  Forbes (2019) wird die Weltwirtschaft in den nächsten zwanzig Jahren den bis dato grössten Vermögens- und Eigentumsübergang von der aktuellen auf die nächste Generation verlauten lassen können. Dieser Umstand sowie der Umgang mit der Digitalisierung und der damit einhergehenden neuen Realität wird in den kommenden Jahren zur Haupt­herausforderung für Familienunternehmen werden. 

Umso wichtiger ist es also, dass der Ge­nerationenwechsel richtig angegangen wird. Besteht das Management dann aus digital kompetenten Nachfolgern, haben die Unternehmen auch langfristige Überlebenschancen. Verpassen die Familienunternehmen allerdings diese Chance, gehen sie ein hohes Risiko ein. Denn zukünftig kommt es immer mehr auf digitale Kompetenz an. Mangelndes Know-how kann nicht nur zu Fehlentscheidungen führen, sondern auch zu verfehlten Kapitalverteilungen. 

Die Entscheidung darüber liegt zwar primär in der Verantwortung der Geschäftsführung, doch in aller Regel ist es der Beirat, der die Eigentümerper­spektive wiedergibt. Ist die digitale Transformation erst einmal angestossen und auch konsequent umgesetzt, sind wichtige Voraussetzungen für die künftige Wettbewerbsfähigkeit gegeben. 

Die Anforderungen

Nur wenige Aufsichtsräte sind ausreichend auf die digitale Zukunft vorbe­reitet. Viele Familienunternehmen transformieren sich nur sehr langsam von inhabergeführt zu inhabergesteuert beziehungsweise von analogen zu digitalen Geschäftsmodellen. Gleichzeitig nimmt der Wandel und damit auch der Anpassungsdruck für die Firmen Fahrt auf – gerade in den jetzigen volatilen, unsicheren, komplexen und ambivalenten Zeiten («Vuca» steht für Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity). 

Deshalb ist es heutzutage umso wichtiger, dass die Eigentümer ihrer Verantwortung in ganz besonderem Masse nachkommen und eine zukunftsorientierte Veränderung – beginnend auf der Beiratsebene – auch aktiv anstreben. 

Doch genau diese Ebene ist nicht selten mit Freunden oder Familienmitgliedern besetzt und gleicht daher in ihrem Mindset eher der «alten Schule». Diese Tat­sache steht einer wirklichen Veränderung oftmals im Wege, denn häufig fehlt den Amtsinhabern die dafür so nötige digitale Kompetenz. Stattdessen werden sie als Ausdruck einer Ehrerbietung oder aus einer familiären Verpflichtung zum Beirat ernannt.

Dabei sollte ein professionelles Aufsichtsgremium ein eingespieltes Team sein, weshalb auch dessen Zusammensetzung von ganz entscheidender Wichtigkeit ist. Laut AVS – International Trusted Advisors zeigen sogar verschiedene Studien einen Zusammenhang zwischen der Diversität in Teams von Verwaltungsräten und einer starken Unternehmensperformance. 

Onboarding «digitaler» Beiräte

Es ist leichter gesagt als getan, digitale Kompetenz in einem Beirat zu gewährleisten und wirklich «digitale» Beiratsmitglieder zu gewinnen. Nur wenige Unternehmen haben eine klar definierte digitale Rekrutierungsstrategie und wissen genau, wie dieser Talentpool denkt und sich verhält. Es ist wichtig zu verstehen, dass die Nachfrage nach digitalen Talenten, sei es auf Beirats- oder Management­ebene, das Angebot bei Weitem übersteigt. Und während früher die gängige, sichere Annahme war, dass die meisten Topmanager oder Unternehmer irgendwann eine Beiratsposition einnehmen, ist dies bei digitalen Talenten keine Selbstverständlichkeit.

Ein sorgfältig gesteuertes «Onboarding» ist aus diesem Grund für Familienunternehmen besonders wichtig, um geeignete Talente an Bord zu holen. Die Organisation muss mit der Tatsache umgehen, dass ein «digitales» Beiratsmitglied wahrscheinlich jünger ist und einen Werdegang hat, der von vielen als atypisch angesehen wird. Der Arbeits- und Kommunikationsstil von «Digital Natives» kann sehr (manchmal sogar radikal) unterschiedlich sein. 

Der Aufbau einer digitalen Kompetenz im Beirat wird sich langfristig für alle auszahlen – man darf aber nicht davon ausgehen, dass es immer einfach sein wird oder dass alle vom ersten Tag an dieselbe Sprache sprechen. Hier kann eine externe Begleitung dazu beitragen, den Weg zu ebnen und die Wirkung eines Gremiums zu erhöhen, das kürzlich ein digitales «Next Generation»-Mitglied an Bord genommen hat.

Fazit

Für den Mittelstand sowie für Familienunternehmen ist es unerlässlich, sich auf die digitale Transformationsreise zu begeben – erst recht in der durch Covid-19 ausgelösten «neuen Realität». Dabei gilt es, eine Brücke zu bauen zwischen mittelständischer Ingenieurskunst und Inno­vationskraft einerseits und dem Digita­lisierungspotenzial europäischer Tech-Talente andererseits. 

In einem ersten Schritt sollten Aufsichtsgremien sich mithilfe digital kompe­-tenter unternehmerischer Berater zu den Grundlagen der digitalen Transformation «schlaumachen». In einem zweiten Schritt sollten «Digital Natives» eine neue Generation von Beiratsmitgliedern in Familienunternehmen werden.

Porträt