Digitalisierung & Transformation

Digitale Transformation (Teil 5 von 7)

Digital Leadership: Die neue Art des Führens

Die digitale Transformation bringt vor allem auch einen organisationalen Wandel. Die Unternehmen werden ihre Strukturen, Prozesse und Führungssysteme neu denken müssen. Die Auswirkungen der Digitalisierung aufs Leadership zeigt dieser Beitrag.
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Digitale Transformation ist die Neuausrichtung von Geschäftsmodellen durch Technologien, um die Kundenerlebnisse an jedem Berührungspunkt (Touchpoint) mit dem Unternehmen zu verbessern. Dies geht einher mit umfassendem organisationalem Wandel: Innerhalb der Unternehmen etablieren sich neue Strukturen sowie Prozesse, neue Rollen und Verantwortlichkeiten, neue Formen der Zusammenarbeit, neue Führungs- und Motivationssysteme. Neue Qualifikationen sind erforderlich – lebenslanges Lernen wird die Regel sein.

Neue Kompetenzen nötig

In den kommenden drei Teilen dieser Serie zur digitalen Transformation werde ich daher die Konsequenzen der Digitalisierung für die interne Transformation aufzeigen. In dieser Ausgabe beginnen wir mit dem Digital Leadership.

Digital Leadership bedeutet das systematische, erfolgreiche und langfristige Führen von Unternehmen in eine Zukunft, in der radikales Denken und flexibles Handeln gefragt sind, um Technologie optimal für den dauerhaften Geschäftserfolg durch neue Kundenerlebnisse zu nutzen. Dies erfordert neue Fachkompetenzen, neue Methoden- und Sozialkompetenzen. Drei wichtige Fragen lauten:

  • Wie werden sich Wirtschaft und Unternehmen durch die fortschreitende Digitalisierung in den kommenden Jahren und darüber hinaus entwickeln? Die Autoindustrie blickt schon immer 20 bis 30 Jahre in die Zukunft.
  • Welche Konsequenzen hat dies für Branchen und Unternehmen? Und wie können Unternehmen diese Entwicklungen als Wettbewerbsvorteil nutzen?
  • Was bedeutet Digital Leadership? Wie lassen sich Geschäftsleitung, Abteilungen (weltweit), Teams, Manager sowie Mitarbeitende motivieren, die Chancen für das Unternehmen und für sich zu nutzen und hierbei auftretende Hindernisse zu meistern? Wie verändert sich das Management selbst? Wie können Manager die Digitalisierung optimal nutzen?

Die Anforderungen

Welche wichtigen Anforderungen kommen auf die Leader durch die Digitalisierung zu?

Konsequentes Ausrichten am Kunden als Haltung

Kunden sind anspruchsvoller geworden. Sie vergleichen Produkte und Leistungen sowie deren Preise im Internet – sogar im Laden. Und sie erwarten auf sie zugeschnittene Produkte und Leistungen.

Radikales Denken

Disruptive Geschäftsmodelle, also solche, die eine gesamte Branche verändern wie Uber und AirBnB, stellen Bestehendes grundsätzlich infrage. Die erfolgreichen Digital Leader denken demnach drei oder noch besser fünf Schritte voraus. Sie haben keine Probleme, die bestehenden Geschäftsmodelle zu zerstören und diese dann durch völlig neue Modelle zu ersetzen, wie dies zum Beispiel der Plattformbetreiber Amazon getan hat.

Disruptive Prozesse anführen können

Wichtig neben Methodenwissen wie Design Thinking und Rapid Prototyping ist das Wissen, wie junge Mitarbeiter ticken, was sie motiviert und wie sie im Unternehmen gehalten werden können; starre Arbeitsmodelle, Anwesenheitspflicht im Büro und Hierarchiedenken werden diese wertvollen Mitarbeiter dagegen wahrscheinlich schnell wieder aus dem Unternehmen treiben.

Wissen über die digitalen Trends, die über den Erfolg eines Unternehmens (mit-)entscheiden

Hierzu gehört Basis-Wissen, wie über digitale Technologien wie das Internet der Dinge, zweiseitige Plattform-Märkte und Machine Learning.

Digitales Wissen in eigene Produkte umwandeln

Wer seine Mitarbeiter nicht in einer anregenden, kreativen Innovationskultur motivieren kann, neuartige Produkte zu entwickeln, kommt nicht weit.

Grosse Dynamik

Die Veränderungen der Unternehmen vollziehen sich aufgrund der exponentiellen Entwicklungen von Technologien immer schneller. Management wird in dieser Dynamik zunehmend schneller und flexibler werden müssen. Dies zeigt sich allein schon an den Reaktionszeiten in den Sozialen Medien.

Vernetztes Denken

Digitale Medien und Technologien sind stark vernetzt: Geräte, Plattformen, Technologien, Anwendungen, Medienobjekte sind elektronisch miteinander verbunden, Inhalte beziehen sich aufeinander. Jedes einzelne System (Geräte, Technologien, Anwendungen etc.) und jedes Element in diesen Systemen können vernetzt sein und miteinander kommunizieren.

Neue Begriffe und Konzepte

Big Data, Artificial Intelligence, Cloud Computing, Augmented Reality, Virtual Reality, iBeacons, Hologramme, 3-D-Printing – solche Begriffe und Konzepte müssen Manager kennen, erklären und Menschen überzeugen, welchen Wert sie dem Unternehmen bringen können.

Neue Arbeitsformen

Digitalisierung bringt erhebliche Unsicherheit und Angst für die Mitarbeitenden mit sich. Ein Grund ist der drastische Arbeitsplatzabbau durch Automatisierung. Experten schätzen, dass in den kommenden 15 Jahren etwa die Hälfte der Arbeitsplätze wegfallen, wie zum Beispiel bei Banken; völlig neue Berufe entstehen wie der Experte Digital Customer Experiences. Digital Leadership muss Angst verhindern, Menschen stattdessen motivieren und Akzeptanz für neue Arbeitsformen aufbauen.

Neue Führungskonzepte

Zum Beispiel verschwindet das klassische «Command & Control»-Modell; stattdessen wird stärkere Partizipation der Mitarbeitenden wichtig. Kontrolle ist begrenzt auf Prüfen der Zielerreichung und Analyse von Abweichungen. Solche Kompetenzen sollten sich die Manager aneignen, ständig prüfen, weiterentwickeln und an die hoch dynamischen Entwicklungen anpassen. Die Unternehmenskultur scheint wichtigster Förderer oder Verhinderer der internen Entwicklung zu sein.

Neue Kommunikationskompetenz

Ganz offensichtlich ist das Verlagern der Kommunikation in den digitalen Raum – intern und extern. Die Führungskräfte brauchen Fähigkeiten sowie Kenntnisse im Umgang mit digitaler Kommunikation («Digital Literacy»).

Um die digitale Transformation zu meistern, sind damit Digital- sowie Managementkompetenz gefragt. Gewiss: Diese Veränderungen werden nicht von heute auf morgen erfolgen und nicht alle Unternehmensbereiche betreffen: In einigen Be­reichen wie etwa der Fertigung wird das langsame, genaue und sorgfältige Vorgehen wichtig sein, in anderen Innovation, Geschwindigkeit und Agilität.

Prozess der Digitalisierung

Die digitale Transformation sollte in drei Schritten ablaufen:

Entwicklung von digitaler Kompetenz

Im ersten Schritt sollten die Unternehmen digitale Kompetenz aufbauen: Was sind die Besonderheiten der Digitalisierung? Was die Herausforderungen? Welche Chancen bietet sie, und welche Grenzen sind erkennbar?

Plan für die gezielte und kontinuierliche Nutzung der Potenziale

Im zweiten Schritt beantwortet das Unternehmen die Frage, wie es die Potenziale nutzen will und die Gefahren bannen beziehungsweise wie es sich auf diese vorbereitet.

Kontinuierlicher Wandel

Im dritten Schritt erfolgt die kontinuierliche digitale Transformation.

Konzept für die Digitalisierung

Die Digitalisierung in einem Unternehmen sollte systemisch gezielt und langfristig erfolgen. Das Vorgehen ist im Digitalisierungskonzept festgeschrieben. Das Vorgehen besteht aus den Schritten:

Analyse

Ein klares Bild von der Ausgangssituation, den derzeitigen Stärken und Schwächen, künftigen Chancen sowie Risiken sowie dem Handlungsbedarf des Unternehmens;

Planung

das Definieren von Zielen, von Strategien, von Mitteln und Massnahmen. Das Ableiten von Zeitplan und Budget;

Umsetzung

die Ausarbeitung der Mittel und Massnahmen;

Steuerung und Kontrolle

die Festlegung des Zeitpunktes der Kon­trolle sowie der Methoden und Instrumente der Kontrolle.

Dieser Plan bildet die Grundlage für die Zusammenarbeit aller Beteiligten im Unternehmen. Er soll sicherstellen, dass gemeinsame Ziele angestrebt werden und die Energie bzw. die Ressourcen auf diese Ziele gerichtet sind. Was legt dieser Plan fest? Das Konzept beinhaltet erstens die Planung von neuen Produkten sowie Geschäftsmodellen für neue Kundenerlebnisse und zweitens die Organisation der Digitalisierung.

Externe Marktbearbeitung

Neue Kundenerlebnisse

Wie schafft das Unternehmen neue Kundenerlebnisse mit der Unterstützung von digitalen Medien und Technologien?

Neue Produkte und Leistungen

Wie setzt das Unternehmen die neuen Kundenerlebnisse in Produkte und Leistungen um?

Neue Geschäftsmodelle

Wie setzt das Unternehmen neue Produkte und Leistungen in einem gewinnbringenden Geschäftsmodell um?

Marketing und Vertrieb

Wie kann das Unternehmen die Produkte und Leistungen erfolgreich vermarkten? Und: Wie kann das Unternehmen die Digitalisierung für die Optimierung von Marketing und Sales nutzen, also für die Kundenakquisition, den Support und den Vertrieb? Und dies über digitale Kanäle effizienter gestalten. Wie lässt sich der Absatz über die digitalen Kanäle steigern? Welche Social-Media-Strategie verfolgt das Unternehmen?

Interne Organisation

Beteiligte

Wer ist direkt und indirekt in die Digita­lisierung einbezogen? Welche (digitale) Ausbildung haben diese Menschen? Wie bilden sie sich weiter, um die derzeitigen und künftigen Anforderungen der Digitalisierung meistern zu können? Welche der neuen Arbeitsmethoden sowie der neuen Tools können sinnvollerweise eingesetzt werden, um die Zusammenarbeit im Unternehmen weiter zu verbessern und ebenfalls die digitale Transformation voran­zu­treiben?

Rollen und Verantwortlichkeiten

Wer hat im Unternehmen für was den Hut auf? Wer ist Initiator in der Digitalisierung? Wer Treiber? Wer Unterstützer?

Prozesse

Wie können die Prozesse durch die Digitalisierung schneller, besser und günstiger laufen?

Strukturen

In welchen Strukturen arbeiten die Menschen zusammen? Netzwerke lösen hier starre Hierarchien und Abteilungen ab, die wie Festungen abgekanzelt arbeiten. Mitarbeitende aus unterschiedlichen Hierarchiestufen arbeiten im gleichen Team und geben sich regelmässig gegenseitiges Feedback. Idealerweise gibt es hierbei auch nicht einen führenden Funktionsbereich, sondern alle Bereiche arbeiten gemeinsam an abgestimmten Konzeptions- und Umsetzungsprojekten.

IT

Wie kann die IT die Digitalisierung unterstützen, zum Beispiel durch Enterprise 2.0, neue Tools der Zusammenarbeit wie synchrone, zeitgleiche Kommunikation, Tools zur Weiterbildung des Unternehmens wie MOOCs (Massive Open Online Courses)?

Kultur

Welche Kultur ist erforderlich, um die Potenziale der Digitalisierung optimal zu nutzen? Wichtig werden hier die Zusammenarbeit, das kreative Denken und die Fehlertoleranz.

Führung

Digitalisierung ist Aufgabe des gesamten Vorstandes, denn sie betrifft alle Unternehmensfunktionen entlang der Wertekette, also Forschung und Entwicklung, Einkauf, Produktion, Marketing und Vertrieb, aber auch Finanzen und Personal. Die Digital-Strategie sollte im Unternehmen regelmässig aktualisiert und überprüft werden. Alle Führungskräfte sollten mit der Gestaltung und Umsetzung der Digital-Strategie vertraut und beauftragt sein.

Der Chief Digital Officer  

Die Strategie der Digitalisierung kann der Chief Digital Officer (CDO) vorantreiben. Denn dieser kennt nicht nur die Prozesse, Produkte sowie Organisationsstrukturen – und hat den erforderlichen Einfluss, um Veränderungen im gesamten Unternehmen durchzusetzen –, sondern ist auch verantwortlich, die Vision für die digitale Zukunft des Unternehmens zu schaffen, beziehungsweise der Organisation eine klare Richtung vorzugeben sowie jeden Einzelnen aktiv in den Transformationsprozess miteinzubeziehen. Zudem sollte jeder Chief Digital Officer ein fundiertes Wissen in den folgenden drei Bereichen  mitbringen: E-Commerce, Marketing und Social Media.

Der Chief Digital Officer ist nicht nur das Bindeglied zwischen allen Führungskräften der Vorstandsebene, er ist vielmehr auch der direkte Draht zur gesamten Organisation und den Mitarbeitenden. Der Chief Digital Officer schafft eine allgemeinverständliche Vision für das gesamte Unternehmen, er bricht die bestehenden Silos auf, und er bewirkt die notwendigen Veränderungen in der Organisation, um die bevorstehende Mission auch meistern zu können. Die digitale Transformation stellt den Chief Digital Officer vor grosse organisatorische sowie persönliche Herausforderungen. Darum ist von ihm auch eine herausragende Führungspersönlichkeit gefordert.

Leadership und Kultur

Zu den schwierigsten Aufgaben im Digital Leadership gehört es, Unternehmen und Mitarbeitende durch die Digitalisierung zu führen. Aktuelle Studien zeigen, dass immer noch 70 Prozent der Change-Projekte scheitern – dies hat sich in den vergangenen 20 Jahren also trotz vieler Managementkonzepte und Praxisratgeber nicht verändert. Hierbei handelt es sich um Konzepte wie «Innovationsmanagement» und «Qualitätsmanagement».

Die Digitalisierung wird viel weitreichendere Folgen haben: Zum Beispiel wer­den die Banken in den kommenden zehn Jahren die Hälfte ihrer Arbeitsplätze durch Automation abbauen. Die Veränderungen sind derart tief greifend, dass Experten sie mit der Industrialisierung vergleichen. Zu vermuten ist also, dass die Herausforderungen an den Wandel noch viel höher liegen als bei bisherigen «Change-Prozessen».

Die Einbeziehung der Mitarbeiter scheint nach wie vor entscheidend für das Gelingen der digitalen Transformation im Unternehmen. Dies war aus bisherigen Erfahrungen mit früheren Change-Projekten zu erwarten, dies zeigen auch aktuelle Erfahrungen in der Praxis. Die Unternehmenskultur entscheidet über Erfolg oder Misserfolg der Digitalisierung. Sie muss immer wieder geprüft werden, ob sie den Anforderungen durch die Digitalisierung gerecht wird. Wichtig für die Gestaltung der Unternehmenskultur ist immer auch die Führungskommunikation.

Fazit

Die Digitalisierung entwickelt sich rasant, weil exponentiell weiter. Die Ver­änderungen erfordern von den Digital Leadern, dass diese ihre Bezugsgruppen kontinuierlich und anschaulich über die Entwicklungen informieren und von deren Nutzen überzeugen. Da die Digitalisierung viele neue Begriffe und Konzepte umfasst, steigt der Erklärungsbedarf.

Alle neuen Konzepte bedeuten aber auch Unsicherheit, der die Führungskräfte entgegenwirken müssen, um die Umsetzung zu gewährleisten. Die nächste Folge der Serie wird die Konsequenzen der Digi­talen Transformation für die Unternehmenskultur vorstellen, der siebte und damit letzte Teil der Serie wird die Anforderungen an die Unternehmenskommunikation erläutern.

Porträt