Digitalisierung & Transformation

Digitale Transformation (Teil 6 von 7)

Die Unternehmenskultur muss stimmen

Die digitale Transformation ist als kontinuierlicher Veränderungsprozess zu begreifen. Studien zeigen jedoch, dass die Mehrheit der Change-Prozesse in Unternehmen scheitert. Um die Strategie der Digitalisierung erfolgreich umzusetzen, bedarf es vor allem einer zielgerichteten Entwicklung der Unternehmenskultur.
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Digitale Transformation bedeutet für KMU einen dauerhaften und tief greifenden Wandel. Kein «Bald ist das Projekt vorbei und dann ist alles wieder ruhig»; stattdessen wird Wandel durch Digitalisierung ein Prozess sein, der zum festen Bestandteil der Unternehmenstätigkeit wird und nie endet. Digitalisierung ist Studien von IBM, Capgemini und anderen Beratungsgesellschaften zufolge derzeit Wandlungstreiber Nummer eins in Unternehmen.

Schwieriger Wandel

So wichtig der Wandel in den KMU ist, um die Potenziale der digitalen Transformation zu nutzen, so ernüchternd ist der Blick in die Praxis: In den vergangenen Jahren scheiterten 70 Prozent der Change-Projekte, so die Studien von Accenture und McKinsey. Kaum vorzustellen, wie viel Geld den Unternehmen verloren geht, weil sie die Potenziale des Wandels nicht nutzen und neue Strategien nicht oder unzureichend umgesetzt sind.

Und dies sind Zahlen der Vergangenheit, als es um Innovations- und Qualitätsmanagement ging. Der künftige Wandelbe-darf durch die digitale Transformation wird komplexer sein – die Latte hier also deutlich höher. Nur einige Beispiele:

  • Manager und Mitarbeitende sollen flexibler werden;
  • sie sollen agiler handeln;
  • sie sollen innovativer sein;
  • sie sollen fehlertoleranter sein;
  • Manager sollen Führung an selbst-
  • bestimmte Gruppen abgeben

und vieles mehr.

Die Veränderungen werden bis hinunter zum einfachsten Mitarbeiter spürbar sein. Der Druck auf den Einzelnen, sich an neue betriebliche Anforderungen anzupassen, wird in den kommenden Jahren steigen. Der «War for talent», der Kampf um die besten Mitarbeiter, wird immer heftiger geführt werden. Die Chance, auf dem freien Arbeitsmarkt den Bedarf an qualifizierten Leuten zu decken, sinkt immer mehr. Die Frage lautet daher, wie sich die Unternehmenskultur entwickeln muss, um die Strategie der Digitalisierung umzusetzen?


Was Unternehmenskultur ist

Was ist überhaupt Unternehmenskultur? Und warum hat sie eine solch wichtige Bedeutung für die digitale Transformation? Unternehmenskultur, darin sind sich Experten einig, sind die Werte, Normen und Grundannahmen des KMU. In den Unternehmen hat sie zumeist der Firmengründer geprägt. Sie wird dann von den nachfolgenden Generationen wei­tergegeben.

  • Werte: Was ist wichtig? Was ist erstrebenswert? Die Gemeinschaft? Wissen? Kommunikation? Profit? Erfolg?
  • Normen: Was regelt das Miteinander? Wie geht das Unternehmen mit Konflikten um? Wie behandelt es seine Kunden? Seine Mitarbeitenden?
  • Grundannahmen: Welches Bild der Welt hat das Unternehmen: Ist die Vergangenheit gut oder schlecht? Wie blicke ich in die Zukunft?

Die Unternehmenskultur steuert, wie Mit-
arbeitende im Unternehmen denken, fühlen und handeln. Die Unternehmenskultur ist der einzigartige Charakter, der das eigene Unternehmen vom Wettbewerber abgrenzt. Allerdings kann ein Unternehmen nur jene Identität nach aussen vermitteln, die es auch nach innen lebt.

Die Unternehmenskultur kann sichtbar sein wie im Fall von Statussymbolen und Kleidungsordnungen. Sie kann mündlich übermittelt sein wie typische Anekdoten, die spezielle Unternehmenssprache (Corporate Language) und Abkürzungen. Die gelebten Kulturelemente sind Traditionen und Riten, Spielregeln, Führungsstil, Entscheidungsverhalten, Betriebsklima und Kommunikation.

Vorsicht: Heimliche Spielregeln

Unternehmenskultur kann sichtbar oder unsichtbar sein. Eine besondere Rolle spielen hierbei die heimlichen Spielregeln. Der Berater der Gesellschaft Arthur D. Little Scott-Morgan beschreibt in seinem gleichnamigen Buch, dass es heimliche und offizielle Spielregeln gibt. Die Herausforderung liegt nun darin, diese heimlichen Spielregeln aufzudecken, weil sie häufig das Verhalten entscheiden. Gelingt dies nicht, bleiben Probleme unerkannt.

Mitarbeiter einbeziehen

Digitale Transformation hat also zuallererst mit Unternehmenskultur zu tun, und die muss sich dringend ändern, wenn KMU den Anschluss an die Zukunft halten wollen. Führungskräfte von heute und morgen müssen dabei die Haltung und die Prinzipien der Digitalisierung in ihre tägliche Führungspraxis übernehmen.

KMU haben in den vergangenen Jahren sehr viel gelernt und sich entwickelt – sie haben sich umorganisiert, professionali-siert und ihre Leistung gesteigert. Doch eines haben sie offensichtlich weit weniger gelernt: Aus ihrer Belegschaft eine Gemeinschaft zu bilden und sie für den Wandel zu motivieren – sei es auf Ebene des gesamten Unternehmens, von Projekten oder des einzelnen Mitarbeitenden. Oft fühlen sich die Mitarbeitenden bevormundet, weil sie nicht mitentscheiden, über was in ihrem Unternehmen gesprochen wird, auf welchem Weg, wann und wie. Sie fühlen sich nicht ernst genommen und beklagen, dass ihre Wünsche und Bedürfnisse nicht ausreichend berücksichtigt sind. Sie fühlen sich unter Druck gesetzt durch enorm gestiegene Leistungsanforderungen bei weniger Freude an der Arbeit.

In einigen Unternehmen erscheinen die Bekenntnisse der Unternehmensleitung zur Bedeutung der Mitarbeitenden als Phrasen, die keiner ernst nimmt – nicht einmal die Unternehmensleitungen. Andere Firmen verfügen schlicht nicht über das Wissen, ihren Wandel so zu gestalten, dass die Mitarbeitenden motiviert sind, mit ihrer Energie ein herausragendes Ergebnis zu schaffen, oder die Mitar­beitenden über die Phasen der Probleme, Anstrengungen bei unvermeidlich auftauchenden Problemen zu begleiten. Allein positive Stimmung zu verbreiten, ist nicht genug, denn bei auftretenden Problemen fühlen sich die Mitarbeitenden allein gelassen. Ignoranz und fehlendes Einfühlungsvermögen hier, fehlendes Wissen dort: So bleiben viele Firmen weit hinter ihren Möglichkeiten zurück, auch den wirtschaftlichen, weil die Menschen nicht motiviert sind.

Unternehmenskultur kann sich entwickeln, wenn die Gegebenheiten sich intern oder extern ändern. Dies macht das Unternehmen langfristig erfolgreich. Im radikalen Wandel durch die Digitalisierung muss die Geschäftsleitung schnell agieren, der Umbau erfolgt top-down und betrifft alle Geschäftsbereiche.

Hierbei entstehen die Widerstände, weil alte Werte und Normen nicht mehr gelten und die neuen noch nicht erprobt und vertraut sind. Teams werden auseinandergerissen und neu zusammengestellt, neue Führungskräfte treffen auf alte Teams, es gibt neue Richtlinien, neue Bewertungsmassstäbe, neue Anforderungen.

Die Kultur im Unternehmen kann sich wandeln, wenn sich die Unternehmensleitung klar und deutlich hierzu bekennt und dieses Bekenntnis sichtbar lebt. Auch die Mitarbeitenden müssen diesem Wandel zustimmen, weil sie sich eine Belohnung daraus erwarten.

Das obere Management legt die Koordinaten der Unternehmenskultur fest – immerhin ist sie das Rezept für das bisherige Überleben des Unternehmens und den Erfolg im Markt. Die Führungskräfte dienen bestenfalls als Vorbilder für ihre Mitarbeitenden.

Das Management muss Mitarbeitenden ermöglichen, ihre neue Rolle zu finden und sich dem geschäftlichen Wandel anzupassen. Dies schafft die Identifikation mit dem Unternehmen und sorgt für die nötige Motivation der Mitarbeiter, die sich die vorgegebenen Ziele zu eigen machen und bereit sind, sich zu engagieren.

Die Vorbildfunktion

Führungskräfte sollten Vorbilder sein. Sie können keine offene Kommunikation von ihren Mitarbeitenden fordern, wenn sie dies selbst nicht leben. Worte und Taten müssen übereinstimmen: Ködert ein Unternehmen neue Mitarbeiter in Stellenanzeigen mit der Erwartung auf einen attraktiven Arbeitsplatz und einem guten Betriebsklima, muss es dies bieten kön-nen. Der Stelleninhaber wird schon bei der Einarbeitung erkennen, ob die Versprechungen zutreffen.

Die Mitarbeiter beobachten sehr genau, inwieweit der Vorgesetzte die definierten Werte und Normen tatsächlich lebt. Stimmen Vorgaben sowie Umsetzung nicht überein, kommt es zu Konflikten zwischen Führungskräften und Mitarbeitern, bei denen oft die Motivation auf der Strecke bleibt. Dies zeigt sich in fehlendem Commitment, fehlender Offenheit in der Kommunikation, fehlender Abstimmung bei Entscheidungen, fehlender Fairness und Wertschätzung.

Deshalb gilt es sowohl die Führungskräfte als auch jeden einzelnen Mitarbeiter mit ins Boot zu holen und ihnen zu ermöglichen, sich eine individuelle Haltung in Bezug auf die Unternehmenskultur zu erarbeiten. So entsteht Commitment, die Mitarbeitenden sind stolz, bei ihrer Firma zu arbeiten und sie fühlen sich als Teil ihres Unternehmens.

Das Umsetzungsproblem

In der Digitalisierung müssen die Führungskräfte wichtige Aufgaben der Entwicklung der Unternehmenskultur übernehmen. Hierbei wird meist davon ausgegangen, dass sie dies Kraft ihrer Führungspersönlichkeit können. Sie sollen kritikfähiger werden und sich unbequemen Fragen ihrer Mitarbeitenden stellen, sie sollen sich Sorgen und Ängste anhören und diese besänftigen, Mitarbeiter entlassen, Teams neu formen und dafür sorgen, dass die Umsätze wie geplant steigen. Doch damit fühlen sich viele Führungskräfte überfordert. Wie lässt sich dennoch die erforderliche Unternehmenskultur gestalten? Hierfür sind vier Schritte erforderlich:

  • Analyse: Welche tatsächliche Unternehmenskultur besteht? (Vorsicht vor «heimlichen» Spielregeln). Welche Unternehmenskultur ist für den Veränderungsprozess erforderlich?
  • Planung: Welche Vision haben Sie persönlich für die digitale Transformation, die bei Ihren Mitarbeitenden die nötige Energie und den Willen zur Umsetzung freisetzt?
  • Umsetzung: Wie kann das Unternehmen durch Erinnerungshilfen dafür sorgen, dass das Ziel allseits präsent ist? Bild, Symbol, Vision? Wie Sie dafür, dass sich die Kollegen gegenseitig unterstützen? Wie unterstützen Sie die Umsetzung in die Praxis?
  • Steuerung und Kontrolle: Wie stellen Sie Feedback sicher? Wie lassen Sie das Feedback in den Prozess einfliessen?

Fazit

Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung der strategischen digitalen Transformation ist die Entwicklung der Unternehmenskultur, denn sie entscheidet, ob alle Beteiligten für die Umsetzung bereit und motiviert sind. Da die Herausforderungen durch die Transformation derart hoch sind, ist systematisches und gezieltes Vorgehen bei der Entwicklung der Unternehmenskultur essenziell. Den Führungskräften obliegt die Aufgabe, die angestrebte Unternehmenskultur vorzugeben sowie glaubhaft vorzuleben. Nur so lassen sich die Voraussetzungen für die Implementierung schaffen.

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