Digitalisierung & Transformation

Changemanagement

Die Prinzipien erfolgreicher Digitalisierung

Unternehmen werden die fortschreitende Digitalisierung nur überleben, wenn sie gute Antworten auf folgende Fragen finden: Wie gelingt es, den digitalen Wandel zu managen? Wie rettet man bestehende Geschäftsmodelle und macht diese zukunftsfähig? Und wie gelingt es, dass die Digitalisierung nicht nur ein Investment bleibt?
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Seit Jahrzehnten erleben wir einen in­tensiven digitalen Wandel. Wir sprechen hierbei nicht von einem Effekt der Digitalisierung, indem digitale Technologien bestehende Prozesse nur digitalisieren, sondern von einer digitalen Transformation, die unser Privat- und Geschäftsleben immer mehr verändert. Unternehmen müssen nun Wege finden, um alle bisherigen Prozesse, Leistungsangebote und Geschäftsmodelle zu hinterfragen und gegebenenfalls neu zu definieren. Denn der digitale Wandel gefährdet einige der heutigen Unternehmen in ihrer Wettbewerbsfähigkeit – gleichzeitig eröffnet er aber den innovativen Playern auch immer neue Entwicklungsmöglichkeiten. 

Die Anpassungsfähigkeit

Neun Prinzipien helfen Unternehmen, mit der Digitalisierung Geld zu verdienen: Die Anpassungsfähigkeit fordert uns als erstes der neun Prinzipien dazu auf, moderne Geschäftsmodelle wie die Service-, Daten-, Plattform-, Creator- oder Start-up-Ökonomie als aktiven Bestandteil unserer Wettbewerbsfähigkeit selbst zu nutzen. Diese modernen Geschäftsmodelle zielen dabei nicht nur auf die Nutzung digitaler Technologien zur Steigerung der Effizienz und Kundenzufriedenheit, sondern ermöglichen neue Wege, Gewinne zu erzielen. Dazu ge­hören zum Beispiel Netzwerk-, Kosten-, Daten- und Markteffekte, die auch ganz neue Erlösmodelle ermöglichen. 

Mit diesen modernen Ertragsquellen können Unternehmen auf völlig neue Weise Gewinne generieren. Denn während in der Vergangenheit der einmalige Verkauf einer Leistung dominierte, etwa bei In­dustriemaschinen, Dienstleistungen oder Konsumgütern, etablierten sich später mit Miet- und Leasingmodellen die ersten ­Ertragsmodelle zugunsten laufender Einnahmen. Heute erlauben es digitale Ertragsmodelle sogar, Kunden überhaupt erst einmal mit einer neuen Leistung anzuziehen, um dann bei einer intensiveren Nutzung kontinuierlich hohe direkte oder indirekte Preise zu erzielen, wie etwa beim Freemium, Pay-Per-Use, Targeting oder bei den versteckten Einnahmen aus dem Verkauf aggregierter Nutzerdaten. 

Die Ambidextrie

Das zweite Prinzip ist die Ambidextrie: Sie meint das Gleichgewicht einer laufenden Optimierung des Bestandsgeschäfts sowie der kontinuierlichen Hinterfragung und Erneuerung. Denn neben dem unbestritten wichtigen Tagesgeschäft darf nicht die gleichzeitige Suche nach (disruptiven) Innovationen ins Hintertreffen geraten. Wer dies nicht berücksichtigt, dessen heutiges Geschäftsmodell läuft Gefahr, toxisch zu werden.

Als toxische, also vergiftete, Geschäftsmodelle gelten beispielsweise viele der heutigen Bank-, Handels- und Logistikgeschäfte sowie Dienstleistungen, wenn nicht rechtzeitig mittels Innovationen neue Mehrwerte für die Kunden geschaffen werden, die diese auch finanziell ­honorieren. Vor dieser Entwicklung kann sich niemand sicher fühlen. Merke: Jeder Wirtschaftszweig kann toxisch werden.

Die Abenteuerlust

Es ist daher unabdingbar, dass wir uns eine gewisse Abenteuerlust erhalten. Dieses dritte Prinzip erinnert daran, auch mal eingefahrene Wege zu verlassen und ganz neue, disruptive Lösungen zu realisieren. Es steht für die Lust am Perspektivenwechsel und den Mut zum Ausprobieren, mit dem Ergebnis, dass sich das Unternehmen auf unkonven­tionelle Wege begibt. Mögliche Paradigmenwechsel sind beispielsweise die ­Disaggregation (Aufgliederung von Produktmerkmalen) und Demateriali­sierung (Überführung physischer Produkte in Softwarelösungen), aber auch die Betrachtung neuer Märkte (zum Beispiel neuer Kundengruppen). 

Die Agilität

Wer das zu abenteuerlich findet – nur keine Sorge: Das vierte Prinzip der Agilität arbeitet mit dem bewussten Kerngedanken, «mit dem Kunden zu lernen» und nicht länger «von dem Kunden zu lernen». Denn es reicht heute nicht mehr, seine Kunden nur nach den ihnen bekannten Wünschen zu befragen. 

Diese wissen oft selbst nicht, wie ihre Bedürfnisse noch besser befriedigt werden können. Egal ob Apples I-Pad, telefonieren via Skype oder Schuhe kaufen bei Zalando – wer hätte anfangs schon gedacht, dass diese Unternehmen mal so unverzichtbar werden würden? Innovative Firmen können jedoch dank Itera­tionen und regelmässiger Korrekturen (sogenannte Pi­votings) diese unbekannten Potenziale identifizieren und als innovative Lösungen realisieren.

Die Akzeleration

An diesem Punkt kommt das fünfte Prinzip ins Spiel: die Akzeleration oder Beschleunigung. Denn schnelle Lösungen, sogenannte Quick Wins, sind heutzutage wichtiger als ausführliche Analysen und Planungen. Dies ist auch die Idee der minimal funktionierenden Produkte (MVP) aus der Lean-Start-up-Methodik, bei denen nicht alle, aber zentrale vollumfänglich nutzbare Funktionen bereits verkauft werden können.

Gerade bei minimal wertvollen Produkten (MWP) funktioniert der Aspekt der Ak­zeleration besonders gut. Denn hier werden nicht nur einige Basisanforderungen der Kunden zügig bedient, sondern auch schon durch erste Begeisterungsmerkmale Kunden an eine neue Leistung gebunden. 

Die Antifragilität

Um diese Quick Wins zu erzielen, ist es unbedingt notwendig, alle in die Veränderungsprozesse einzubinden und für den digitalen Wandel zu begeistern. Darum geht es im sechsten Prinzip der Antifragilität. Es besagt, dass es sinnvoller ist, mit wenigen Experten anzufangen und eine neue digitale Lösung zu erarbeiten, als noch auf den Letzten zu warten. Wir sprechen hier von einem viralen Veränderungsmanagement, bei dem erste kleine Erfolge jenen Nährboden schaffen, welcher das Vertrauen der grossen Masse aller Betroffenen in die Veränderungsmassnahmen stärkt. Wie ein aufgetauchtes, aber unscheinbares U-Boot gilt es, ohne viel Aufsehen erste Massnahmen zu starten, um dann mit den kommenden Erfolgen mehr und mehr an Transparenz zu schaffen.

Die Autonomie

Mit dem siebten Prinzip der Autonomie kommen wir nun zu den Freiräumen und Spielregeln, mit denen wir die Experten bei ihrer innovativen Arbeit unterstützen. Diese Herangehensweise entspricht dem Charme vieler agiler Methoden wie bei Scrum oder Objectives & Key Results (OKR), die während kurzer Zeiträume (sogenannte Sprints) Aufgaben und Verantwortungen auf Experten und Teams delegieren, ohne dass zwischendurch Führungskräfte auf die Verantwortlichen einwirken. Damit diese Autonomie aber funktioniert, benötigt es klare Rollen, wie die der Fach-, Prozess- und Machtpro­motoren, klare Kompetenzen und klare Regeln, zu denen zum Beispiel die Defi­nition erwünschter Ergebnisse, Zeiten, Abstimmungen und Dokumentationen gehört. 

Die Ausrichtung

Daran anknüpfend behandelt das achte Prinzip des Alignments, beziehungsweise die Ausrichtung dezentraler Strukturen, die Steuerung agiler Teams. Je nach Reifegrad oder Bewusstseinsstufe benötigen die Mitglieder von (agilen) Organisationen klare Steuerungs- oder Zielsysteme für ihre Arbeit. Nur die wenigsten Personen können ohne eine Zweck­bestimmung und eine Planung von Arbeitsschritten ihre Ideen, Innovationen oder Veränderungen umsetzen. Ein zentraler Baustein des Alignments sind daher die normativen Aspekte wie Vision und Mission, kurzfristige Planungs- und Zielsysteme, aber auch die osmotische Kommunikation, bei welcher der Austausch von Informationen kein Selbstzweck, sondern ein eindeutiges Ziel ist. 

Die Anerkennung

Last, but not least sollten Digital Leaders die Anerkennung von Erfolgen – und seien es auch nur kleine Schritte – im Blick behalten. Mit diesem neunten Prinzip sorgen Führungskräfte für eine langfristige Motivation. Beachten sollten sie eine klassische Grundregel der guten Führung: die offene Benennung der erfolgreichen Projektbeteiligten. Für wenigstens eine kurze Würdigung sollte immer Zeit sein – sie kann an vielen Stellen in die Arbeit der Teilnehmer an digitalen Projekten eingebaut werden (wie bei der Planung des Backlogs oder der Durchführung von Daily Sprints, Reviews oder Retrospektiven).

Um die digitale Transformation erfolgreich zu bewältigen, benötigen Digital Leaders ein bewusstes Verständnis für neue Geschäftsmodelle sowie die Bereitschaft, diese aktiv umzusetzen. Wer die neun Prinzipien berücksichtigt, der wird die Chancen des digitalen Wandels aktiv für sich nutzen können, neue Wettbewerbsvorteile generieren, Mitarbeitende für sich gewinnen und das Unternehmen in eine gesunde Zukunft führen.

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