Digitalisierung & Transformation

Digitale Transformation in KMU (Teil 4 von 7)

Die Phase der Analyse in drei systematischen Schritten

Die Serie «Digitale Transformation in KMU» zeigt, welche Bausteine zur Digitalisierung gehören, wie sich der Managementprozess daraus gestaltet und wie KMU den notwendigen Change in der Praxis umsetzen können. Der vierte Teil erläutert die Analysephase im Managementprozess der Digitalisierung und nennt die wichtigsten Schritte.
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Der Managementprozess der Digitalisierung besteht aus den im Management längst bewährten vier Schritten: Analyse, Planung, Umsetzung und Kontrolle. Im ersten Schritt, der Analyse, verschaffen Sie sich ein klares Bild von Ihrer Situation und leiten hieraus die konkreten Aufgaben für Ihre Digitalisierung ab. Sie beantwortet also die Frage, wo Ihr Unternehmen derzeit steht (Standortbestimmung) und welcher konkrete Handlungsbedarf besteht, um Ihr Unternehmen auf die digitale Zukunft auszurichten.

Sie können dies vergleichen mit dem Arzt, der den Patienten genauestens untersucht, bevor er in die Therapie geht; denn er weiss: Je genauer er herausfindet, was gut funktioniert und was schlecht, desto konkreter und damit wirkungsvoller kann er konkrete Massnahmen einleiten, um Gutes zu stärken und Probleme zu beseitigen.

Drei Schritte zur Analyse

In der Analysephase gehen Sie in drei Schritten vor, die systematisch aufeinander folgen:

  1. Sammeln von Informationen
  2. Bewertung der Informationen
  3. Ableiten der konkreten Aufgaben für die Digitalisierung


Erster Schritt der Analyse

Sammeln von Informationen

Das Sammeln von Daten umfasst zwei Dimensionen, wie Sie dies aus dem Strukturmodell (siehe Abb. 1) ersehen können:

  1. Die digitale Geschäftsstrategie: Sie beinhaltet die Fragen nach neuen Tech­nologien, neuen Geschäftsmodellen, neuen Produkten und Leistungen sowie neuen Kundenbeziehungen. Ziel ist, völlig neue Kundenerlebnisse anzubieten;
  2. Die zur Umsetzung der Digitalisierung erforderliche interne Transformation: Kein Unternehmen wird in der Lage sein, die Digitalisierungsstrategie ohne Änderungen der Prozesse, der Strukturen, der IT, der Unternehmenskultur zu bewerkstelligen.

Die Informationen über Ihre Digitalisierungsstrategie beziehen sich zum einen auf das Tagesgeschäft, zum anderen auf neue strategische Optionen für Ihr eigenes Geschäft:

1. Die Optimierung des Tagesgeschäfts:

KMU müssen ihr eigenes Tagesgeschäft optimieren, mit dem sie weiter Geld verdienen. Digitalisierung kann unterstützen, Geschäftsprozesse schneller, preiswerter und besser zu machen. Ein Motto hierbei lautet oft: Was sich digitalisieren lässt, wird digitalisiert wie im Fall des Schriftverkehrs. Wie also ist der Stand der Digitalisierung in Ihrem Unternehmen? Welche Erfahrungen gibt es bereits? Welche Beteiligte et cetera.

2. Völlig neue Geschäftsmodelle und Leistungen:

Sie sollten gleichzeitig auch nach völlig neuen Geschäften Ausschau halten. Neue Technologien ermöglichen, völlig neuartige Kundenerlebnisse zu schaffen, wie Self-Service-Portale, auf denen der Kunde alle Anliegen einfach und schnell elektronisch abwickeln kann:

  • Neue Technologien: Welche digitalen Technologien nutzt Ihr Unternehmen bereits? Welche Technologien entstehen gerade, wie zum Beispiel Mobile, 3-D-Drucker, Virtual Reality et cetera?
  • Geschäftsmodell: Wie sieht das Geschäftsmodell Ihres Unternehmens aus? Und welche neuen Geschäftsmodelle entstehen durch die Digitalisierung, zum Beispiel Plattform-Modelle? Wo gibt es Potenziale für Geschäftsmodelle durch ungelöste Kundenprobleme?
  • Produkte und Leistungen: Welche Produkte und Leistungen bietet Ihr Unternehmen an, für die der Einsatz von Technologie wichtig ist? Wie ist der Stand von deren Digitalisierung? Werfen Sie auch einen Blick in die Zukunft: Welche neuen Produkte und Leistungen entstehen derzeit in Ihrem Branchenumfeld? Wo gibt es Bedarf seitens des Kunden?
  • Kundenbeziehungen: Wie ist der Stand Ihrer Kundenbeziehungen: Wie zufrieden sind die Kunden? Welche Wünsche und Erwartungen haben sie? Wie werden die vorhandenen weitergeführt? Und: Wie werden sich Kundenbeziehungen künftig entwickeln, vor allem auch unter der weiteren Nutzung von Social-Media-Netzwerken.
  • Kundenerlebnisse: Welche einzigartigen Kundenerlebnisse bieten Sie? Können völlig neue Kundenerlebnisse entstehen auf der Basis von digitalen Technologien?
  • Vision: Hat Ihr Unternehmen eine Vision, also ein positives Zukunftsbild, das Energien bei allen Beteiligten freisetzt?

Die Informationen können Sie sich durch Befragungen verschaffen (zum Beispiel bei Kunden), durch Beobachtung (zum Beispiel Verhalten auf Ihrer Website oder in Social Media) und Experimente (lassen Sie Kunden Probleme auf Ihrer Website lösen und hören Sie Ihnen zu, wie sie dabei vorgehen und wie sie dies erleben. Vielleicht haben Sie auch schon eine Funktion für Marktforschung.

Tipp:

Ganz wichtig ist, nicht nur Ihre derzeitige Situation im Auge zu haben, sondern auch künftige Entwicklungen, Moden, Trends. Beispiele dafür wären die enorm steigende Bedeutung von E-Mo-
bility, Smart Home, Smart Shopping einschliesslich Kundenerwartungen nach persönlichen, individuellen Angeboten.

Analysegegenstand: interne Transformation

Die Digitalisierungsstrategie erfordert, Ihr Unternehmen intern auszurichten. Kein Unternehmen wird es derzeit schaffen, die Herausforderungen durch die Digitalisierung mit den heutigen Ressourcen zu stemmen. Zu den Ressourcen gehören zum Beispiel die Fähigkeiten der Mitarbeitenden, mit neuen Technologien umzugehen, neue Prozesse zu leben, neue Rollen und Verantwortlichkeiten.Wichtige Fragen zur internen Transformation:

  • Bereitschaft der Mitarbeitenden:

Wie ist die Bereitschaft der Mitarbeitenden für anstehende Veränderungen einzuschätzen? Wie ist der Stand der Unternehmenskultur? Wie stark sind das Bedürfnis nach Sicherheit und Kontrolle? Nach Neuem? Nach Stärke und Macht? Wie ausgeprägt ist das Silodenken?

  • Fähigkeiten der Mitarbeitenden

hinsichtlich Digitalisierung und Wandel: Das umfasst die Organisation (Aus- und Weiterbildung, Prozesse, Strukturen, Rollen, Verantwortung, IT, Kultur), Kommunikation und Controlling.

Checkliste: Sammeln von Informationen

  • Sammeln Sie Informationen zur Digitalisierungsstrategie
  • Welche Informationen haben Sie über die Situation der Digitalisierung des laufenden operativen Tagesgeschäfts?
  • Sammeln Sie Informationen zur Internen Transformation
  • Wie bereit sind Ihre Mitarbeitenden für tiefgreifenden Wandel?
  • Wie befähigt sind Ihre Mitarbeitenden hinsichtlich Digitalisierung und Wandel?

Zweiter Schritt der Analyse

Bewerten der Informationen

Die gesammelten Informationen bewerten Sie nach den derzeitigen Stärken und Schwächen sowie nach den künftigen Chancen und Risiken. Durch das Unterscheiden von Gegenwart und Zukunft werden Sie sich auch mit den Entwicklungen innerhalb der kommenden Monate und Jahre beschäftigen – was nach Erfahrung der Autoren viele KMU nicht tun. Jedoch wird erst diese Betrachtung den tatsächlichen Handlungsbedarf zeigen. Beispiele für SWOT:

Stärken

  • In Ihrem Unternehmen gibt es bereits einige Aktivitäten zur Digitalisierung, wie beispielsweise die Umstellung des Rechnungsverkehrs auf die elektronische Rechnungsstellung.
  • Sie haben den Ruf des Experten auf Ihrem Gebiet.
  • Sie haben über die Jahre stabile Kundenbeziehungen aufgebaut mit einer grossen Kundenzufriedenheit.
  • Ihre Unternehmenskultur ist gefestigt. Die Mitarbeitenden identifizieren sich mit «Ihrem» Unternehmen.

Schwächen

  • Die Kundenbeziehungen sind nicht ausreichend auf den Einsatz von Social Media abgestimmt.
  • Sie nutzen zu wenig den Einsatz neuer Technologien für Produktinnovationen.
  • Die Konkurrenz prüft derzeit völlig neue Geschäftsmodelle, Sie entwickeln das vorhandene Geschäftsmodell moderat weiter.
  • Ihr Tagesgeschäft ist noch nicht ausreichend durch Digitalisierung optimiert.
  • Die Beharrungskräfte im Unternehmen sind stark, Veränderungen lassen sich – auch aufgrund des Erfolgs Ihres Unternehmens und der mangelnden Einsicht der Mitarbeitenden in die Notwendigkeit des Wandels, nur schwer umsetzen.

Chancen

  • Zahlreiche Kundenprobleme konnten mit den bisherigen Technologien nicht gelöst werden, die neuen ermöglichen Lösungen.
  • Neue Geschäftsmodelle ermöglichen den Aufbau neuer Geschäftsfelder.
  • Neue Produkte und Leistungen werden es ermöglichen, den bisherigen Wettbewerb mit austauschbaren Produkten mit Innovationen auch langfristig zu begegnen.

Risiken

  • Das Bedürfnis nach Privatsphäre bei den privaten Daten steigen und auch die Angst von Datenmissbrauch.
  • Die Mitarbeitenden sind für die Technologien nicht hinreichend ausgebildet.
  • Es gelingt Ihnen nicht, den Nutzen der Produkte und Leistungen durch neue Technologien zu vermitteln.

Übersichtlich ist die Darstellung in einer Vier-Felder-Matrix (siehe Abb. 2). Die einzelnen Aspekte sollten auch in ihrem Zusammenspiel beachtet werden, wie etwa:

  • Gibt es Stärken, welche sich zu künftigen Chancen ausbauen lassen? Ein Beispiel hierfür: Das Unternehmen pflegt einen sehr guten und engen Kontakt zu seinen Kunden. Und darum lassen sich diese für die Schaffung neuartiger Lösungen einbeziehen.
  • Gibt es Stärken, die zur Verminderung künftiger Risiken nutzbar sind? Beispiel: Das Unternehmen hat schon immer einen ausgeprägten Blick über den eigenen Tellerrand. Da künftig auch Wettbewerber aus völlig anderen Märkten kommen können, ist das Unternehmen hierauf besser vorbereitet.

Tipp:

Hilfreich ist, die Bestandteile der SWOT zu priorisieren, um sich angesichts der Komplexität der Digitalisierung nicht völlig zu verzetteln (siehe Abb. 3). Dies erfolgt danach, was wichtig und was eilig ist. Das KMU konzentriert sich ab dann auf die Prioritäten 1 und 2, weil es seine Ressourcen nicht auf Unwichtiges lenkt.

Checkliste: Bewertung von Informationen

  • Haben Sie ein klares Bild von Ihren Schwächen?
  • Haben Sie ein klares Bild von Ihren Stärken?
  • Wissen Sie, woraus sich künftige Chancen ergeben?
  • Wissen Sie, woraus sich künftige Risiken ergeben?
  • Haben Sie Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken in Ihrem Wechselspiel geprüft?

Dritter Schritt der Analyse

Ableiten der konkreten Aufgaben für die Digitalisierung

Die Analyse schliesst mit der Frage ab, was jetzt genau zu tun ist: Sie leiten also aus der SWOT Ihren konkreten Handlungsbedarf ab.

Aufgaben (Handlungsbedarf) zur Digitalisierungsstrategie

  • Neue Technologien: Welche kann Ihr Unternehmen nutzen? Welche weiterentwickeln?
  • Geschäftsmodell: Welchen Bedarf gibt es an die Entwicklung Ihres vorhandenen Geschäftsmodells? Welchen an neue strategische Optionen?
  • Produkte und Leistungen: Welche bleiben erhalten? Welche sollten Sie digitalisieren? Welche völlig neuen Produkte und Leistungen sollten entstehen?
  • Kundenbeziehungen: Gibt es neue Kundenbeziehungen? Wie führen Sie Ihre vorhandenen weiter?
  • Kundenerlebnisse: Können Sie völlig neue Kundenerlebnisse entstehen lassen auf der Basis von digitalen Technologien?

Aufgaben (Handlungsbedarf) zur internen Transformation:

Welcher interne Wandlungsbedarf besteht:

  • Welche Wandlungsbereitschaft müssen Sie für die Umsetzung Ihrer Digitalisierungsstrategie aufbauen, wie zum Beispiel die Bereitschaft zur Fehlertoleranz? Welche ausbauen wie die Flexibilität? Welche abbauen wie starre Strukturen?
  • Welche Wandlungsfähigkeit sollten Sie Ihre Mitarbeitenden dauerhaft schulen? Neue Rollen und Verantwortlichkeiten aufbauen? Neue Prozesse etablieren? Neue Strukturen schaffen? Wie die IT nutzen? Welche Kultur ist für die Befähigung erforderlich?
  • Vision: Bleibt Ihre Vision bestehen? Sollten Sie eine Vision für die Digitalisierung formulieren? Wie kann die formulierte Vision auch zukunftsfähig bleiben?

Checkliste: Ableiten von konkreten Aufgaben

  • Was müssen Sie tun, um die digitale Geschäftsstrategie auf- oder ausbauen?
  • Welcher Handlungsbedarf ergibt sich im Hinblick auf Wandelbereitschaft und Wandelfähigkeit? So weit die Analysephase im Managementprozess. Was folgt?

Fazit und Ausblick

Die sorgfältige Analyse hilft, sich ein klares Bild Ihrer Situation zu verschaffen, Stärken und Schwächen zu erkennen und konkrete Aufgaben für das weitere Vorgehen abzuleiten. In der nächsten Ausgabe stellen wir die Planungsphase vor, während der ein Lösungsentwurf für die formulierten Aufgaben erstellt wird.

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