Digitalisierung & Transformation

Mobiles Marketing

Die Monetarisierung mobiler Apps wirft viele Fragen auf

Mobile Geräte vereinfachen das Leben der Menschen und sind die Treiber der digitalen Transformation. Die Monetarisierung mobiler Applikationen stellt aber viele Anbieter vor grosse Herausforderungen. Die Entwicklung von qualitativ hochwertigen Produkten ist teuer, doch gleichzeitig müssen die Apps meist kostenlos zur Verfügung gestellt werden.
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Praktisch alle Unternehmen, die mobile Apps und Dienstleistungen anbieten, stehen vor dem Problem, ihre Produkte nicht ausreichend unterstützen und monetarisieren zu können. Es existiert kein Geschäftsmodell, welches eine Komplettlösung für diese Herausforderung liefern könnte, und die Tatsache, dass die digitale Transformation die Kunden und ihre rasch wechselnden Bedürfnisse so stark ins Zentrum stellt wie nie zuvor, macht es auch nicht einfacher.


Ein Blick zurück

Ein Blick in die Vergangenheit hilft, die Situation zu analysieren. Bevor die App Stores entwickelt wurden, gab es den sogenannten «Do-it-yourself-Ansatz», das heisst, Unternehmen entwickelten Applikationen für ihre eigenen Geräte. Nokia, ein gutes Beispiel für das damalige Vorgehen, lancierte den Ovi Store, in welchem zu bezahlende und kostenlose Multimediainhalte, Spiele und Anwendungen angeboten wurden. Fragen Sie heute ehemalige Nutzer nach dem Ovi Store, wird sich fast niemand daran erinnern können. Erstens hatte der Store keinen gros­sen Wiedererkennungswert, und zweitens nutzte kaum jemand die gebotenen Möglichkeiten in Form der Apps.

Was daraus resultierte, liegt auf der Hand: Nokia, ein grosser Player sowie Marktführer, der versuchte, ein eigenes Ökosystem zu schaffen, konnte sich nicht über Wasser halten. Grund für das unspektakuläre Ende des Ovi Stores im Jahr 2015 war die Tatsache, dass keine wirklich nützlichen und innovativen Lösungen angeboten wurden. Der Umsatz des Unternehmens stagnierte.


Anreize für Entwickler

Als Apple 2007 das erste iPhone lancierte, entschied sich das Unternehmen, den gleichen Weg wie Nokia zu gehen. 2008 baute Apple den App Store auf und startete mit rund 500 Apps, die angeboten wurden. Aber auch dieses Geschäftsmodell war ineffizient, und viele Entwickler weigerten sich vor dem Hintergrund des Scheiterns von Nokia, Apps für den Store zu erstellen.

Das Problem war, dass der Kernpunkt des Geschäfts nicht erkannt und wichtige Fragen nicht beantwortet wurden. Wie können Einkommen und Gewinn erzielt werden? Wer trägt die Kosten, und welche Zielgruppen gibt es? Apple hatte verstanden, dass die Situation gerettet werden musste. Um die Entwickler des App Stores zu motivieren, wurden fünf Millionen Dollar in ihre Arbeit investiert. Dieser Schritt setzte einen ganz neuen Mechanismus in Gang: Programmierer sahen plötzlich einen Weg, Geld zu verdienen, und sie begannen, erste Anwendungen zu veröffentlichen. Apple hat mit dieser Investition eine effiziente Basis an Inhalten geschaffen und damit die weitere Entwicklung von Apps für den Store eingeleitet.

Dieses Vorgehen zahlte sich aus. 2017 waren bereits mehr als zwei Millionen Apps im Store verfügbar. Apple schuf einen rasch wachsenden Markt, indem das Unternehmen Entwicklern ermöglichte, durch Partizipation am Kundenverkehr (Traffic) und den dazugehörigen Zahlungsprozessen Geld zu verdienen. Als Nächstes nahm Google den Hype auf und schuf nach dem gleichen Prinzip den Android-Markt, der aber nur für die eigenen Geräte funktionierte und später Teil der Google-Play-Plattform wurde.

Mit diesen Entwicklungen kam der Ball ins Rollen: Einerseits konnten die Entwickler sicher sein, dass in den Stores viel Traffic existiert und deshalb ein gutes Geschäft zu machen ist. Andererseits fanden die Nutzer das Szenario trotz der im Vergleich zu heute noch geringen Auswahl spannend und luden sich alle möglichen Apps herunter. Der Markt für die Entwicklung von mobilen Anwendungen war geschaffen, und die Pioniere dieses Marktes zählen heute zu den grössten und erfolgreichsten Unternehmen weltweit, wie zum Beispiel Tencent und Line.

Innovation stagniert

Die Bedingungen und das Marktumfeld haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Früher gab es viel mehr Spielraum für Innovationen, der Markt war weniger reguliert, es war einfacher, ein Produkt auf den Markt zu bringen, und es gab noch keine grossen Player. Der Werbemarkt von mobilen Anwendungen existierte praktisch noch nicht. Auch kleine Teams konnten etwas Interessantes schaffen, veröffentlichen und Traffic generieren – und Erfolg haben. Im Jahr 2013 zum Beispiel hat ein Zweierteam die erste Version der aktuellen App «DROTR Droid Translator» erstellt. Neben dem Messenger, also dem Übersetzen von Textnachrichten, wurde auch die Funktion übersetzter Anrufe angeboten, und «DROTR Droid Translator» hatte Nutzer, obwohl es schon Giganten wie Skype und Whatsapp auf dem Markt gab.

Marktpotenzial von Apps

Google erkannte das riesige Marktpotenzial in den Jahren 2013/14 und begann, Milliardenumsätze aus dem App-Markt zu generieren. Dies hat natürlich die Aufmerksamkeit auch grosser Anbieter auf sich gezogen und entsprechend den Markteintritt erheblich schwieriger gemacht. Es reicht nicht mehr, einfach eine App zu entwickeln und sofort Traffic zu generieren. Die Kosten für die Entwicklung einer konkurrenzfähigen und qualitativ hochstehenden App sind markant gestiegen. Das Produkt muss in einem ausgezeichneten Zustand gehalten und regelmässig aktualisiert werden.

Gleichzeitig müssen die Apps kostenlos zur Verfügung gestellt werden, um überhaupt Nutzer anziehen zu können. Studien zeigen, dass Nutzer kein Geld für Apps ausgeben, auch wenn die Kosten im Vergleich zu anderen Produkten vernachlässigbar sind. Ein Preis von 0,99 Dollar für das Herunterladen einer App reduziert die Konversionsrate (das Verhältnis zwischen der Anzahl Besucher der Webseite und den effektiv getätigten Käufen) um das Fünfzigfache, der Preis von 2,99 Dollar um das Hundertfache.


Die Macht der grossen Player

Wer auf dem Markt Fuss fassen und künftig Erfolg haben will, muss also auf diese Erträge verzichten. Das können sich aber nur grosse Unternehmen leisten. All dies führt dazu, dass der Markt kleine kreative Teams vernichtet und die grossen Player den Markt unter sich aufteilen. Das Ergebnis ist Stagnation. In den letzten drei bis vier Jahren hat es praktisch keine innovativen und bahnbrechenden Anwendungen mehr gegeben. 90 Prozent des Umsatzes auf dem App-Markt werden heute durch Spiele generiert.

Drei Monetarisierungsmethoden

All diese Entwicklungen führen zur Frage, wie mit einer App überhaupt Geld verdient werden kann. Grundsätzlich gibt es drei Monetarisierungsmethoden:

Bezahlte Apps

Das Anbieten von kostenpflichtigen Apps ist ein sehr riskantes Geschäftsmodell. Diese Strategie können nur bewährte und grosse Unternehmen verfolgen, denn wenn eine Firma nicht vertrauenswürdig ist, wird die App nicht heruntergeladen.

Freemium-Modell

Das sogenannte Freemium-Modell (Abonnements) ist bis heute der effektivste Weg zur Monetarisierung. Es basiert meist auf einer kostenfreien Probezeit, die dann von weiterführenden, kostenpflichtigen Dienstleistungen abgelöst wird. Diese Strategie birgt jedoch auch Nachteile. Spotify zum Beispiel erwirtschaftet selbst mit einer sehr grossen Anzahl von Nutzern und den damit verbundenen hohen Umsätzen keinen Gewinn. Zurzeit hat Spotify rund 30 Prozent zahlende Nutzer und erleidet mit einem investierten Kapital von drei Milliarden Dollar einen Verlust von 300 Millionen Dollar. Das Unternehmen hörte bei einer Konversionsrate von 30 Prozent auf, sich zu entwickeln und stagniert auf diesem Niveau. Der Break-Even läge bei einer Konversionsrate von 33 Prozent. Aber das klappt nicht, da die Konkurrenz ihre Produkte kostenlos zur Verfügung stellt. Kleine Unternehmen könnten sich eine solche Situation nicht leisten.

Integrierte Anzeigen

Integrierte Anzeigen sind ein sehr verbreitetes, aber auch ineffizientes Modell. Hierbei verdienen Entwickler durch Anzeigen Geld. Viele Nutzer ärgern sich über die Werbung, und die dadurch erzielbaren Erträge sind von Natur aus sehr gering. Zu Buche schlagen diese Einnahmen nur bei einer Anzahl von Millionen aktiver Nutzer, was in der Anfangsphase einer App nicht realistisch ist.

Keine dieser Monetarisierungsmethoden kann die Kosten decken, die für die Entwicklung einer Qualitätsapp erforderlich sind. Sie sind schlichtweg nicht effektiv. Aber ist es überhaupt möglich, ein qualitativ hochwertiges Produkt zu schaffen, das kostenlos zur Verfügung gestellt und mit dem gleichzeitig Geld verdient werden kann? Entwickler auf der ganzen Welt – und besonders kleine Unternehmen – stehen vor diesem Problem.


Neue Strategien gesucht

Eine weitere Schwierigkeit ist, dass die durchschnittlichen Marketingkosten für das Gewinnen eines einzigen Nutzers mindestens 1 Dollar betragen, wobei es je nach Branche und Region grössere Abweichungen gibt. Das heisst, Entwickler müssen dafür bezahlen, damit ihre Produkte überhaupt heruntergeladen werden. Zudem bringen Promotionen eine ganze Armee von Bots hervor, die Apps herunterladen und dann löschen. Der Werbetreibende bezahlt für die Installation, aber der Nutzer wird möglicherweise nie aktiv und registriert sich nicht einmal. Folglich ist dies ein ineffizienter Vorgang und Firmengelder werden verschwendet. Viele Marktteilnehmer fragen sich, wie Whatsapp und Telegram Geld verdienen. Die Antwort ist nicht klar, die Erklärungen der Unternehmen sind vage. Um die Dienste zu unterstützen, werden monatlich Gelder in Millionenhöhe investiert.

Jene Entwickler, welche die mobilen Anwendungen weiter fördern und hierfür  ihre kreativen Modelle testen möchten, müssen alternative Finanzierungsmöglichkeiten suchen und neue Geschäftsstrategien finden. Die Praxis zeigt, dass für die Entwicklung neuer Ideen mehr Menschen miteinbezogen werden müssen. Grosse Unternehmen müssen mit kleinen Kreativteams verbunden werden, damit die Entwicklung innovativer Produkte wieder stattfinden kann. Ein System, das Entwicklern erlaubt, ihre Produkte kostenfrei anzubieten und trotzdem Geld zu verdienen, ist in Entwicklung und könnte den Markt neu aufmischen. Mobile Geräte sind viel mehr als nur Gebrauchsgegenstände – sie vereinfachen das Leben der Menschen und sind die Treiber der digitalen Transformation.

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