Digitalisierung & Transformation

Hybrides Arbeiten II

Damit Remote Working ohne Reibungsverluste funktioniert

Präsent, hybrid oder remote? Die neue Arbeitswelt hat viele Gesichter. Doch egal, wie man sich aufstellt, auch die Firmenführung muss neue Modelle entwickeln, die flexibleres Arbeiten in der Gegenwart und Zukunft erlauben. Der Beitrag zeigt, was nötig ist, damit das Arbeiten von zu Hause nicht zum distanzlosen Dauerdasein am neuen Daheimarbeitsplatz wird.
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Viele Firmen haben sich in den vergan­genen Monaten gefragt, wie sie Arbeit in Zukunft organisieren und an die Veränderungen unserer Zeit anpassen. Der «Konstanzer Homeoffice-Studie» zufolge wünschen sich zwei Drittel aller Befragten hybrides Arbeiten, während 21 Prozent nur im Homeoffice und 12 Prozent nur im Büro arbeiten möchten. Die Zahl derer, die hybrid oder rein remote arbeiten wollen, ist im Vergleich zu ähnlichen Umfragen während der ersten Welle der Pandemie stark angestiegen.

Viele Unternehmen respektieren diese Wünsche: Siemens-Angestellte beispielsweise können in Zukunft bis zu drei Tage pro Woche von zu Hause aus arbeiten, SAP stellt es seinen Mitarbeitern frei, von wo aus sie tätig sind, und auch beim Autobauer Opel sollen in Zukunft drei Viertel der Belegschaft überwiegend von zu Hause aus arbeiten. Grundlage dafür sind Cloud-Technologien. Gut, dass der «Cloud Monitor 2021» von KPMG in Zusammenarbeit mit dem Branchenverband Bitkom herausfand, dass sich «lediglich drei Prozent der Unternehmen auch in der Corona-Pandemie noch nicht mit Cloud-Computing beschäftigen», die meisten Unternehmen mittlerweile jedoch längst eine Cloud-First-Strategie verfolgen. 

Regeln für mobiles Arbeiten 

Um Konfliktlinien bei der Frage, wer wann mobil arbeiten kann, zu verhindern, sind Richtlinien innerhalb eines Unternehmens, die das flexible Arbeiten für alle Mitarbeiter verbindlich festlegen, elementar. Der Brüsseler Thinktank Bruegel schreibt dazu in einem kürzlich veröffentlichten Policy Paper, dass für Remote-Arbeitende in vielen Arbeitsumgebungen vor der Pandemie ein hohes Risiko bestand, aus den organisatorischen Arbeitsabläufen der Unternehmen regelrecht herauszufallen beziehungsweise verdrängt zu werden. Um das zu verhindern, müssen Unternehmen vier Bereiche beachten:

  • Bricks: Das Büro als physischer Raum muss neu gedacht werden.
  • Bytes: Teams müssen die richtigen Tools zur Hand haben, um auch virtuell gut zusammenarbeiten zu können.
  • Behaviour: Die Unternehmenskultur muss auf Vertrauen basieren und inklusiv sein. 
  • Blueprint: Unternehmensweite Richtlinien regeln das «Wie» der Zusammenarbeit unterschiedlicher Teams. 

Bricks: Das Büro als einen sozialen Raum denken

Solange Wissensarbeit auf physischen Medien wie Papier beruhte, war es sinnvoll, zentrale Orte für Arbeit in Form von (Grossraum-)Büros zu schaffen, die jedoch nicht selten an « Legebatterien» erinnerten. Das Internet – befeuert durch die Pandemie – hat das Büro als Ort der industriellen Wissensarbeit erfolgreich verdrängt und ihm stattdessen die Bedeutung eines sozialen Raums verliehen. Denn diverse Studien und Befragungen belegen, dass es sich im Homeoffice mindestens so konzentriert arbeiten lässt wie in einem Büro im Firmengebäude.

Denkt man also Büro als sozialen Raum, kann man in den (Zusammen)Arbeitsräumen des New Normal durchaus auf Schreibtische verzichten und Mitarbeitenden stattdessen Cafés, Sitzgelegenheiten, natürlich auch Konferenzräume und Whiteboards mit Möglichkeiten für hybride Videokonferenzen oder eigene Videokonferenzräume für vollständig verteilte Teams anbieten. 

Sollte mancher schon öfter die Sinnhaftigkeit dauerhaft angemieteter Grossraumbüros hinterfragt haben, wäre jetzt vielleicht der richtige Zeitpunkt, um bei Bedarf auf Coworking Spaces zu setzen, deren Einrichtung flexibel angepasst werden kann.

Bytes: Die richtigen Tools – und wie man sie nutzt

Keine Frage: Wir alle haben die Vorteile von Videokonferenzen in den letzten Monaten schätzen gelernt. Aber haben wir diese Tools auch richtig genutzt? Viele Unternehmen haben während des Lockdowns synchrone, persönliche Kommunikation wie etwa Besprechungen einfach durch synchrone digitale Kommunikation ersetzt – mit dem Ergebnis, dass fast der ganze Tag mit Videokonferenzen gefüllt war. 

Eine einfache Möglichkeit, die Zahl der virtuellen wie auch realen Meetings zu ­re­duzieren, ist unser «Drei D»-Test: Ein Meeting ist insbesondere dann sinnvoll, wenn es beim Zusammentreffen um ­«decisions» (Entscheidungen), «debates» (strategische Fragen) und «discussions» geht (etwa Brainstormings, Feedback­gespräche etc.). Alle anderen Meetings wie zum Beispiel Status-Updates könnten asynchron stattfinden. 

Um nicht in undynamischen Meetings oder Feedbackschleifen zu kleben, haben wir ganz aktuell zwei neue Tools ver­öffentlicht: Das eine ist «Capture», ein All-in-one-Tool zur visuellen Kommunika­-tion per Screen Recording. Langatmige E-Mails und Dokumente werden durch kurze ­Videobotschaften ersetzt, die eine schnellere, lebendige Kommunikation mit dem Team ermöglichen. Die persönlichen Nachrichten sorgen für Kontext und eine stärkere Bindung. 

Ein weiteres Tool nennt sich Replay. Hierbei handelt es sich um ein Video-Kolla­borationstool, welches das Sammeln und Verwalten von Feedback sowie die Reaktion darauf erleichtert und an einem Ort übersichtlich vereint. Teamkollegen müssen sich ein Video nicht erst zeit­raubend herunterladen und separates Feedback in Form von Notizen in E-Mails oder Text-Dokumenten geben, sondern Meetings werden durch dieses Live-Review-Feature lebendiger. 

Behaviour: Die Unternehmenskultur digital erlebbar machen

Der Thinktank Bruegel beschreibt die Kultur eines Unternehmens in der oben bereits zitierten Studie als einen Eisberg: Manche Elemente sind sichtbar, viele ­jedoch unsichtbar. Sie werden erst durch das Beobachten und die Zusammenarbeit mit Kollegen deutlich.

In einem digitalen Umfeld sind diese impliziten Regeln und Normen noch schwieriger zu erkennen. Flexible Arbeit braucht deswegen ein anderes Management-Verständnis, das auf Vertrauen und Auto­nomie aufbaut und Mitarbeiter im Home­office explizit einschliesst. Studien zeigen, dass Mitarbeiter im Homeoffice seltener befördert werden als ihre Kollegen im Büro. 

Blueprint: Flexibles Arbeiten nach klaren Richtlinien

Die entscheidendste Regel betrifft vermutlich die Erwartungen an Erreichbarkeit und Reaktionszeit von Mitarbeitenden in Remote-Phasen. Denn die Vorteile von flexibler Arbeit können erst dann ­ausgeschöpft werden, wenn Unternehmen proaktiv Zeit für «work» schaffen, also ungestörtes, konzentriertes Arbeiten. Eine Idee zur Realisierung tiefer Konzentrationszeiten ist die Trennung der Tagesarbeitszeit in Phasen für fokussierte Einzelarbeit und andere Phasen für die konzentrierte Zusammenarbeit in Teams.

Uns ist das durch die Einführung so genannter «core collaboration hours» gelungen: Vier Stunden am Tag, die für ­synchrone Arbeit wie regelmässige Besprechungen, Videokonferenzen und Check-ins genutzt werden sollen, damit der Rest des Tages möglichst frei von Meetings und Videokonferenzen ist. Andere Unternehmen haben Meeting-freie Tage oder «virtuelle Sprechstunden» eingeführt, in denen Mitarbeiter Zeit für Gespräche mit Führungskräften buchen können – also hybride Äquivalente zu einer «open door policy». Im Kern geht es darum, bewusst einen (Zeit-)Raum für Austausch und Begegnung zu schaffen – das Investment zahlt sich aus. 

Zudem war es uns ganz wichtig, unseren Mitarbeitenden Zeitautonomie zu gewähren, also die grösstmögliche Bestimmung über die Einteilung ihres Arbeitstages ausserhalb der Core Collaboration Hours. Dazu ein deutlicher Rat: Schaffen Sie bewusste Zeiten für Nichterreich­barkeit. Denn genau da, wo Arbeit und Privatleben komplett miteinander verschmelzen, besteht die Gefahr von Erschöpfung und Burn-out. 

In Frankreich beispielsweise gibt es bereits seit dem Jahr 2017 ein «Recht auf Nichterreichbarkeit» für Angestellte; in Deutschland haben einige Unternehmen ähnliche Regeln über Betriebsvereinbarungen eingeführt. Ein schönes Beispiel bei Dropbox ist die «unplugged PTO». An Werktagen, für die ein offizieller Urlaubs-antrag be­willigt wurde, werden automatisch für die gesamte Zeit der Abwesenheit sämtliche Benachrichtigungen ausgeschaltet. 

Meine Empfehlung: Damit aus «working from home» nicht «living at work» wird, sollten Arbeitgeber und Belegschaft sich un­bedingt auch über Nichterreichbarkeit verständigen.

Fazit

Trotz der Veränderungen, die die Arbeitswelt durch die Erfahrungen mit der Pandemie vollzogen hat, scheint es noch zu früh, um tatsächlich fundierte Prognosen abgeben zu können, welche Arbeitsformen sich durchsetzen werden. Selbst unseren gewählten «Virtual First»-Ansatz werden wir in den kommenden Wochen und Monaten immer wieder und weiter an die dynamischen Entwicklungen anpassen. 

Ein paar Regeln lassen sich allerdings schon festhalten: Hybride Arbeit, bei der ein Teil der Mitarbeiter im Büro arbeitet und ein Teil im Homeoffice oder einem Coworking Space, birgt das Risiko einer unbeabsichtigten Benachteiligung der Mitarbeiter, die nicht ständig präsent sind. Unternehmen müssen systematische Voreingenommenheiten zu Ungunsten von Homeoffice-Mitarbeitern (gerade bei Beförderungen) unterbinden und ihre Prozesse idealerweise so gestalten, dass sie grundsätzlich von überall aus erledigt werden können («remote first»).

Porträt