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Privatbanken

Was das Wachstum mit der Kultur zu tun hat

Es gibt zwei Arten zu wachsen: einerseits organisch, andererseits durch Akquisition. Jedes Wachstum hat seinen Preis. Deshalb stellt sich immer wieder die Frage: Welche Art von Wachstum ist für uns die richtige? Wie dieser Beitrag zeigt, sind dabei die Kriterien für ein KMU oder eine unternehmerisch geführte Privatbank nahezu identisch.
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Wachstum ist eine wesentliche Triebfeder der Wirtschaft und der Unternehmen. Wer klein ist, möchte gerne rasch grösser werden, um Marktanteile und Kunden zu gewinnen und den Profit zu steigern. Wachstum ist zu einem Mantra geworden, das kaum noch hinterfragt wird. Wachstum wird mit Prosperität gleichgesetzt. Überspitzt formuliert heisst dies: Wer wächst, ist gut – wer stagniert, ist schwach. Allerdings gibt es kein ewiges Wachstum, obwohl in Boom-Phasen viele diesem Irrglauben nachhängen und akquirieren, was das Zeug hält.

Wege des Wachstums

Dabei geht vergessen, dass Wachstum Zyklen unterworfen ist. Dies lässt sich mit dem Beispiel der Natur am besten illustrieren: Es gibt Phasen des Säens (Frühling), dann des Wachsens (Sommer), gefolgt von der Zeit der Ernte (Herbst), bevor eine Ruhephase (Winter) eintritt, um sich zu sammeln und zu regenerieren. Nach Phasen der Expansion braucht ein Unternehmen die Zeit, um Wachstum zu verdauen, das heisst, Zukäufe zu integrieren und in die Unternehmenskultur zu implementieren.

Welche Kriterien sollen berücksichtigt werden, damit das Wachstum auf lange Sicht verkraftbar und sinnvoll ist? Die Kriterien für ein KMU oder eine unter­nehmerisch geführte Privatbank wie die IHAG sind nahezu identisch. Viele Unternehmen sind im Laufe ihres Bestehens immer grösser geworden, indem sie sich vom lokalen zum regionalen, nationalen oder sogar globalen Anbieter entwickelt haben.

Dieses organische Wachstum aus eigener Kraft haben viele Schweizer KMU geschafft, ebenso wie national oder weltweit bekannte Privatbanken, die es verstanden haben, Tradition und Innovation in einem vernünftigen Wachstum zu bündeln. Organisches Wachstum ist am besten realisierbar, wenn die Mitarbeitenden erfahren sind, neue Kollegen gut in die Teams integrieren und wenn ein guter Alters- und Kulturen-Mix besteht.

Strategischer Zukauf

Häufig kann der nächste Wachstumssprung nicht mehr allein durch inneres Wachstum erreicht werden. Es braucht Zukäufe, um eine stärkere Marktposition einzunehmen oder um die Geschäftsfelder zu diversifizieren. Die Geschichte zeigt, dass viele Unternehmen sich dabei übernommen haben, zu schnell gewachsen sind oder unüberlegt zusammengekauft haben, was mitunter sogar zur Folge hatte, dass besagte Unternehmen vom Markt verschwunden sind. Im Folgenden wollen wir uns mit dem Wachstum durch Zukauf befassen. Als kleine Privatbank, die gleichzeitig als Universalbank fungiert, hat sich die IHAG bei ihrer Wachstumsstrategie, die regelmässig überprüft wird, so festgelegt, dass folgende Voraussetzungen für eine Akquisition stimmig sein müssen: der Zeitpunkt, der Partner, die Kultur, der Preis, die Strategie und die nachhaltige Ausrichtung. Wenn alle diese Faktoren berücksichtigt werden, wird das Feld der möglichen Akquisitionspartner automatisch viel kleiner.

Kulturen-Mix

Bei einer Akquisition geht es um eine Kombination von Kulturen. Deshalb braucht es für eine nachhaltig erfolgreiche Verschmelzung ähnliche Kulturen. Diesem Aspekt ist in der Vergangenheit sowohl bei KMU als auch bei Banken öfters nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt worden. So hat die Summe aus 1 + 1 am Ende sogar weniger als eins ergeben.

Für uns ist die Frage entscheidend: Welches ist die richtige Kultur – unsere oder die Kultur der Bank, die wir übernehmen wollen? Wie können wir als übernehmende Bank die Kultur der anderen Bank sinnvoll integrieren, ohne dass wir sie ihrer Stärke berauben? Und inwieweit sind wir als Käufer bereit, uns in denjenigen Bereichen anzupassen, die für die weitere Entwicklung der Bank sinnvoll sind?

Das übernehmende Unternehmen muss sich immer bewusst sein, dass die Mitarbeitenden des zugekauften Unternehmens nur dann den gemeinsamen Weg konstruktiv gehen werden, wenn ihnen die Möglichkeit geboten wird, sich so anzupassen, dass sie sich im neuen Umfeld wohlfühlen und Perspektiven sehen. Falls dies nicht als realistisch angesehen wird, werden Mitarbeitende – letztlich das entscheidende Kapital jeden Wachstums – das Unternehmen verlassen. Die Erfahrung zeigt, dass die besten Mitarbeitenden als Erste das Boot verlassen, wenn aus ihrer Sicht der eingeschlagene Kurs nicht stimmt oder wenn sie ihre Interessen nicht gebührend berücksichtigt sehen.

Klare Bedingungen

Für uns gilt die Maxime: Wachstum ja, wenn der Preis stimmt – und der Partner. Wenn der ins Auge gefasste Partner nicht stimmt, selbst wenn der Preis attraktiv wäre, dann gibt es nur eine Regel: Die Finger davon lassen! Es gibt Beispiele in der Schweizer Privatbankenlandschaft, die aufgrund ihrer Struktur und ihres Unternehmensmodells gar nie eine andere Bank übernehmen könnten. Deshalb sind sie auf ein kontinuierliches inneres Wachstum angewiesen, um ihre Marktposition zu halten. Gerade in der laufenden Konsolidierung im Schweizer Private Banking ist es oft eine heikle Gratwanderung zwischen den Polen Unternehmenskultur und Preis. Wenn beides stimmt, dann wird eine Akquisition ins Auge gefasst. Wenn nicht, dann hat sich das Thema erledigt.

Spielt die Nationalität der potenziellen Akquisition eine Rolle? Auch wenn die Mentalität einer ausländischen Bank in unserem Falle stimmig wäre, würde die IHAG von einer Akquisition absehen, da ihr Fokus klar auf der Schweiz liegt. Alles andere ist heute für kleinere Privatbanken weder sinnvoll noch erfolgversprechend. Der Aufbau und die Pflege eines neuen ausländischen Marktes sind vom Aufwand her nicht zu unterschätzen.

Dies wissen auch KMU, die durch Zukauf im globalen Markt wachsen oder wachsen wollen. Es braucht viel Sorgfalt und Flexibilität, bis beide Partner im übertragenen Sinne dieselbe Sprache sprechen und sich verstehen.

Ein weiteres Kriterium: Wenn Wachstum durch Zukauf angestrebt wird, dann sollte dies aus einer Position der Stärke geschehen. Dabei ist zu beachten, dass eine Integration viele Kräfte bindet und häufig aufwendiger ist, als es auf dem Papier aussieht. Zudem muss das zugekaufte Wachstum verdaubar sein. Deshalb sollte sich keine Bank – und auch kein KMU – zu viel auf einmal zumuten.

Kein Identitätenwechsel

Die zentrale Frage lautet: Welche Art von Wachstum ist die richtige für uns? Eine Bank mit vielen Eigenprodukten hat andere Anforderungen an das Wachstum als eine Bank wie die IHAG, die bewusst über keine eigenen Produkte verfügt und deshalb mehr auf gute Kundenberatung Wert legt als auf den raschen und umfassenden Verkauf eigener, industrialisiert hergestellter Produkte. Deshalb ist es zwingend, dass eine Akquisition auch von der Produktgestaltung her zusammenpasst.

Die IHAG hat in ihrer Wachstumsstrategie klar festgehalten, dass sie keine Bank sein will, die vom Verkauf eigener Produkte getrieben wird. Dies hätte nämlich weitreichende Konsequenzen: Die Bank müsste ein neues Geschäft aufbauen, was eine neue Identität zur Folge hätte, was einherginge mit der Frage: Was bedeutet dies für eine Bank, die bisher ohne diese Mentalität gearbeitet hat? Man könnte nicht einfach den Schalter umlegen, sondern müsste sein bisheriges Verhalten dem Kunden gegenüber grundlegend verändern. Bei KMU sind diese Fragen von ähnlicher Prägnanz und bedürfen ebenfalls einer ernsthaften Prüfung.

Nicht personengetrieben

Die Schweiz zählt viele KMU, die sich in ihrer Nische zu einem führenden Anbieter entwickelt haben, dies teilweise sogar mit weltweiter Tätigkeit. Im Private Banking stellt sich im Rahmen der Konsolidierung die Frage etwas anders: Eine kleine Privatbank muss den Mut haben, eine Nische zu testen und nicht alles tun zu wollen, was sich anbietet.

Es ist sinnvoller, wenn das Wachstum durch eigene Kompetenz, Wissen und Erfahrung getrieben wird, als nur das zu tun, was auf den ersten Blick betriebswirtschaftlich Sinn macht, bei näherer Betrachtung jedoch nicht nachhaltig sein wird.

Häufig wird Wachstum durch Akquisitionen durch den neuen Mann (seltener die neue Frau) an der Spitze des Unternehmens getrieben. Dabei ist wichtig, seine Motivation zu kennen: Handelt er im Interesse des Ganzen? Oder will er sich profilieren? Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit belegen, dass sich mitunter Profilierungssucht und Wirtschaftlichkeit in die Quere kommen.

Unserer Meinung nach darf eine Akquisition niemals personengetrieben sein, sondern sie muss abgestimmt werden auf die langfristige Ausrichtung eines Unternehmens. Wenn das Ziel stimmt, wird sich der richtige Weg finden.

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