Aufgrund der notwendigen Restruktu-rierungen im Reich der Mitte erwarten viele Experten eine Verlangsamung der chinesischen Wirtschaftsentwicklung. Tatsächlich erleben internationale Unternehmen in China zurzeit aber ein beschleunigtes Umsatzwachstum. Deswegen macht ein genauer Blick auf die vielen Zahlen und Statistiken Sinn: Ist wirklich ein Abkühlen der chinesischen Wirtschaft zu erwarten? Was bedeuten aktuelle Entwicklungen für westliche Unternehmen in Fernost?
Absolutes BIP-Wachstum zählt
Es stimmt, dass Chinas reales BIP-Wachstum nicht mehr im zweistelligen Bereich liegt und dass es wahrscheinlich von 7,8 Prozent im Jahr 2014 auf 7,2 Prozent im Jahr 2015 sinken wird. Aber: Das relative BIP-Wachstum als makroökonomische Messgrösse kann Chinas Potenzial für ausländische Firmen nicht wirklich darstellen. Was für Betriebe, die in China aktiv sind oder sein wollen, wirklich zählt, ist die Höhe des BIP-Wachstums in Euro, US-Dollar oder Schweizer Franken in den kommenden Jahren. Um Chinas vorhandene Potenziale noch besser zu verstehen, muss man vergleichen, wie viel zusätzliches absolutes BIP die chinesische Wirtschaft in der Zukunft generieren wird, und wie viel China in der Vergangenheit generiert hat. Um einen weltweiten Vergleich zu bekommen, macht es Sinn, dieses absolute BIP-Wachstum mit anderen Ländern in den jeweiligen Währungen zu vergleichen.
Wie in jedem anderen Land wird Chinas reales BIP folgendermassen berechnet: Zusätzliches Wirtschaftswachstum in Landeswährung minus lokale Inflation. Das macht Sinn, weil diese Zahl den wahren wirtschaftlichen Fortschritt des Landes mit den Vorjahren vergleicht. Weil aber Firmen auf der ganzen Welt in ihren Heimatwährungen abrechnen – ohne vorher von ihren Ergebnissen die Inflation abzuziehen – bemessen Unternehmen das Marktpotenzial eines Landes in absoluten Volumina, in Millionen oder Milliarden US-Dollar und nicht in prozentualem Wirtschaftswachstum.
Nehmen wir zum Beispiel die Mongolei. Mit einem realen BIP-Wachstum von 12,5 Prozent im Jahr 2013 wurde die Mongolei vom IWF als eine der am stärksten wachsenden Volkswirtschaften der Welt eingestuft. Dieses Wachstum basiert aber auf einem absoluten BIP von rund zehn Milliarden US-Dollar im Jahr 2012. Berechnet man die Inflation (rund 10 Prozent) und die Abwertung der Währung (rund 27 Prozent), ist die mongolische Wirtschaft im Jahr 2013 in absoluten Zahlen aber nur um etwas mehr als eine Milliarde US-Dollar gewachsen. Zum Vergleich dazu: Die amerikanische Wirtschaft wuchs im selben Zeitraum um 1,9 Prozent, fügte aber rund 500 Milliarden US-Dollar zum BIP hinzu.