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Lebensmittelindustrie

Vom Import-Kaninchen zum «Auslandschweizer»

Die Schweiz kann den jährlichen Bedarf von über 1600 Tonnen Kaninchenfleisch nicht im Inland decken. Deshalb kommen sieben von zehn Kaninchen, die im Land verspeist werden, aus Ungarn von der Delimpex AG. Der Schweizer Produzent von Kaninchenfleisch setzt dabei auf die Haltung der Tiere gemäss der Schweizer Tierschutzverordnung.
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Thuri Maag, Spitzenkoch mit Michelin Stern und 17 Gault-Millau-Punkten, ist die erste Referenz, wenn es um die Zubereitung von Kaninchenfleisch geht. Aus seiner Sicht gibt es viele Gründe, Kaninchen, in der Schweiz im Volksmund Chüngel genannt, aufzutischen. «Kaninchen ist zarter als das teuerste Kalbfleisch», sagt der Kochbuchautor und heutige Gastroberater. Zudem habe es wenig Eigengeschmack und lasse sich auf vielfältige Art und Weise zubereiten. Auf seiner Website «www.delikantessa.ch» hat er rund 60 Kaninchenfleisch-Rezepte aufgeführt. Der Chüngel begleitete ihn schon als Kind. Seine Mutter habe zu allen wichtigen Feiertagen Kaninchen aufgetischt. «Meist war es ein Chüngel-Ragout mit Kartoffelstock», erinnert er sich. Das passt zum heutigen Küchentrend: Kochen wie zu Grossmutters Zeiten – bloss leichter.

Auf Importe angewiesen

Herr und Frau Schweizer essen heute pro Jahr rund 200 Gramm Kaninchenfleisch. Tendenz steigend. Die gesundheitlichen Aspekte des Kaninchenfleisches sprechen für sich. Das weiss auch Meinrad Odermatt. Er ist CEO und Gründer der Delimpex AG mit Sitz in Pfäffikon / SZ. Dank wenig Fett und vielen Proteinen gehört es laut Odermatt zum gesündesten «weissen» Fleisch, das heute auf dem Markt ist. Würden die Schweizer mehr Kaninchen- statt Schweinefleisch essen, wären sie gesünder, sagt er. In der Kommunikation setzt das Unternehmen ganz bewusst auf die gesundheitlichen Aspekte des Kaninchenfleisches. So sei dieses dank seines tiefen Cholesteringehaltes für Menschen mit potenziellen Herz-Kreislauf-Problemen prädestiniert und habe, verglichen mit anderen Fleischsorten, am wenigsten Fett. Der Kaloriengehalt ist – verglichen mit anderen Fleischsorten – gering. Kaninchenfleisch eignet sich deshalb für Menschen, die Diäten einhalten.

Die Schweiz ist, wie in vielen anderen Bereichen auch, beim Kaninchenfleisch nicht autark. «Wollte man den Bedarf an Kaninchenfleisch im Inland decken, bräuchte man für die Ernährung der Vierbeiner eine Fläche von der Grösse des Kantons Zürich», sagt Odermatt. Schweizer Kaninchenzüchter müssten Futter aus Brasilien oder den USA importieren, damit die Tiere gedeihen. In Ungarn, südlich von Budapest, wo die Ställe von Delimpex stehen, wächst auf Tausenden von Hektaren Luzerne und anderes Grünfutter, das von keinem anderen Lebewesen als dem Chüngel in Anspruch genommen wird. «Unser Entscheid, die Kaninchenzucht in Ungarn aufzubauen, war goldrichtig», so Meinrad Odermatt. Hier fand er die ökolog ischen Bedingungen vor, die er suchte. Dank der Produktion gemäss Schweizer Gesetzen seien seine Kaninchen «Auslandschweizer», sagt er.

Hohe Wachstumsraten

Delimpex ist heute führend in der Herstellung von qualitativ hochstehendem Kaninchenfleisch aus der Haltungsform «First Class Landkaninchen». Die Delimpex-Produkte kommen in der Schweiz exklusiv über die Migros und ausgewählte Fachhändler auf den Markt. Dem Grossverteiler ist die Haltungsform der Kaninchen wichtig. Das Fleisch von nicht tiergerecht gehaltenen Kaninchen findet kaum einen Käufer. Umso mehr als Ka­ninchenfleisch, das im Ausland nicht nach den Richtlinien der Schweizerischen Tierschutzverordnung produziert wird, mit der Negativdeklaration «Aus in der Schweiz nicht zugelassener Haltungsform» versehen werden muss.

Delimpex ist ein Unternehmen, das nicht zu dieser Deklaration seines Fleisches verpflichtet ist. Die Investitionen in die Haltung der Kaninchen in Ungarn lohnen sich: Delimpex verzeichnet Wachstumsraten im zweistelligen Bereich. Der Erfolg der Delimpex AG beruht auf der Tatsache, dass es seine Verantwortung als Nahrungsmittelproduzent wahrnimmt, indem sie sich zu einer Produktion zum Wohle von Mensch und Tier bekennt.

In Familienhaltung

Das Wohlergehen der Kaninchen ist Odermatt wichtig. Darüber wachen in Ungarn 260 Mitarbeiter, darunter auch Tierärzte und Genetiker. Sie nehmen an regelmässigen Weiterbildungen teil. Die Haltung in den ungarischen Ställen kann in keiner Art und Weise mit den Kaninchenfabriken in anderen europäischen Ländern verglichen werden. In den modernen Gehegen des Schweizer Unternehmens bleiben die Kaninchen während der Aufzucht in der Gesellschaft ihrer Artgenossen. Erstmals erfolgt diese als Familienhaltung, eine Form der Tierhaltung, die nach Unternehmensangaben weltweit revolutionär ist. Einzig die Rammler, männliche Kaninchen, werden einzeln gehalten, weil die Tiere sich sonst angreifen würden und ernsthafte, manchmal sogar tödliche Kämpfe zwischen ihnen unvermeidlich wären. Die Muttertiere bleiben lange Zeit bei ihrem Nachwuchs und werden erst spät von ihm getrennt.

Ein wichtiger Aspekt der Kaninchenzucht ist die Gesundheit der Tiere. Diese wird regelmässig überprüft. Was das Kaninchenfleisch aus dem Haus Delimpex besonders macht, ist die Rückverfolgbarkeit des Fleisches. Diese garantiert eine erhöhte Nahrungsmittelsicherheit.

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