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Best Practice: Risiko-Management

Qualitätsmanagement für eine höhere Sicherheit

Gefahrenbeseitigung sowie Prävention im und am Fels sind das Kerngeschäft der Gasser Felstechnik AG. Das Beispiel des Familienbetriebes zeigt, wie mit Exzellenz und Qualitätsmanagement schwierige Aufgaben mit grossem Gefährdungspotenzial gelöst werden.
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Spektakulär sind die Aufträge allesamt. Und jedes Projekt ist ein Unikat. Das stellt höchsten Anspruch an das Engineering, die eingesetzten Spezialisten und den Maschinenpark. Ohne Exzellenz in den Prozessschritten sind die latenten Risiken der Arbeiten nicht zu meistern. Eine Basis dafür ist das SQS-zertifizierte Managementsystem nach ISO 9001, 14001 und OHSAS 18001.

Vollamtlicher Sicherheitschef

Zum Verständnis vorab: Felssicherung und Sprengtechnik machen zusammen rund 50 Prozent des Umsatzes aus, die andern 50 Prozent bringen Hoch- und Tiefbau, Spezialtiefbau, Tunnelbau. Das Management-Informationssystem MIS deckt alle diese Sparten ab. Es ist zertifiziert durch die SQS.

Bei Felstechnik arbeiten viele Spezialisten. Das Arbeiten am hängenden Seil wird vom Bergführerverband in einer Zusatzausbildung geschult. Die Spezialisten dieser Sparte sind nicht zwingend Bergsteiger, doch alle sind sehr sportlich und haben eine Affinität zum Berg. Für diese Arbeit braucht es Leidenschaft. Ebenso im Sprengen. Die theoretische Ausbildung kann in externen Kursen gemacht werden. Der wichtigste Erfolgsfaktor ist aber die Erfahrung, die das Unternehmen den Sprengmeistern selber vermittelt.

Die meisten Gefährdungen entstehen bekanntlich dort, wo die Gefahren nicht so offensichtlich sind, wo sie niemand erwartet oder wo Routine herrscht. Stolpern, Einklemmen sind da typisch. Solche Unfälle ziehen sich über alle Sparten hinweg. Das hat sehr viel mit Ordnung, Disziplin und Sauberkeit zu tun. Weil das Bewusstsein für die Gefährlichkeit der Arbeit am hängenden Seil besonders gross ist, sind hier Unfälle selten. Dasselbe gilt im Tunnelbau. Wichtig ist: Hier wie dort braucht es eine klare Definition der vorzunehmenden Sicherheitsmassnahmen.

Sicherheitskonzepte erarbeiten und überprüfen – das ist eine klassische Qualitätsmanagement-Aufgabe. Im Unterschied zu andern Firmen wird dies bei Gasser Felstechnik objektspezifisch mit einer separaten Risikoanalyse gemacht, denn jede Baustelle ist anders. Und, auch das eine Besonderheit, das Konzept wird nicht nur sorgfältig instruiert, sondern der Mitarbeitende unterschreibt es.

Verantwortlich für die Baustelle und deren Sicherheit sind der Bauführer und der Baustellenchef. Ein vollamtlicher Sicherheitschef unterstützt und überwacht, indem er die Baustellen regelmässig auditiert. Das Unternehmen überprüft damit die Umsetzung des Sicherheitskonzepts in der Praxis. Und es gibt den Mitarbeitenden so Gelegenheit, sich zur Sicherheit vor Ort zu äussern und Inputs zu geben, etwa punkto Sicherheitsausrüstung. Das bewährt sich sehr. Der Sicherheitschef ist so etwas wie ein Ombudsmann in Sicherheitsfragen. Er gibt dem CEO Gewissheit, dass die Baustellen sicher sind und wo Verbesserungspotenzial besteht. Extern wird das gesamte zertifizierte Sicherheitssystem der Gasser Felstechnik AG durch den SQS-Auditor überprüft.

Systematisches Reporting

Unfälle werden in einem einfachen, aber systematischen Reporting erfasst. Dieses richtet sich an einen klar definierten Empfängerkreis, damit auf Ereignisse mit konkreten Massnahmen flexibel reagiert werden kann. Stellt man eine Häufung einer bestimmten Unfallart, zum Beispiel Stolpern, fest, so wird das zusammen mit dem Sicherheitsbeauftragten thematisiert.

Die Suva bietet hierzu Kampagnenmuster an, die jeweils einen signifikanten Rückgang der entsprechenden Unfallart bewirken. Über den Einsatz von Kampagnen wird top-down entschieden. Verknüpft mit dem Reporting sind die entsprechenden Schulungen (ad hoc oder Gesamtbelegschaft) und die Kommunikation auf verschiedenen Kanälen (zum Beispiel Beilagen zu Lohnbelegen). Sicherheitskonzept sowie Massnahmen bewähren sich, wenn man bereit ist, aus dem Betriebsalltag zu lernen.

Praxisbeispiele

Einen Einblick dazu geben folgende zwei Praxisfälle.

Verbindungstunnel Melchsee-Frutt (OW)

Am unterirdischen Verbindungstunnel zwischen zwei neuen Hotels auf 1920 Meter über dem Meeresspiegel wirkte die Gasser Felstechnik bereits in der Planung mit. Das gesamte bergmännische Stollenbauwerk wurde im Sprengvortrieb inklusive Projektierung als Totalunternehmung realisiert. Der Stollen führt knapp fünf Meter unter einem weiteren be­s­te­henden Hotel hindurch, was hohe An­forderungen an die Sprengmeister vor Ort stellte. Mit kurzen Abschlägen von 0,5 Meter, minimaler Lademenge von 100 Gramm Sprengstoff pro Zündstufe und einer gezielten Etappierung konnten die Mineure die Erschütterungen so redu­zieren, dass die Grenzwerte nicht überschritten wurden. Parallel liefen die Arbeiten am Liftschacht, der sich direkt neben einem der Neubau-Hotels befindet. Auch hier waren die Erschütterungsauflagen strikt. Eine ständige Herausforderung bildeten nun die bestehenden Werkleitungen, was besonders subtiles Arbeiten verlangte. Die Ausbrucharbeiten konnten während neun Wochen erfolgreich abgeschlossen werden.

Sicherungsarbeiten nach Felssturz in der Schöllenen (UR)

Im Mai 2015 ereignete sich zwischen Göschenen und Andermatt ein Felssturz gros­sen Ausmasses, was eine Sperrung der Strasse durch das Bundesamt für Stras­sen (Astra) nach sich zog. Andermatt war nordseitig nur noch mit der Bahn erreichbar. Wegen der Dringlichkeit fanden an Pfingsten 2015 erste Rekognoszierungen und Beurteilungen statt.

In Zusammenarbeit mit den Geologen wurde entschieden, labile nicht abgestürzte Felspakete an Ort und Stelle zu verankern, um einen weiteren unkontrollierten Absturz zu verhindern. Die Baustelle befand sich in schwer zugänglichem Gelände. Die Spezialisten wurden daher täglich per Helikopter abgesetzt. Oberste Priorität hatte die Arbeitssicherheit. So musste eine Evakuierung des Personals jederzeit möglich sein.

Um die Koordination mit allen Beteiligten sicherzustellen, kam ein umfangreiches Überwachungs- sowie Alarmierungskonzept zum Einsatz. Gearbeitet wurde an sieben Tagen pro Woche, um die Forderung nach einer möglichst raschen Öffnung der Strasse zu erfüllen. Nachtarbeit kam aus Sicherheitsgründen aber nicht in Frage. Gasser-Mitarbeiter verbauten 52 Felsnägel von acht Meter Länge, sprengten und räumten zahlreiche Felsblöcke und erstellten oberhalb der betroffenen Strassengalerie eine Rückhaltemauer. Auch das Galeriedach wurde von der zusätzlichen Last befreit. Bereits nach einem Monat war die Strasse wieder beschränkt befahrbar.

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