Branchen & Märkte

Business Travel

Myanmar – zwischen Hoffnung und Höhepunkt

Jahrzehntelange Misswirtschaft und politische Unterdrückung haben in Myanmar (Burma) tiefe Spuren hinterlassen. Dem zweitgrössten Flächenstaat Südostasiens stehen gigantische wirtschaftliche Aufbauarbeiten bevor. Wie sich das Land wirtschaftlich und auch touristisch entwickelt, zeigt dieser Beitrag.
PDF Kaufen

Je nach Verfasser und Zeitung wird Myanmar als «goldenes Reiseland» hochgelobt oder auch bereits schon wieder abgesungen; zu schnell, zu touristisch hätte es sich entwickelt, die meditative Ruhe sei bereits verflogen. So und ähnlich tönt es. Anderseits lockt es immer noch mit den Tausenden goldenen Pagoden, der verträumt-freundlichen Bevölkerung, dem alten asiatischen Charme, den überwältigenden Naturimpressionen.

Wirtschaft und Politik

Wie hat sich Myanmar nach der Abdankung der Militärregierung politisch verändert? Die Situation kann kurz und überspitzt so dargestellt weden: Die Militäruniform von Thein Sein und seiner Regierungscrew wurde vorerst mal gegen einen zivilen «Longhi» (Wickelrock) getauscht. An den Hebeln der Macht sitzen immer noch dieselben Köpfe. Ex-General Thein Sein, der nun als Premierminister auftritt, beeinflusst die wichtigen Entscheide noch umfassend. Aber: Viel ist tatsächlich liberalisiert worden: Keine Zensur mehr, alle Produkte können zu üblichen Marktkonditionen eingeführt werden (davor kostete eine SIM-Karte z. B. 4000 US-Dollar, jetzt 25 US-Dollar im Monat), Internet funktioniert, Mobiltelefonie ist im Aufbau, Finanzinstitute erhalten Marktzugang (das Kreditkartensystem etabliert sich soeben), In­ves­titionen können meist ohne myanmarische Mehrheitsbeteiligung erfolgen etc.

Dennoch, die ergiebigen wirtschaftlichen Pfründe bleiben dem Militärkader und dessen Familien vorbehalten. Doch San Suu Kyi spricht ein gewaltiges Wort mit, beeinflusst anscheinend die Meinungen der Regierungskader, lenkt Entscheide zur wirtschaftlichen Öffnung und Liberalisierung in die richtige Richtung. Und etabliert sich und ihre NLD (National Leage for Democracy) mit Samtpfoten, aber kontinuierlich im ganzen Land. Die «Lady» wird breit verehrt. Übrigens: Ihre erste Auslandsreise unternahm Aung San Suu Kyi im Juni 2012 – und sie besuchte die Schweiz.

Fakt ist, dass es heute noch an fast allem mangelt. Zwar informierte die Regierung zum Jahreswechsel, dass sie das Gesundheitsbudget vervierfachen werde. Tat­sache ist aber, dass sie die Ausbildungsplätze an der Universität in Yangon von 1200 auf 800 reduziert hat, weil sie die Ärzte nach dem Studium nicht anstellen und finanzieren kann. Medikamente und Essenskosten für Hospitalisierte müssen durch die Familie aufgebracht werden. Doch wie, wenn es an allem mangelt? Prinzipiell besteht eine 5-jährige Schulpflicht für alle Kinder. In Wirklichkeit sieht man nicht wenige dieser Kinder im Strassenbau und beim Reisanbau in harter Arbeit eingesetzt, weil die Familien darauf angewiesen sind.

Der «Economist Report» mit dem Titel «Myanmar: White Elephant or New Tiger Economy?» vom April 2012 rechnet mit 60-prozentiger Wahrscheinlichkeit in den kommenden drei Jahren mit einem mittleren Szenario: Fortgesetzte Reformen, aber kaum mit grundlegenden strukturellen Veränderungen. In diesem Kernszenario gelingen der NLD von Aung San Suu Kyi zwar wesentliche Stimmengewinne im Parlament, aber sie erreicht nicht die Mehrheit. Die militärisch dominierte Union Solidarity and Development Party (USDP) hält die Zügel nach wie vor fest in den Händen.

Die Wachstumsrate steigt von 5,3 Prozent im Jahr 2013 auf 6,5 Prozent im Jahr 2015, danach mit ca. 7,7 Prozent weiter bis ins Jahr 2020. Der gigantische Rohstoffreichtum (53 % der Landmasse können für Rohstoff-Abbau genutzt werden), zieht seit 18 Monaten die grossen Firmen aus China, Korea, Kanada, USA, der EU und auch der Schweiz an. Doch bereits 77 Prozent der Edelhölzer sind abgeholzt und verschwunden, prioritär Richtung China. Da das Land jedoch sämtliche Rohstoffe im Übermass besitzt (von Erdöl/-gas über Rubine bis hin zu reichen Fischgründen, entwickelt es sich zu einem Eldorado für Global Players aus allen Herren Ländern.

Nur mit 25-prozentiger Wahrscheinlichkeit rechnet «The Economist» mit dem positiven Szenario «Goldene Ära». Hier gäbe es schnelle politische und ökonomische Reformen, die das Land positiv voranbringen würden. Doch dafür scheint das Fundament noch zu schwach zementiert zu sein. Mit einem Rückfall in die restriktiven Militärzeiten rechnet man realistischerweise kaum mehr. Zu gross ist der Druck seitens ASEAN, EU, USA und China.

Ein Investor muss sich allerdings sputen. Die Büromietpreise in Yangon hat es teilweise auf das Niveau von Tokyo katapultiert. Der Kauf von Hotelparzellen mit Traumstrand hat sich z. B. am Ngwe Saung Strand (mit 4*-Hotels wie das Royal Palms, das Treasure Island oder das Aureum) innerhalb von 18 Monaten mindestens verzehnfacht. Quadratmeterpreise am bekannten Ngapali Beach sind schon auf dem Niveau von Thailand. Denn superreiche Burmesen wie z. B. U Tay Za, (Besitzer von Htoo Trading mit Air Bagan, Luxushotels, Rohstoff-, Bau- und Handelsfirmen) und ausländische Hotelkonzerne liefern sich ein Rennen um die besten Plätze. Dem Land steht Grosses bevor, da es zwischen den grössten Zukunftsmärkten – China und Indien – liegt und ein schier unendliches Reservoir an wichtigen Rohstoffen besitzt. Investments sind vor allem in den folgenden Bereichen attraktiv:

› Ausbildung und Gesundheitsbereich

› Infrastruktur- und Konstruktionsprojekte


› Finanzwirtschaft (Aufbau Bankomaten- und Kreditkartensystem)

› Erforderliche Konsumgüter wie Haushaltgeräte, Velos und Motorräder

› Später dann auch ICT-Produkte (Information, Communication & Technology)

› Anspruchsvoller Häuserbau in den Grossstädten


› Und mit grossem Potenzial: Der Tourismussektor in all seinen Schattierungen

Aber Achtung: Das jährliche Durchschnittseinkommen der Burmesen liegt immer noch bei 900 US-Dollar – per capita (2011), da Burma vorwiegend landwirtschaftliche Produkte produziert. Das ergibt eine sehr tiefe Inland-Kaufkraft (das Nachbarland Thailand erwirtschaftet im Vergleich: 5000 US-Dollar/Person/Jahr). Eine Verkäuferin verdient in der Hauptstadt 65 Franken im Monat und bezahlt für ein Kilo einheimisch produzierten Reis auch 1.60 CHF.

Dies kann sich jedoch schnell ändern, da in den kommenden Jahren viel ausländisches Kapital ins Land fliessen wird. Und nicht zu vergessen: 2015 wird Myanmar in die ASEAN Economic Community eingebunden sein. Sämtliche wirtschaftlichen Restriktionen durch die USA und die EU sind aufgehoben. Somit bestehen durchaus interessante Perspektiven für mutige Investoren.

Klar ist dabei, dass China sich schon seit Jahren in eine Poleposition gebracht hat. Allerdings mit wenig Nachhaltigkeit und somit denkbar schlechtem Image, wie erste Proteste und Angriffe auf chinesische Firmen in Mandalay zeigen. Auch die Schweiz will da nicht nachstehen. Bundesrat Didier Burkhalter eröffnete die neue Schweizer Botschaft im November 2012. Als Anlaufstelle für humanitäre, wirtschaftliche, touristische und soziale Projekte. Myanmar ist auch ein Schwerpunktland für die DEZA (Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit).

Reist man durchs Land und spricht mit der Bevölkerung, ist eines sicher: Die Angst vor dem Militärregime schmilzt langsam dahin. Bei den Parlaments­wahlen im 2015 gilt die Stimme fast ausnahmslos «der Lady» und ihrer NLD- Partei. Sie wird schon übermenschlich verehrt und ist der grosse Hoffnungsträger für eine bessere Zukunft. Hoffentlich.

Und eine goldene Zukunft hat Myanmar auch verdient: Mausarm, aber mit gros­sem Potenzial in der Wirtschaft und im Tourismus. Beschränkte Infrastruktur, aber atemberaubende Landschaften und Kulturstätten. Wenig Tourismus, doch Tausende Kilometer von blüten-weis­sen Sandstränden. Und die Bevölkerung: Hart arbeitend, aber immer von Herzen lächelnd. So wie man sich Asien aus den alten Filmen und Büchern vorstellt, genau so überrascht Myanmar auch heute noch an vielen Orten mit mystischer Ambiance und buddhistischer Stille. Touristisch betrachtet, erwartet den Besucher tagtäglich eine lebendige Theaterkulisse: Landleben wie vor 2000 Jahren, Eisenbahnfahrten wie zu kolonialen Zeiten, Schiffpassagen auf dem mächtigen Irrawaddy mit zeitlosen Ein- und Ausblicken.

Von einfachen Unterkünften bis zur 5-Sterne-Hotellerie bietet das Land alles. Die Luxushotellerie ist jedoch heillos überbucht. Da besteht Nachhol- und vor allem Frühbuchungsbedarf.

Myanmar wird in den kommenden Jahren zu den Gewinnernationen zäholen. Alleine schon, weil es durch die Militärdiktatur auf einem beschämend tiefen Niveau angelangt ist und die Bevölkerung nach Fortschritt dürstet. Es wird nicht einfach sein, den Industriesektor zu etablieren, da rundum Länder mit tiefen Löhnen das Land mit günstigen Produkten überfluten (chinesische Motorräder z. B. sind für 300 bis 600 US-Dollar zu haben).

Und der Dienstleistungssektor krankt an den schlechten Englischkenntnissen der Burmesen, da diese Sprache in den vergangenen fünfzig Jahren schulisch nicht gefördert worden ist. Auch grosse Spannungen innerhalb der NLD und Zerreissproben mit den Minderheiten im Land behindern die notwendige Aufbauarbeit unnötigerweise. «

Porträt