«Es ist sehr schwierig, Spezialisten zu finden. Die Nachwuchsförderung im eigenen Betrieb ist für uns daher von zentraler Bedeutung.» Catherine Vicente ist HR-Verantwortliche bei der Basler IT-Dienstleisterin Innobit AG. Das Unternehmen mit gut 60 Mitarbeitenden setzt seit eineinhalb Jahren auf das praxisintegrierte Bachelorstudium – kurz Pibs. Es richtet sich an gymnasiale Maturanden, die Berufspraxis im Unternehmen mit einem Hochschulstudium kombinieren möchten. Dabei sind die Studierenden je etwa zur Hälfte beim Arbeitgeber und im Studium eingebunden. Mit dem Pibs erreicht die Innobit AG eine ideale Ergänzung für die von der Firma benötigten Informatikerprofile.
Neue Modelle sind gefragt
Bis 2022 wird es hierzulande an 87 000 IT-Fachkräften fehlen, davon rund 50 Prozent Hochschulabsolventen – das prognostiziert die ICT Berufsbildung Schweiz. Der Blick auf die demografische Entwicklung stimmt dabei nicht eben hoffnungsvoll. Zudem droht die Zuwanderungsinitiative, die Rekrutierung von Fachkräften aus dem nahen Ausland zu erschweren. Für Unternehmen ausserhalb der IT-Branche wird es besonders schwierig, geeignetes Personal zu finden.
Meist stehen sie laut Staufenbiels jährlicher Analyse der 100 beliebtesten Arbeitgeber nicht zuoberst auf der Wunschliste der technischen Hochschulabgänger. Informatiker und Ingenieure bevorzugen Technologie-Schwergewichte wie Google, ABB oder Siemens. Wollen die Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit aufrechterhalten, müssen sie neue Strategien entwickeln, um an die notwendigen Fachleute heranzukommen.
Die Fernfachhochschule Schweiz (FFHS) hat das Studienmodell Pibs federführend zusammen mit mehreren Arbeitgebern in der Schweiz, insbesondere der Schweizerischen Post und Swisscom, entwickelt. Es fokussiert auf die gezielte Verzahnung von Theorie und Praxis und spricht damit eine neue Zielgruppe an.
Viele Jugendliche mit Gymnasialmatura verspüren zwar den Wunsch, direkt ins Berufsleben einzusteigen, möchten aber gleichwohl nicht auf einen Hochschulabschluss verzichten. Als Teil des Massnahmenpakets gegen den Fachkräftemangel gab der Bundesrat 2015 grünes Licht für das praxisintegrierte Bachelorstudium in Informatik.
Dieses duale Modell bietet die Möglichkeit, IT-Fachexperten in Zusammenarbeit mit einer Fachhochschule intern und auf die eigenen Bedürfnisse hin auszubilden. Darin sieht die Innobit AG auch den entscheidenden Vorteil: «Wir können unternehmensspezifisches Fachwissen von Beginn an vermitteln und das Profil des studierenden Mitarbeiters wesentlich mitgestalten. Als Praxispartner haben wir ein Mitspracherecht beim Angebot der Wahlpflichtmodule und Vertiefungsrichtungen», erläutert Catherine Vicente die Vorteile. Gerade die Schwerpunkte «Data Science» und «IT-Sicherheit» sind sehr gefragt, heben sie sich doch stark von den klassischen Berufslehrprofilen ab.
Flexibilität entscheidend
Die Innobit AG kennt das duale Studium bereits von ihrer früheren mehrjährigen Zusammenarbeit mit der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW). Der Hauptgrund des Wechsels zur FFHS war laut Catherine Vicente die bessere Strukturierung von Ausbildungs- und Studienzeit und die Flexibilität der Einsatzmöglichkeiten. Zwar hätten sie mit der DHBW grundsätzlich sehr gute Erfahrungen gemacht, allerdings sei das Studium so organisiert, dass die Theorie- und Praxisphasen jeweils in Dreimonatsblöcken am Stück absolviert würden. Dies habe sich insbesondere bei Projekteinsätzen bei Kunden als Nachteil erwiesen.
«Das Pibs erlaubt ein fixes Arbeitspensum von 20 Stunden in der Woche. Damit können wir unsere Studenten besser in Projekte einbinden. Die Studierenden werden so für unsere Kunden von Beginn an zu geschätzten sowie zu verfügbaren Ansprechpartnern. Für uns als Unternehmen erleichtert diese Variante des Studienaufbaus zudem die interne Planung», ist Vicente überzeugt.
Die Flexibilität des Modells erlaubt eine fast freie Einteilung der Arbeits- und Studienzeit. Die Vorlesungen an der FFHS werden konzentriert an nur einem Wochentag durchgeführt. Da dem Student darüber hinaus noch mindestens ein Tag zum Selbststudium zur Verfügung steht, kann die Einteilung zwischen Selbststudium und Arbeitszeit individuell abgesprochen werden.