Herr Jud, Ihre Familie übernahm die Firma Baumer 1978 im Rahmen einer externen Nachfolgelösung …
Ja, mein Vater war das. Es kam so: Der Familienbetrieb Baumer wurde seit 1866 über drei Generationen geführt. Die vierte Generation hatte kein Interesse an der Stabübernahme. Mein Vater, von der Industrie herkommend, kaufte mit Aktienmehrheit den Druckbereich. Ich selber stieg im Jahr 2000 ins Unternehmen ein und bewältigte mit ihm zusammen die damals schwierige Wirtschaftssituation erfolgreich. 2003 zog sich mein Vater mit 65 Jahren ins Verwaltungsrats-Präsidium zurück, übergab mir die Schlüssel zur operativen Leitung und ermöglichte mir die Übernahme der Aktienmehrheit. Nach seinem Tod Ende 2015 rückte ich ins Verwaltungsrats-Präsidium nach. Meine Schwester ist teilzeitlich im Betrieb tätig und hält 30 Prozent der Aktien.
Baumer ist unternehmergeführt. Inwiefern spürt man das?
Als ehemaliger Manager in der Pharma-Industrie und heutiger Unternehmer erkenne ich als grossen Unterschied vorab die langfristige Optik und das wendige Entscheiden. Zweitens ist die Identifikation des Unternehmers mit dem Betrieb naturgemäss höher, bestimmt auch jene der Mitarbeitenden. Und drittens herrscht Engagement auf jeder Stufe. Das enge Profitcenter-Denken findet nicht statt.Das alles ist für die Kunden, aber auch für die Mitarbeitenden direkt spürbar. Weil wir langfristig denken, vermitteln wir Sicherheit. Das spürt man sehr wohl. Man schätzt sich, kennt sich gut. Das Vertrauen ist da. Die meisten Mitarbeitenden sind schon seit Jahren bei uns.
Begonnen hat alles vor 150 Jahren «auf den Spuren Gutenbergs» …
Ja, in den ersten Jahrzehnten stand bei Baumer die Buchdruckerkunst im Zentrum. Aber schon früh gelang es, Wege ausserhalb des reinen Druckens zu beschreiten. Illustre Beispiele aus den alten Zeiten sind etwa das «Patent für Geschäftsbücher mit Rohleder-Rücken» von 1907 oder das «Patent für ein Lose-Blätter-Buch» von 1920. Der Drang nach Neuerungen war also immer da, und er setzte sich später fort. Auch heute trachten wir danach, Produkte und Dienstleistungen zu kreieren, die der Praxis einen hohen Nutzen bringen. Soweit wie möglich, versuchen wir, vorauszugehen statt nachzuahmen.
In den Jahren nach 1980 setzte eine Verlagerung Richtung Mailing-Geschäft ein. Was waren hier die Überlegungen?
Mit der Produktion von Endlos-Formularen, Garnituren und Konti-Snaps bewegte sich Baumer sehr lange im administrativen Sektor. Als aber Ende der 1970er-Jahre die ersten Laser-Drucker auftauchten, führte das zu einem Umdenken. Wir stiegen ein in die Veredelung von Dokumenten und boten dies in Endlosformaten an. Danach wurde in der Geschäftswelt der Gedanke des papierlosen Büros diskutiert – eine potenzielle Gefahr für uns. Deshalb fokussierte man sich auf einen boomenden Sektor, auf die Direktwerbung.
Der Einstieg glückte nach einigen Anpassungen im damaligen Maschinenpark. Dieser Wandel forderte unsern Verkauf stark, denn unvermittelt hatten wir mit einer völlig andern Kundschaft zu tun. Statt Einkäufer von Dokumenten waren in diesem Feld Werbeleiter von Firmen oder Agenturleiter unsere Ansprechpartner. Aber es gelang, wir konnten uns in bestimmten Branchen etablieren. Wir gelten als Spezialist in diesem Feld. Heute sind wir unter anderem strategischer Lieferant der Schweizer Post.