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Elektromobilität

«Das Elektroauto hat eine gute Zukunft»

Hans-Jörg Hänggi, Managing Director Nissan Switzerland, über die Vorbehalte gegen Elektroautos, das Kompetenzzentrum «Swiss eMobility» und die Entwicklung der Elektromobilität in der Schweiz.
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Herr Hänggi, Elektromobilität ist nach wie vor ein grosses Thema. Aber im Strassenverkehr spielen Elektroautos noch keine bedeutende Rolle. Nissan hat sich das Ziel gesetzt, dies zu ändern – unter anderem mit dem «Leaf». Wie fällt Ihre aktuelle Zwischenbilanz aus?

Nissan hat beim Thema Elektromobilität eine Pionierrolle übernommen. Und als Pionier braucht man einen langen Atem. Aber bereits die Startphase unseres E-Auto-Projekts stellt uns zufrieden: Wenn man die Menschen einmal überzeugt hat, eine Probefahrt zu unternehmen, sind sie in der Regel begeistert vom Nissan Leaf.

Bleiben wir beim Leaf. Wer sind seine aktuellen Wettbewerber in der Schweiz?

Nissan war bei Elektroautos der Vorreiter.Wir haben mit dem Leaf das erste fünfplätzige Grossserien-Modell der Kompaktklasse angeboten, das ausschliesslich als Elektrofahrzeug entwickelt wurde. Zusätzliche Angebote und Wettbewerber im Schweizer Markt sehen wir als Chance. Sie werden mit dazu beitragen, dass die Ladeinfrastruktur enger geknüpft wird – und sie werden Elektroautos zum Mainstream machen. Schon heute haben neben Nissan auch unser Allianzpartner Renault sowie Mitsubishi, Peugeot, Smart und Volvo reine Elektrofahrzeuge im Programm – hauptsächlich Klein- und Kompaktmodelle sowie Transporter. Und ich bin sicher, es werden noch deutlich mehr werden.

Was wissen Sie über die Nutzer von Elektroautos?

Hier muss man zwischen privaten und gewerblichen Käufern unterscheiden. Bei den Privatnutzern sind es vor allem die klassischen «early adopters» – also Menschen, die sich stets für die neuesten technischen Errungenschaften interessieren. Diese Kunden sind stark auf Umweltthemen fokussiert und haben gern auch schon eine Solaranlage auf dem Dach. Bei den gewerblichen Kunden handelt es sich häufig um Kleinfirmen, die meist einen Bezug zu «grünen» Themen haben. Wir spüren jedoch ein steigendes Interesse bei grösseren Unternehmen – Begriffe wie Nachhaltigkeit spielen dort eine immer wichtigere Rolle. Nur ein Beispiel: Noch diesen Sommer werden zehn Nissan Leaf in Zürich als Taxis starten, als erste kleine Flotte, die nach und nach um weitere Elektroautos erweitert wird. Voraussetzung dafür ist natürlich eine leistungs­fähige Infrastruktur.

Sie stellen eine gewisse Sensibilisierung für Elektromobilität in der Unternehmenswelt fest. Wie folgt Nissan im Marketing dieser Tendenz?

Als stark nachhaltig geprägte Automobilmarke freuen wir uns natürlich über jedes Unternehmen, das sich zu «Green Mobility» bekennt. Aber aus eigener Erfahrung wissen wir auch, dass unternehmerisches Handeln immer stark von der Kostenseite beeinflusst wird. Als Unternehmer ist man in erster Linie Kaufmann – und da hat man die Kosten jederzeit im Blick. Diese Tatsache muss jedoch keinesfalls gegen Elektromobilität sprechen. Eher das Gegenteil ist der Fall. Nehmen wir zum Beispiel die Unterhaltskosten eines Autos. Da schneidet der Elektroantrieb deutlich günstiger ab, denn Kilowattstunden Strom sind wesentlich billiger als Benzin und Diesel. Auch die Wartungskosten eines E-Autos sind günstiger. Wir bei Nissan möchten Unternehmen die Entscheidung für Elektromobilität noch leichter machen. Daher haben wir den Kaufpreis des Nissan Leaf beträchtlich gesenkt und die Angebotsstruktur verbessert: Es gibt unser E-Modell jetzt in drei Ausstattungsvarianten und einer besonders günstigen Basisversion. Diese Fakten machen den Leaf gerade für Kleinunternehmen interessanter – ebenso wie das neue Miet-Modell für die Batterie, bei dem für eine monatliche Miete von lediglich 95 Franken die Batterie über 36 Monate und mit einer Laufleistung von 12 500 Kilometern pro Jahr günstig gemietet werden kann.

Ein Grossteil der Vorbehalte gegen reine Elektroautos liegt in der mangelnden Infrastruktur. Autofahrer haben Sorge, dass sie mit leerer Batterie liegen bleiben – und keine Steckdose ist in der Nähe. Wie bewerten Sie die bestehende Infrastruktur in der Schweiz?

Ich gebe Ihnen recht: Das Hauptproblem ist nicht die Reichweite von Elektroautos, sondern die fehlende Infrastruktur. Die Reichweite ist für die Tagesfahrleistung der meisten Schweizer Autofahrer von durchschnittlich 60 Kilometern absolut ausreichend. Aber die Infrastruktur ist ungenügend. Es gibt einfach noch viel zu wenig öffentliche Ladestationen – aktuell sind es schweizweit 14 Schnellladestationen. Und die fehlende staatliche Förderung macht es nicht leichter, eine Infrastruktur aufzubauen.

Aber das kann doch nicht das letzte Wort sein. Wird denn nichts getan, um diesen Zustand zu ändern?

Doch, selbstverständlich wird eine Menge getan. Im vergangenen Jahr wurde zum Beispiel «Swiss eMobility» gegründet – als Kompetenzzentrum zur Marktentwicklung der Elektromobilität. Diesem Verband gehören unter anderem der TCS, Alpiq, Swisscom, die Schweizerische Post, Groupe E, SOCAR, EVTEC, ABB, EKZ, ewz und natürlich auch Nissan an. Als Dachorganisation steht «Swiss eMobility» allen Unternehmen, Institutionen und Personen offen, die an der Förderung elektrischer Antriebe interessiert sind.

Gibt es bereits konkrete Projekte von «Swiss eMobility»?

Ja, die gibt es: Das wichtigste hört auf den Namen «EVite». Dahinter verbirgt sich der geplante Aufbau einer landesweiten und flächendeckenden Infrastruktur an Schnellladestationen für Elektrofahrzeuge. In der ersten Ausbauphase sollen mindestens 150 Ladesäulen installiert werden – rund um die Uhr zugänglich und für jedes in der Schweiz käufliche Elektroauto geeignet. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern kommt diese Schweizer Initiative ohne staatliche Subventionen aus.

Das heisst, staatliche Stellen sind untätig?

Nein, so pauschal kann man das natürlich nicht sagen. Behörden sind in diesen Projekten mit im Boot. So ist Rudolf Dieterle, Direktor des Bundesamts für Strassen, Vorstandsmitglied von «Swiss eMobility». Aber es stimmt schon: Wir würden uns von der Politik etwas mehr Rückenwind wünschen. Fiskalische Anreize, wie sie etwa im Tessin geplant sind, wären für die Elektromobilität sicher hilfreich. Denn was staatliche Unterstützung und Förderung bewirken können, lässt sich in Norwegen beobachten. Steuerliche Vorteile, Gratisparkplätze in den Stadtzentren, kostenlose Ladestationen und viele andere attraktive Vorzüge haben Elektroautos in Oslo und anderswo sichtbar beflügelt. Hier gehören E-Autos schon zum Alltag auf den Strassen.

Kommen wir zurück zu Nissan. Wie sieht es denn bei Ihnen aus mit der Änderung der Strukturen?

Ich habe ja bereits unsere Pionierfunktion angesprochen. Und die zeigt sich bei uns an vielen Stellen. So hat Nissan beispielsweise eine eigene «Zero Emission»-Geschäftseinheit, die komplett auf alternative Antriebe abgestimmt ist. Wir entwickeln vollwertige und eigenständige Elektromodelle – statt nur E-Versionen bestehender Baureihen. Der Leaf markierte hier erst den Anfang – ab Ende 2013 wird im Nissan-Werk in Barcelona das kompakte Nutzfahrzeug eNV200 produziert. Schliesslich entwickeln und produzieren wir eigene Batterie-Technologien, die exakt auf unsere Elektroantriebe abgestimmt sind. Sie sehen: Wir haben uns für den elektrischen Weg entschieden – und den ziehen wir auch durch.

Und in der Schweiz?

Auf dem Schweizer Markt operieren wir aktuell mit 36 EV-Händlern und ebenso vielen Ladestationen. Selbstverständlich soll auch dieses Netz weiter wachsen. Darüber hinaus engagiert sich Nissan Schweiz auf Verbandsebene: als Gründungs- und Vorstandsmitglied von «Swiss eMobility».

Noch ein paar Worte zum Leaf. Nissan hat jetzt die zweite Generation seines Elektroautos vorgestellt. Gab es so viel hohen Verbesserungsbedarf?

Ich darf ein Sprichwort zitieren: «Das Bessere ist des Guten Feind.» Wir haben den rund 58 000 Kunden, die bisher einen Leaf gekauft haben, genau zugehört. Diese Erfahrungen sind nun in rund 100 Detailverbesserungen eingeflossen – bei der Ausstattung, bei der Heizung und Lüftung sowie bei der Technik. Der neue Leaf besitzt jetzt eine grössere Reichweite und nutzt noch stärker die Möglichkeiten der Energie-Wiedergewinnung beim Bremsen und Bergabfahren.

Was darüber hinaus auffällt sind die deutlich günstigeren Verkaufspreise.

Hier kommt uns zugute, dass der neue Leaf ein echter Europäer ist. Er wird nun im Nissan-Werk in Sunderland in England produziert, was uns erlaubt, das Modell preislich bedeutend attraktiver anzubieten. Auch die Batterien kommen jetzt aus englischer Produktion. Wir haben darüber hinaus ein Leasingangebot für die Batterien aufgelegt, wodurch der Basispreis für das neue Modell bis auf 27 990 Franken sinkt. Damit dürften sich auch Privatleute leichter vom Leaf überzeugen lassen. Bei Unternehmen, die eine Vollkostenrechnung anstellen, hatten wir es mit unseren Argumenten schon immer etwas leichter. Jetzt sind die Betriebskosten für alle deutlich niedriger.

Herr Hänggi, zum Schluss noch eine Frage zur zukünftigen Entwicklung: Wie sehen Sie die Aussichten für Elektroautos und für Nissan im Speziellen?

Ich bin fest davon überzeugt, dass das Elektroauto eine gute Zukunft hat. Nicht als Ersatz für herkömmliche Antriebe, aber als Ergänzung zu hocheffizienten und Kohlenstoffdioxid-reduzierten Modellen mit Verbrennungsmotor. Der springende Punkt bleibt jedoch der schnelle Ausbau einer leistungsfähigen Infrastruktur. Hier wurden in der Schweiz bereits wichtige Weichen gestellt. Wir bei Nissan sind für die Zukunft jedenfalls gewappnet: aktuell mit dem neuen Leaf und demnächst auch mit dem rein elektrisch angetriebenen Transporter eNV200, der ab Ende 2013 in Barcelona vom Band rollt. «