Branchen & Märkte

Internationalisierung

China – eine neue Chance für Schweizer KMU

Mehr als 900 000 Multimillionäre, etwa 55 000 Milliardäre und ein sich etablierender Mittelstand: China ist ein spannender Zukunftsmarkt und bereits heute der sechstwichtigste Absatzmarkt der Schweizer Ausfuhren. Bislang profitieren vor allem Grossunternehmen davon. Mit dem Freihandelsabkommen wachsen auch für KMU die Chancen teilzuhaben.
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Globalisierung war bis anhin vor allem eine Strategie von Grossunternehmen. Die internationale Stellung der Schweiz assoziieren wir mit den grossen multinationalen Firmen wie Nestlé oder Novartis. Diese Unternehmen sind in den ausländischen Märkten rund um den Erdball tätig und prägen den Ruf der Schweiz. Aber bekanntlich sind die grossen Firmen nur ein kleiner Teil der Schweizer Wirtschaft. Die Schweiz ist ein Land von kleinen und mittelgrossen Firmen. 99 Prozent aller Firmen im Industriebereich beschäftigen weniger als 250 Personen. Von diesen sind 83 Prozent Mikrounternehmen, also Firmen mit zehn oder weniger Beschäftigten.

Keine Frage der Grösse

Grösse hat aber nichts mit Internationalisierung zu tun. Denn der Schweizer Markt ist klein, und viele Firmen orientieren sich daher nach aussen. Gemäss dem Swiss International Enterpreneurship Survey (SIES), welches von der School of Management in Fribourg erstellt wird, haben im Jahre 2013 93 Prozent der 788 befragten Firmen mehr als die Hälfte ihrer Produkte im Ausland verkauft. Dabei ist die Hälfte der Firmen, welche in den SIES einbezogen werden, Mikrounternehmen. Sie und die grösseren KMU verkaufen hauptsächlich nach Europa (93 Prozent), doch auch nach Asien (49 Prozent), Nordamerika (40 Prozent), Südamerika (25 Prozent), Afrika (20 Prozent) und Australien (21 Prozent).

Die Internationalisierung ist für KMU also genauso wichtig wie für grosse Firmen. Doch der Prozess der Integration in die Weltwirtschaft ist unterschiedlich. Wenn Transportkosten hoch und tarifäre und nicht-tarifäre Handelsbarrieren bedeutend sind, gründen Grossfirmen eine Niederlassung, um ihre Kunden direkt vor Ort zu bedienen. Diese Möglichkeit steht den KMU nicht zur Verfügung. Die Kosten der Produktionsauslagerung sind hoch und tendieren, mit der Distanz zwischen Ländern überproportional zu steigen. Regulatorische Unsicherheiten, Sprache und kulturelle Unterschiede sowie der Mangel eines Verteilernetzwerks bedeuten hohe Fixkosten einer Produktionsverlagerung. Diese Fixkosten können sich die KMU nicht leisten. Für sie bleibt der Export der einzige Weg, um in einen ausländischen Markt einzutreten.

China als Absatzmarkt

Es sind also nicht in erster Linie die Grossunternehmen, sondern die kleinen und mittleren Unternehmen (und ihre Beschäftigten), die am meisten von einem Freihandelsabkommen profitieren. Ein solches Abkommen wurde von den beiden Ländern 2013 unterzeichnet und soll noch in diesem Jahr in Kraft treten. Damit wäre die Schweiz das erste europäische Land, das seiner Industrie einen freien Zugang zum chinesischen Markt sicherstellt. Zwar ist China schon heute ein bedeutender Abnehmer von Schweizer Exporten. Der Handel zwischen den beiden Ländern ist seit 2001, als China der WTO beitrat, sehr stark angestiegen (siehe Abbildung 1), und heute ist China der sechstwichtigste Absatzmarkt der Schweizer Ausfuhren. Aber der grösste Teil der Vorteile aus diesem Handel fällt bei den Grossfirmen an.

Steigende Exportkosten

Die meisten KMU gehen das internationale Abenteuer sehr vorsichtig an. 61 Prozent der Firmen, welche im Rahmen des SIES befragt wurden, beginnen ihren Prozess der Internationalisierung, indem sie sich auf den Markt eines Nachbarlandes ausrichten. Das Risiko, einen weiterentfernten Markt zu bedienen, wird nicht ohne die nötige Erfahrung auf einem näheren Markt eingegangen. Dies zeigt der Credit Suisse Export Barometer (SME Export Indicator Q1 2014): Der Hauptexportmarkt ist Deutschland, gefolgt von Frankreich, Österreich und Italien. Dies sind Nachbarländer mit einer ähnlichen Kultur und der gleichen Sprache.

Fallende Zollhemmnisse

Der Grund liegt darin, dass Exportkosten mit der Distanz stark ansteigen. Die Marktanalyse wird komplexer und die Kenntnisse der Regulierung werden mit zunehmender Distanz schwieriger und sind mit steigender Unsicherheit behaftet. Aber steigende Kosten sind gerade für KMU problematisch. Sie sind im Hochpreissegment tätig, und ihre Möglich­keiten, die Kosten zu senken, sind beschränkt. So geben denn auch die meis­ten Unternehmen an, dass der hohe Preis ihrer Produkte das wichtigste Hindernis für eine tiefere Internationalisierung sei. Der durchschnittliche Zoll auf Schweizer Produkte in China ist heute rund zehn Prozent. Schlägt man noch die Kosten des Zutritts auf einen neuen Markt dazu, so sind viele KMU nicht wettbewerbsfähig.

Genau darum ändert das Freihandelsabkommen die Spielregeln für die KMU. Die Mehrheit der Industrieexporte aus der Schweiz nach China wird von einer vollständigen oder weitgehenden Zollreduktion profitieren können. In vielen Fällen fallen die Zölle schon mit dem Inkrafttreten des Abkommens weg. Ansonsten werden sie über eine Abbauperiode von 5, 10 und in einigen wenigen Fällen 12 oder 15 Jahren abgebaut. Nutzniesser sind insbesondere die Produzenten landwirtschaftlicher Produkte und die landwirtschaftliche Produkte verarbeitende Industrie mit einem sehr hohen Exportpotenzial. Zu nennen sind hier etwa Milchprodukte, Dörrfleisch, Schokolade, Babynahrung, Speiseeis, Konfekte, Wein und nicht-alkoholische Getränke.

Einige dieser Produkte werden schon heute erfolgreich auf dem chinesischen Markt angeboten, doch Grad und Tempo der Marktdurchdringung sind bescheiden (siehe dazu Abbildung 2). Der Anteil an Nahrungsmitteln, Getränken, Textilien und Lederprodukten an den Gesamtexporten nach China ist von einem Prozent im Jahre 2000 auf drei Prozent im Jahre 2012 angestiegen. Zudem ist dieser Anstieg in erster Line auf das beachtenswerte Wachstum von Schuhen zurückzuführen.

Hohes Absatzpotenzial

Der Absatz von hochwertigen Schweizer Produkten in China hat sehr viel Luft nach oben. Denn das Land hat über 900 000 Multimillionäre und etwa 55 000 Milliardäre. Diese wohlhabende Kundengruppe wurde schon erfolgreich von der Schweizer Uhrenindustrie verführt. Andere Produkte können folgen. Insbesondere weil der Markt für besondere Sportschuhe oder spezielle Schokolade weit über den Club der Multimillionäre hinaus reicht. Auch entwickelt sich gerade eine starke chinesische Mittelklasse. Die Löhne steigen schnell an und werden in Zukunft weiter steigen. In der verarbeitenden Industrie sollen die Löhne im Jahre 2015 das Dreifache des Niveaus des Jahres 2011 betragen. Mit dem Rückgang von billigen Arbeitskräften wird der Inlandskonsum der neue Wachstumsmotor Chinas werden. Hier ist ein enormer Markt zu gewinnen. Bis heute werden Chinas Importe durch die Einfuhr von Zwischenprodukten dominiert. Diese wurden von chinesischen Firmen nachgefragt, welche ihrerseits in den Rest der Welt exportieren. Die Preise für Rohmaterialien sind in die Höhe geschnellt, zum Vorteil vieler Länder in Afrika und Lateinamerika. In der Schweiz waren die Hauptnutzniesser die Exporteure von Maschinen und Ka­pitalgütern. Importe von Endprodukten und speziell von Konsumgütern hinkten nach. Noch 2012 betrugen die Importe von Endprodukten weniger als die Hälfte der Importe von Zwischenprodukten (Abbildung 3). Dies wird in naher Zukunft ändern, da das verfügbare Einkommen der chinesischen Haushalte ansteigt. Es ist nun der Zeitpunkt für die Anbieter, von hochwertigen Konsumgütern, vom Wachstum in China zu profitieren. Dies ist das Segment, in dem die exportorientierten KMU der Schweiz aktiv sind. Exporteure des ersten europäischen Landes zu sein, welches über ein Freihandelsabkommen mit China verfügt, gibt den Schweizer KMU einen starken Wettbewerbsvorteil.