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Medizinische Dienstleistungen

Auch Arztpraxen brauchen Betriebswirtschaft

Medizinische Leistungen ziehen unweigerlich ein gewisses Mass an Administration nach sich – Tendenz steigend. Weil ein nicht optimal funktionierendes Büro aber ungesund ist, haben sich Vorreiter der Branche ein Managementsystem verschrieben. Dr. med. Marc Jungi, stellvertretender Geschäftsführer von Sanacare, sagt, was dahinter steckt.
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Herr Dr. Jungi, was bewog Sanacare, nicht nur den medizinischen Bereich, sondern auch den betriebswirtschaftlichen Teil der Arztpraxen in ein Management-System einzubetten?

Qualität, aber auch Transparenz in der medizinischen Qualität sind hochaktuelle Forderungen im Gesundheitswesen. Diesen Anspruch wollen wir in dreifacher Hinsicht erfüllen. Und da lag auch unser Motiv zur Einführung eines zertifizierten Managementsystems. Mit dem damit verknüpften SQS-Zertifikat setzen wir ein starkes Signal für Patienten, Ärzte, Spitäler und Versicherer. Es trifft zu, Zertifizierungen von Arztpraxen sind noch rar. Die Zertifizierung von Sanacare in der drei­fachen Kombination der Qualitätslabel «ISO 9001», «Good Medical Practice» und «GoodPriv@cy» ist sogar einzigartig.

Sanacare ist unter anderem zertifiziert nach «Good Medical Prac­tice». Was bedeutet das?

Die SQS bietet mit dem Label Good Medical Practice eine Qualitätszertifizierung der medizinischen Behandlung an. Diese Auszeichnung hält sich eng an bestehende Anforderungen der Norm ISO-9001­–2008, ist aber um einen spezifischen Pflichtenkatalog erweitert worden, der sehr detailliert auf die Qualitätsansprüche der medizinischen Behandlung eingeht. In unseren Gruppenpraxen wollen wir eine hervorragende medizinische Behandlung nach einheitlichen Grund­linien gewährleisten und diese auch kommunizieren. Deshalb hat sich Sanacare im Jahr 2007 für diese Zertifizierung entschieden. Wir werden seither jährlich überprüft – sowohl in der medizinischen Betreuung als auch in den Bereichen Führung und Administration.

Und was bezweckt ihr zweites Zertifikat «GoodPriv@cy»?

In den Sanacare-Gruppenpraxen und in der Administration fallen sensitive Daten über Patientinnen und Patienten sowie Versicherte an. Die Sicherheit dieser Daten ist für uns ein Qualitätskriterium und hat hohe Priorität. Die Interessenlage ist allseits gegeben: Sicher sein sollen der Kunde Patient, sicher sein soll auch der Kunde Versicherung. Sanacare hat sich deshalb 2005 als erste Managed-Care-Organisation durch eine unabhängige Zertifizierungsstelle für ihren konsequenten Datenschutz mit dem Label SQS GoodPriv@cy zertifizieren lassen. Weil Gesundheitsdaten besonders schützenswert sind, erhalten bei Sanacare folglich nur jene Personen Einsicht, welche die Gesundheitsdaten für ihre Aufgabenerfüllung brauchen. Alle Mitarbeitenden sind zudem zu absolutem Stillschweigen verpflichtet. Die statistischen Auswertungen werden anonymisiert, so dass kein Rückschluss auf Personen möglich ist. Alle Daten werden ordnungsgemäss gesichert und nach Ablauf der gesetzlichen Auf­bewahrungsfrist vorschriftsgemäss vernichtet. Mit GoodPriv@cy erfüllt Sanacare die Forderung nach Einhaltung aller für Sanacare relevanten gesetzlichen und vertraglichen Datenschutzvorschriften; nach Gewährleistung der datenschutzrechtlich notwendigen Informationssicherheit durch organisatorische, personelle und technische Massnahmen; sowie nach einem funktionierenden und gut dokumentierten Datenschutz-Managementsystem.

Welchen Stellenwert haben die beiden Zertifikate in Ihrer Gruppenpraxis-Strategie?

Die Zertifikate sind sogar an oberster Stelle, auf der Ebene Verwaltungsrat, verankert. Dieser gibt uns klar vor, dass die Zertifikate erhalten werden müssen. In der Geschäftsstrategie fällt überdies ins Gewicht, dass wir mit unserem Qualitätsmodell unseren Vertragskrankenkassen ermöglichen, Prämienreduktionen an deren Versicherte weiterzugeben. Aber sicher, im Alltag ist nicht das Zertifikat, sondern der Weg dahin entscheidend. Auch dieser Aspekt ist bei Sanacare in der Praxisstrategie festgeschrieben, denn letztlich sind es die Prozesse, die uns ermöglichen, von der Zentrale in Winterthur aus 13 dezentrale Praxen administrativ führen zu können. Diese Denkweise kommunizieren wir über das Qualitätslabel insbesondere auch an unsere Partner, zum Beispiel den Versicherungsgesellschaften, mit denen wir Verträge haben.

Was macht im Kern die Sanacare-Praxis aus?

Jede Gruppenpraxis mit dem leitenden Arzt wird zentral in Winterthur verwaltet. Die Organisationsform kommt zum Tragen mit einem sichernden Managementsystem – unserer Zertifizierung. Die dezentrale Struktur und die interne und externe Vernetzung generieren Vorteile, welche den Patienten zugute kommen. Ich nenne hier einige davon: Alle Sanacare-Ärzte sind FMH-Doktoren. Als an­gestellte Ärztinnen und Ärzte können sie sich voll dem Beruf widmen. Um Ver­waltungsaufgaben wie Personal, IT, Ab­rechnungs- und Versicherungswesen müssen sie sich nicht kümmern. Und jeder Arzt, der zu uns kommt, ist sich bewusst, dass wir evidenzbasierte Grundversorgungsmedizin anbieten. Gross­geschrieben wird der fachliche Austausch untereinander an den wöchentlichen Treffen, wie Ärztesitzungen oder Qua­litätszirkel, oder direkt bei der Kollegin oder dem Kollegen im Hause. Das ist beim Einholen von Zweit- und Drittmeinungen in speziellen Fällen äusserst hilfreich. Erfahrungsgemäss wird dies von Patienten als Qualität empfunden. Wir verfügen zudem über ein ausgesprochen fein gesponnenes Netz zu externen Spezialisten und zu Spitälern. Wichtig für unsere Patienten ist die zeitliche Verfügbarkeit in den Praxen. Dadurch entsteht ein hoher Bereitschaftsgrad. Und nicht zuletzt: Das Sana­care-Modell hat einen kostendämpfenden Effekt. So können wir unter einem Dach mehr Leistung anbieten.

Managementsysteme sorgen für Effizienz und Effektivität. Mussten Sie in den Praxen viel umstellen?

Jeder Mensch hat seinen eigenen Arbeitsstil, auch Mediziner. Das ist gut so. Wird aber eine Zertifizierung angegangen, so kann alles, was eine Evidenz hat – sei es punkto Diagnose und Therapie, sei es prozessmässig oder strukturell – gewisse Umstellungen notwendig machen. Bei Sanacare war das nicht anders. Aber wir haben diese erfolgreich bewältigt. Nicht zuletzt deshalb, weil wir alle Mitarbeitenden stufengerecht einbezogen haben, ihre Prozesse von der Basis her zu überprüfen. Die medizinischen Praxisassistentinnen zum Beispiel durchleuchteten und verbesserten die Laborprozesse. Prozesse, die genau vorgeben, was wann zu tun ist, und die Dokumente, die damit verknüpft sind, erleichtern auch den Tätigkeitsrahmen der Ärzte. Fragen wie Abklärungen, individuelle Verordnungen, Umgang mit Medikamenten, Vorgehen bei Überweisungen, Einsatz medizinaltechnischer Geräte, u.a.m. können in allen 13 Praxen nach gleichem Muster angegangen werden. Der Arzt weiss genau, wo er welche Guidelines im QM-System abrufen kann. Das ist effektiv und gibt Sicherheit – den Ärzten und damit auch den Patienten. In der Tat: Qualität entsteht nicht nur aus der individuellen Leistungskompetenz, sondern auch aus gut strukturiertem Vorgehen. Eine hohe Strukturqualität wiederum befruchtet eine möglichst fehlerfreie Medizin.

Kann ein Auditor überhaupt Mediziner auditieren?

Unser SQS-Auditor heisst Dr. med. Raphael Sinniger. Er ist vom Fach und verfügt aus­serdem über fundiertes Know-how in Managementprozessen. Er ist ein sehr guter Sparringpartner, der stets auf Optimierungen abzielt.

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