Strategie & Management

Benchmarking

Was «Old School» von «New School» lernen kann

Die junge Business-Generation kennt Mittel und Wege zum Ziel, von denen diejenigen, die die ausgetretenen alten Management-Pfade gehen, keine Ahnung haben. Da ist es hilfreich, zu analysieren, wie Jungunternehmen ticken. Fünf Prinzipien sind dabei von Belang.
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«Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ich von diesem Mädel was lernen kann!», sagt der leicht ergraute Inhaber einer Druckerei, der sich selbst als alten Hasen bezeichnet, über eine hochengagierte junge Dame, eine Diplomkauffrau, die sich in ihrem Vortrag mit modernem Kostenmanagement befasst. Um manche Unternehmen muss man sich offenbar wirklich Sorgen machen. Kommt dann wie aus dem Nichts ein Branchendisruptor daher, sind die Reaktionen fast immer gleich: erst belächeln, verspotten, kleinreden, niedermachen – dann Aufschrei, Empörung, Skandal. Oder klagen und jammern nach dem bösen Erwachen. «Jetzt kaufen unsere Kunden doch tatsächlich bei diesen Jungspunden ein. Hätten wir nicht gedacht. Da müssen wir uns aber bald mal was einfallen lassen.» Zu spät. Selbst mit Geldgeschenken sind die «Nicht-mehr-Kunden» nicht mehr zu locken. 

Die Game Changer

Das Neuland wird längst von den ambitionierten «jungen Wilden» beackert. Sie sind Zukunftsversteher. Und Transfor­mationsexperten per se. Game Changer nennen sie sich. Sie erkennen Potenziale blitzschnell, können Marktdifferenzen rasch identifizieren und Lösungen ganz neu kombinieren. Jedes ungelöste Kundenproblem kann für sie zu einem erfolgreichen Startpunkt werden. Sie versuchen erst gar nicht, alte Technologien aufzupeppen. Sie überspringen sie einfach. Herkömmliche Branchengesetze sind ihnen völlig egal. Gewohntes wird radikal infrage gestellt. Sie entwickeln nicht weiter, sondern kreieren unbekümmert, wagemutig und zumeist digitalbasiert die Dinge völlig anders und neu. Dabei entstehen Innovationen, die die Welt so umfassend verändern wie niemals zuvor. Durch die folgenden fünf Prinzipien sind Jungunternehmen in aller Regel geprägt. Diese können auch in klassischen Unternehmen, egal welcher Grösse und Branche, umgesetzt werden. Voraussetzung ist natürlich, dass «Old School» von «New School» lernen will und ein Perspektivenwechsel gelingt. Der erste Schritt wäre der, die junge Generation federführend in alle firmeninternen Veränderungsaktivitäten einzubeziehen, um sich von frischen Ideen und neuen Vorgehensweisen durch den Wandel lotsen zu lassen.

Prinzip 1: Pivotieren

Als Pivotieren bezeichnet man einen kontrollierten Kurswechsel, bevor es zu spät ist. Das bedeutet: Ursprünglich geplante Vorgehensweisen werden sofort über Bord geworfen, wenn sie sich als marktuntauglich erweisen. Ein Pivot ist allerdings kein Komplettausstieg, sondern bedeutet, dass mindestens ein Aspekt des ursprünglichen Geschäftsmodells gezielt geändert wird. Als etwa Kevin Systrom, Mitgründer von Instagram, erkannte, dass die User den Instagram-Vorläufer Burbn hauptsächlich wegen der Fotoposting-Funktion nutzten, richtete er sein Start-up neu aus und legte damit den Grundstein für die Instagram-Erfolgsgeschichte. In Unternehmen alter Schule hingegen hält man an laufenden Projekten und /oder an einer Jahresplanung auch dann immer noch fest, wenn die Nichtmachbarkeit längst absehbar ist. Bewahrenwollen ist dort die Norm. Gescheiterte Vorhaben hingegen werden verachtet.

Prinzip 2: Verschwendung vermeiden

Dies ist ein Grundprinzip in agilen Jungunternehmen, denn Ressourcen in Form von Zeit, Geld und Mitarbeitern sind ständig knapp. Aufwendige Statusberichte, unnötige Meetings sowie die gesamte Selbstbeschäftigungsbürokratie klassischer Organisationen sind dort tabu. Generell arbeitet man viel mit Freelancern zusammen. Bei Arbeitsspitzen versorgt man sich mit «Staff on Demand». Die Fixkosten werden so niedrig wie möglich gehalten. Man zahlt für Zugang und Nutzung, nicht für Besitz. Das systema­tische Teilen von Wissen führt zu einer äusserst produktiven Form der Zusammenarbeit. Das «Sharen» von Gegenständen, bei dem das Web als Organisationsplattform dient, spart Geld und schont die Umwelt. Wenn alle ihr geistiges und materielles Eigentum teilen, bleibt mehr für alle. So mischt sich Unternehmertum mit sozialem Engagement.

Prinzip 3: Iteratives Lernen

Die Geschäftsidee selbst sowie die dazugehörigen Produkte und Lösungen werden inkrementell, also schrittweise entwickelt. Zudem werden sie iterativ, also über permanente Lernschleifen mithilfe von Kundenmeinungen optimiert, um frühzeitig auszusortieren, was niemand braucht. So kommt validiert nur das auf den Markt, wofür die Menschen tatsächlich Geld ausgeben wollen. Bei der Ideation, der Ideenentwicklung, nutzt man das Prinzip der «Weisheit der Vielen». Die besten Ideen kommen dabei oft von draussen. Das ständige Feedback über Testen – Lernen – Verbessern – Testen – Lernen – Verbessern macht sofortige Kurskorrekturen möglich. Hierzu werden nutzbare, minimal funktionsfähige Produkte (Minimal Viable Products) schnell auf den Markt gebracht und durch User in deren realem Umfeld getestet. Überflüssiges kommt frühestmöglich weg. Brauchbares wird in einem laufenden Prozess optimiert. «Permanent Beta» nennt man das auch. Ein prima Neben­effekt: Über Updates ist man regelmässig in Kontakt mit seinen Kunden.

Prinzip 4: Vom Kunden her denken

«Raus auf die Strasse, Nutzer beim Anwenden beobachten und mit (potenziellen) Kunden reden», ist eine Basisdevise. Wer zum Beispiel eine App für junge Zielgruppen entwickelt, geht in ein Café, spendiert ein paar jungen Leuten einen Drink, schaut ihnen über die Schulter und lauscht ihren Kommentaren, während sie mit der App hantieren. In traditionellen Unternehmen hingegen wird eine vermeintlich perfekte Lösung komplett inhouse entwickelt, dann in den Markt geworfen und in einer Rückschau durch aufwendige Kundenzufriedenheitsuntersuchungen validiert. Repräsentativität sei aber doch wichtig? Das ist Unsinn. Wenn zehn von zehn Testern ein Leistungsmerkmal unerträglich oder unnötig finden, ist das ziemlich aussagekräftig.

Prinzip 5: Skalieren

Skalieren bedeutet, dass sich ein Grundmodell relativ mühelos um einen Faktor X vervielfachen lässt. Digitale Lösungen haben dabei einen entscheidenden Vorteil: Bei ihnen verursacht eine Skalierung kaum Kosten. Ein physisches Produkt oder ein Filialkonzept zu multiplizieren kann sehr aufwendig sein. Das Duplizieren einer Anwendung oder der Zuwachs um ein paar hunderttausend Webportalnutzer hingegen kostet so gut wie nichts. Zum Beispiel: Die üblichen Werkstattbesuche sind für einen Autobesitzer mühsam und teuer. Das Aufspielen einer neuen Software, wie etwa beim Tesla, geht virtuell, wobei die Updates dann bei allen Autos gleichzeitig erfolgen. Insofern streben Gründer vorrangig nach hohen Skalierungseffekten. Das macht sie für den Kapitalmarkt sehr interessant. Nach einer Durststrecke des Aufbaus sind extrem hohe Wertsteigerungen möglich.

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