Strategie & Management

Nachfolgeregelung

Unternehmensnachfolge in Krisenzeiten

Die Corona-Krise sorgt für Unsicherheit. Verschiedene Unternehmer machen sich derzeit Gedanken, ob es heute sinnvoll ist, ihre Firma zu verkaufen. Potenzielle Käufer wiederum sind unsicher, ob sie in der Lage sein werden, ihre strategischen Ziele zu erreichen. Daher sind vorderhand zahlreiche Verkaufs- und Nachfolgeprojekte «on hold» gestellt.
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Mehr zum Thema Krisenmanagement in der Ausgabe Nr. 4-5/2020.Viele Schweizer KMU werden von Un­ternehmern geführt, die über 60 Jahre alt sind. Eine aktuelle 2020er-Studie von Bisnode D&B unterlegt diese bekannte Tatsache mit konkreten Zahlen: In der Schweiz ist die Nachfolge bei gut 75 000 Unternehmen ungelöst. Dies entspricht rund 13 Prozent aller Unternehmen oder einer halben Million Arbeitsplätze. Eine andere Grösse zeigt es noch drastischer: Rund 30 Prozent der Unternehmen können nicht an die nächste Generation übertragen werden – unter anderem weil sich die Inhaber des Themas nicht oder zu spät annehmen. Scheitern Firmenübergaben, gehen Erfahrung, Wissen, Arbeitsplätze und Steuereinnahmen verloren.

Situation neu einschätzen

Die aktuelle Krise wirkt sich auf kleine und mittlere Unternehmen teils erheblich aus. In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass bestimmte Firmen mit Situationen konfrontiert sein werden, die den Nachfolgeprozess letztlich in den meisten Fällen beeinflussen. Welche Faktoren zu einer neuen Einschätzung der Lage führen können, soll mit den nachstehenden Überlegungen skizziert werden.

  • Unternehmen werden ihre Abläufe krisenbedingt eingehend analysieren und nötigenfalls anpassen. Automatisierte Abläufe in der Produktion, digitalisierte Strukturen im Vertrieb und auch die zunehmende digitale Kommunikation sowohl mit Kunden als auch Geschäftspartnern werden dabei wesentlich zum wirtschaftlichen Überleben beitragen.

    Eine bedeutende Rolle nehmen hier voraussichtlich jüngere, unternehmerisch denkende Mitarbeiter ein. Schon heute sind sie oftmals stark auf digitale Prozesse fokussiert. Zudem sehen sie sich häufig als die eigentlichen Treiber hinter Veränderungen, die das Unternehmen besser auf Kundenbedürfnisse und damit auf den harten Wettbewerb ausrichten sollen.
  • Um Unternehmen in den nächsten Wochen und Monaten mit der nötigen Liquidität zu versorgen, werden in vielen Fällen umfangreiche Mittel nötig sein. Können diese aus dem privaten Umfeld des Eigentümers beziehungsweise seiner Familie eingebracht werden, ist dies zu begrüssen.

    Sind dazu jedoch Finanzierungspartner, ob Banken oder Investoren, gefragt, werden diese die Lage genau beobachten und die geplante Entwicklung nachvollziehen wollen. Insbesondere wenn es darum gehen soll, über das öffentliche Notprogramm hinaus zusätzliche Gelder bereitzustellen, werden sie darauf schauen, ob auch die Führungsstruktur für die nächsten Jahre gesichert ist.

    Hält man sich die Jahrgänge vieler Unternehmer vor Augen, wird die Nachfolge ein entscheidendes Qualitäts-Kriterium und damit eine massgebliche Grösse sein, ob beziehungsweise welche zusätzlichen Finanzierungen gewährt werden: Nimmt die Nachfolgelösung (nun endlich) konkrete Züge an? Ist eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger vorgesehen oder bereits bestimmt? Sind die nächsten Schritte hin zum Generationenwechsel definiert? Die langfristige Perspektive, also die eigentliche Überlebensfähigkeit von Unternehmen, wird jedenfalls wesentlich stärker ins Gewicht fallen als bisher.
  • Ohne Unternehmerfamilie kein Familienunternehmen. Damit ist auch gesagt, dass die Familie durch den Fa­milienunternehmer (oder, selbstverständlich, die Familienunternehmerin) frühzeitig in wichtige Entscheidungen eingebunden werden sollte. Denn gerade auch weitverzweigte Familien­verbunde möchten wissen, wie die wirtschaftliche Situation und die Perspektive des Unternehmens einzuschätzen sind. Vor allem wollen sie verstehen, wie das Familienvermögen, das oftmals zu grossen Teilen im Unternehmen gebunden ist, über die nächsten Jahre gesichert werden kann.

    Gleichzeitig ist aber auch davon auszugehen, dass sich einzelne Söhne und Töchter verstärkt fragen werden, ob sie ihre eigene Zukunft im Unternehmen sehen, nachdem sie miterleben, wie belastend eine existenzielle Krise wie die derzeitige sich auf die Eltern auswirkt. Beide Faktoren zusammen werden voraussichtlich den Druck erhöhen, bald eine Lösung ins Auge zu fassen, um die nächsten Jahre möglichst gut zu gestalten.
  • Unternehmen, die den Verkaufsprozess bereits aufgegleist haben, müssen jetzt überlegen, ob Kaufinteressenten an­gegangen werden sollen. Prinzipiell spricht nichts dagegen, den Verkaufsprozess in diesen Wochen oder Monaten an die Hand zu nehmen. Vor allem schon deshalb, da allein die Vorbereitungsphase bei einem Unternehmensverkauf oftmals drei, vier oder fünf Monate in Anspruch nimmt.

    Bei Unternehmern, die bereits mit Kaufinteressenten in Kontakt stehen, ist es sinnvoll, das Gespräch zu suchen. Es soll in Ruhe abgeklärt werden, wie die Situation käufer- und verkäuferseitig eingeschätzt wird. Bei strategischen Investoren, beispielsweise bei industriellen Mitbewerbern, die sich in ihrem Umfeld naturgemäss hervorragend auskennen und einen langfristigen Horizont aufweisen, können Käufe auch während der aktuellen Krise interessante Investitionen sein.
  • Für den Firmenkäufer bleibt die Un­sicherheit, ob die erwarteten Gewinne tatsächlich realisiert werden können. Es wird mehr denn je entscheidend sein, sich intensiv beziehungsweise noch eingehender mit dem Unternehmen zu beschäftigen. Er wird das Potenzial des Unternehmens kritischer als auch schon beurteilen, die Markt- und Wettbewerbssituation genau einzuschätzen versuchen und die Kauf­entscheidung zudem auf eine profes­sionelle Unternehmensbewertung abstützen.

    Auch Banken und Investoren werden mit Bedacht prüfen, welche Investments sie finanziell begleiten werden. Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass ein Unternehmenskauf mit einem höheren Anteil an eigenen Mitteln zu finanzieren sein wird.
  • Die Krise sollte grundsätzlich auch als Chance gesehen werden, sich wieder einmal vertieft mit dem eigenen Unternehmen auseinanderzusetzen. Dabei ist es sinnvoll, in der Strategie­arbeit vermehrt Hypothesen zu for­mulieren und in verschiedenen Szenarien zu denken. 

    In Krisenzeiten ist also stärker iterativ und inkrementell vorzugehen, was eine schrittweise und gleichzeitig fortlaufende Überprüfung, Verbesserung und Anpassung der strategischen Analyse und der Ergebnisse nach sich zieht. Deshalb sind vorläufige Strategien in dieser Phase zielführender als die üb­lichen, oftmals rigide konzipierten und deutlich weiter nach vorne ausgerichteten mehrjährigen Unternehmensstrategien. 

Fazit

Zusammenfassend sollten sich Firmeninhaber darauf einrichten, dass Höchstpreise, wie sie bis vor Kurzem noch zu realisieren waren, für einige Zeit kaum mehr auf den Tisch kommen werden. Die Mehrzahl der Bewertungen wird tiefer ausfallen, als man dies noch vor drei oder vier Monaten hätte erahnen können. Ein Aufschieben des Verkaufs bis nach der Krise ist zwar eine Option, aber wahrscheinlich nicht zielführend. Niemand weiss, wie lange die Krise dauert. Und keiner kennt die Auswirkungen ausreichend genug, um sich mit einem guten Gefühl darauf einzustellen. In der Folge werden zentrale Investitionsentscheidungen tendenziell hinausgeschoben, was sich im Endergebnis wiederum auf die Konkurrenzfähigkeit und die Ertragslage des Unternehmens (und damit letztlich auf den Kaufpreis) auswirkt.

Unabhängig von Corona ist seit einiger Zeit festzustellen, dass das Interesse erfahrener Kader zunimmt, sich über ein Management-Buy-in (MBI) selbstständig zu machen. Dabei gehen einige schrittweise vor und bringen sich – zumindest in einer ersten Phase – über eine Minderheitsbeteiligung ein. Andere wiederum machen gleich Nägel mit Köpfen und engagieren sich von Beginn weg voll.

Für gestandene Unternehmer bieten Krisen dieser Art also oftmals auch Chancen. Zwar hätte man sich gerne etwas andere Konstellationen gewünscht, um die lang anstehende Nachfolge zu lösen. Doch manchmal zeigen einem erst die Umstände, wann es Zeit wird, sich neu zu positionieren. Und, wer weiss: Vielleicht eröffnet in bestimmten Lebenssituationen ein Verkauf sogar die  interessanteren Perspektiven.

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