Strategie & Management

Unternehmensorganisation II

Die Zusammenarbeit von VR und Geschäftsleitung in KMU

Der KMU-Verwaltungsrat entfaltet seine grösste Wirkung, wenn die Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung produktiv ist. Dies bedingt neben einer Erwartungsklärung und Regelung der Zuständigkeiten auch ein grosses Vertrauensverhältnis.
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Ein schlagkräftiges KMU-Verwaltungsratsgremium zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass eine produktive Zusammenarbeit mit der Geschäftsleitung gestaltet wird. Der VR ist das stra­tegische Organ von KMU und somit für die Entwicklung der Strategie und die Kontrolle der Umsetzung zuständig. Die operative Geschäftsführung wird an die Geschäftsleitung delegiert. 

Erwartungsklärung lohnend

Für eine erfolgreiche Zusammenarbeit lohnt es sich, dass die Geschäftsleitung wie auch der Verwaltungsrat und der Verwaltungsratspräsident (VRP) ihre Erwartungen an die jeweiligen Personen offenlegen und miteinander klären. Laut einer Studie der Universität St. Gallen sehen Geschäftsführer den VRP vor allem als Visionär, Strategen, Ethiker, Coach, Netzwerker, Repräsentanten und Konfliktlöser. Sie betonen auch, dass die zeitliche Verfügbarkeit der Verwaltungsräte zentral ist. 

Zur Erwartungsklärung gehört, dass auch die Zuständigkeitsbereiche der Geschäftsführung, des VR und des VRP geklärt werden. Ein Organisationsreglement hilft, dies auch formal festzulegen. Für den VRP besteht ein Spannungsfeld zwischen Nähe und Distanz zur Geschäftsführung. Es gilt die Verantwortung wahrzunehmen, ohne den Handlungsspielraum der Geschäftsführung zu stark einzuschränken. Folgende Fragen sind deshalb zentral, die von VRP, VR und Geschäftsführung diskutiert werden sollten: 

  • Wie oft treffen / hören sich der VRP und der CEO?
  • Wer übernimmt welche Kommuni­kation innerhalb und ausserhalb der Firma?
  • Welches Reporting ist für den VR zielführend? 
  • In welchen Abständen folgen die Informationen für den VR und welchen Detaillierungsgrad weisen sie auf?
  • Bei welchen Gesprächen mit Stakeholdern soll der VRP involviert werden?
  • Wie intensiv wird die Aufsichts­funktion des VRP gegenüber der Geschäftsführung gelebt?
  • Welche Anträge sollen im VR und welche in der GL diskutiert werden?
  • Werden vom Verwaltungsrat Ausschüsse gebildet für die Vorbereitung und Ausführung der VR-Beschlüsse oder für die Überwachung seiner Geschäfte?

Regelung der Zusammenarbeit 

Die Abgrenzung und die Regelung der Kompetenzen von VR und GL werden formal im Organisationsreglement und oft noch detaillierter im Funktionendiagramm festgehalten. Im Organisationsreglement werden etwa die folgenden Aspekte geregelt: 

  • Zuweisung von Verantwortlichkeiten, Kompetenzen und Aufgaben. Das heisst: Für welche Beschlüsse ist der VR verantwortlich?
  • Rechte und Pflichten des VR
  • Berichterstattung der Geschäftsführung
  • Ausstand bei möglichen Interessenskonflikten
  • VR-Sitzungsrhythmus mit Themenschwerpunkten übers Jahr verteilt (oft tagt der VR mind. vier Mal jährlich)
  • Beschlussfähigkeit und -fassung (z. B. Möglichkeit von Zirkular­beschlüssen, Online-Durchführungen und Telefonkonferenzen)
  • Regelung der internen und externen Kommunikation
  • Bildung von Ausschüssen des VR

Der VR erlässt das Organisationsreglement und überprüft es regelmässig in Bezug auf Änderungen. 

Im Funktionendiagramm werden die Kompetenzzuweisungen an den VRP, den VR und die GL definiert. Dabei können diese Zuweisungen in einer Tabelle festgehal­ten werden, in der die Zuständigkeiten für einzelne Aufgaben fest­gelegt werden. So wird definiert, wer für die Vorbereitung, die Beratung, den Entscheid, die Kontrolle und den Vollzug zuständig ist. Dies kann mit Angabe von Buchstaben und einer Legende erreicht werden und nach Leitungsaufgaben, Organisation und Personal, IT, Finanz- und Rechnungs­-wesen sowie Produktion, Marketing und Verkauf unterteilt werden. In der Tabelle werden beispielhaft einzelne Aufgaben vorgestellt (in Anlehnung an Müller et al., 2014, S. 863). Weiterführende Ausführungen und ein Beispiel zu dem Organisationsreglement und dem Funktionendiagramm können im Buch von Roland Müller und weiteren Autoren gefunden werden (Der Verwaltungsrat, 4. Auflage, 2014, Kapitel 11.55 und 11.31).

Entwickeln und umsetzen

Strategieworkshops werden in KMU vom VR mit der Geschäftsleitung durchgeführt mit dem Ziel, eine Vision, Mission, Strategie, strategische Ziele und Massnahmen zu definieren. Die Rollen von VR und GL werden in der Praxis unterschiedlich wahrgenommen. Die Geschäftsleitung ist nahe am Markt und hat dadurch oft einen Informationsvorsprung gegenüber dem VR. Die Strategieentwicklung in KMU wird zudem durch unterschiedliche Persönlichkeiten geprägt. Wer wie stark die Strategieentwicklung beeinflusst, hängt einerseits von den Charaktereigenschaften (zum Beispiel Dominanz) und andererseits von der eigenen Expertise der beteiligten Personen ab. Die Erfahrung zeigt grosse Unterschiede, inwiefern die Geschäftsleitung, der VR oder beide gleichberechtigt die treibenden Akteure bei der Entwicklung der Strategie sind. 

Die Geschäftsführung ist für die Umsetzung der Strategie zuständig und der VR für das Controlling der Umsetzung. Die Geschäftsführung definiert, was ihr Beitrag für die Zielerreichung der Firma sein wird. So werden strategische Ziele für die GL aus der Firmenstrategie abgeleitet. Gleiches wird für die nächsten Hierarchiestufen vorgenommen. So herrscht Klarheit, was sie zu den Firmenzielen beitragen können. Die Ziele sollen möglichst klar formuliert werden. Das heisst: Was ist der Beitrag der einzelnen Bereiche einer Firma zur Erreichung der Firmenstrategie? So werden in der Praxis die Ziele nach «SMART» formuliert (das heisst spezifisch, messbar, aktivierend, realistisch und mit einem Termin versehen).

Neuere Ansätze wie etwa OKR («Objec­tives» und «Key Results») oder 4DX (die vier Dimensionen der Umsetzung) konzentrieren sich dabei auf die Umsetzung von weniger Zielen und sind agiler. Bei OKR nehmen sich die Abteilungen und Mitarbeitenden fünf Ziele vor mit jeweils nicht mehr als vier Kernergebnissen, damit die übergeordneten Ziele der Firma erreicht werden können. Bei 4DX geht es darum, dass sich die ganze Firma auf die maximal zwei wichtigsten strategischen Ziele (sogenannte «WIG, wildly important goals») konzentriert, damit die Wahrscheinlichkeit ihrer Umsetzung erhöht wird.

Vertrauensverhältnis

Eine produktive Zusammenarbeit be­dingt ein gutes Vertrauensverhältnis. Die Geschäftsführung wird nur dann ehrlich und offen kommunizieren, wenn sie weiss, dass der VR angemessen mit diesen Informationen umgehen wird und sie nicht zum Nachteil der Geschäftsführung einsetzen wird. Ansonsten wird die Geschäftsführung noch besser abwägen, welche Informationen sie dem VR zu welcher Zeit liefern darf und welche nicht. Umgekehrt darf der VR auch von der GL eine solche Behandlung erwarten. Als Konsequenz heisst das, dass die GL und der VR integre und engagierte Persönlichkeiten mit Vorbildfunktion sein sollen, um die Firma erfolgreich führen zu können. Eine grosse Gefahr für KMU sind Spannungen zwischen dem VR und insbesondere dem VRP und der Geschäftsführung. So werden nicht nur weniger relevante Infor­mationen ausgetauscht, sondern auch falsche Priori­täten in den Diskussionen gesetzt, die zu falschen Entscheidungen führen können. Idealerweise soll eine Atmosphäre geschaffen werden, in welcher die Geschäftsführung und alle VR-Mitglieder ihre Ideen, Vorschläge und Bedenken einbringen können, ohne Angst vor Ausgrenzung. Unterschiedliche Ansichten können so geteilt werden. Der VRP ist für diese produktive Atmosphäre und die zielführende Zusammenarbeit mit dem CEO zuständig.

In Krisensituationen 

Krisensituationen wie etwa die aktuelle Situation aufgrund der Entscheide und Verordnungen rund um Covid-19 beanspruchen den KMU-VR und vor allem den VRP besonders. In dieser Zeit gilt es, die Geschäftsleitung zu unterstützen, oft als Sparringspartner zu begleiten und Massnahmen mit der Geschäftsleitung zu entwickeln. Eine besondere Situation ist auch der kurzfristige Ausfall des Geschäftsführers. Es gilt für den VRP mit der Geschäftsleitung sofort zusammen­zu­sitzen und die weiteren Schritte und Verantwortlichkeiten zu definieren. Der VRP wird intensiv damit beschäftigt sein und in den meisten Fällen auch operative Themen übernehmen. 

Stellung des VRP

Der Verwaltungsratspräsident hat in einem KMU eine spezielle Stellung. Diese Person koordiniert die Informationen und die Kommunikation zwischen dem VR und der GL. Das äussert sich etwa in der Vorbereitung und Leitung der VR-Sitzungen und der GV, den Telefonaten oder Treffen mit der Geschäftsführung zwischen den VR-Sitzungen und der Nach­bereitung. Dabei nimmt die/der VRP auch eine helfende und motivierende Funktion als kritischer Sparringspartner der Geschäftsführung ein. Die Effizienz und Schlagkraft des VR kann durch eine enge Zusammenarbeit vom VRP mit der Geschäftsführung gestei­gert werden.

Porträt