Die Informations- und Kommunikationstechnologie hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten rasant entwickelt. Insbesondere konnten die Rechenleistung sowie die Speicherkapazitäten exponenziell gesteigert und die Datennutzung optimiert werden. Viele Unternehmen haben aufgrund des technologischen Wandels ihre bestehenden Geschäftsmodelle angepasst oder im Zuge dessen neue Modelle entwickelt: Herausgebildet haben sich zum Beispiel Online-Händler im «E-Commerce», Onlinewerbung, «Sharing Economy» oder «Cloud Computing».
Neue steuerliche Fragen
In der digitalen Wirtschaft können Unternehmen Geschäftsfunktionen von einem zentralen Standort ausüben und Dienstleistungen und Waren ohne Präsenz von Personal in den Absatzmärkten anbieten. Die Kunden können einfach, jederzeit und von überall geschäftliche Transaktionen tätigen. Kundendaten werden sodann zur Personalisierung der Werbung und Verbesserung des Sortiments ausgewertet. Schliesslich spielt die Nutzung von immateriellen Rechten und Netzwerkeffekte eine grosse Rolle.
Aufgrund dieser Merkmale der digitalen Wirtschaft ergeben sich verschiedene steuerliche Fragen. Im Zentrum der Diskussion steht insbesondere die Frage nach der Ausweitung des Begriffs der Betriebsstätte als steuerlicher Anknüpfungspunkt für die Gewinnsteuer. Darauf soll in der Corner Presentation «Die virtuelle Betriebsstätte: neue Herausforderung für Unternehmen, Steuerbehörden und Steuerberater» der «Neue Zürcher Steuerkonferenz 2018» (siehe Box «Veranstaltungstipp») näher eingegangen werden.
Sowohl die OECD, die EU und einzelne Länder haben das Thema der Besteuerung der digitalen Wirtschaft aufgegriffen und sind daran, neue steuerliche Konzepte auszuarbeiten. Die OECD erarbeitete im Rahmen des Base-Erosion-and-Profit-Shifting (BEPS)-Projektes diverse Aktionspläne zur Bekämpfung der Steuervermeidung und künstlichen Gewinnverlagerung. Dabei wurde mit Aktionspunkt 7 («Preventing the Artificial Avoidance of Permanent Establishment Status») der Begriff der Betriebsstätte bereits in gewissen Aspekten erweitert. Die entsprechenden Anpassungen wurden im OECD-Musterabkommen 2017 und im Kommentar aufgenommen.
Im Aktionspunkt 1 des BEPS-Projektes, welcher sich ausdrücklich mit den steuerlichen Herausforderungen der digitalen Wirtschaft befasst, wurden verschiedene Konzepte angesprochen. Die OECD beschloss, das Thema der Besteuerung der digitalen Wirtschaft weiterzuverfolgen und veröffentlichte dazu im März 2018 einen Zwischenbericht. Die OECD beabsichtigt, weitere Ergebnisse im Jahr 2019 zu veröffentlichen und im Jahr 2020 einvernehmliche Lösungen zu präsentieren.
Die EU-Kommission geht im Vergleich zur OECD weiter und veröffentlichte im März 2018 bereits konkrete Vorschläge zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft. Mit diesen Vorschlägen will die EU-Kommission unterschiedliche und einseitige Massnahmen der EU-Mitgliedstaaten vermeiden. Unter dem Titel der fairen Besteuerung der digitalen Wirtschaft macht die EU-Kommission zwei Gesetzgebungsvorschläge: Der erste Vorschlag ist als langfristige Massnahme gedacht und zielt auf die Einführung einer digitalen Betriebsstätte ab (sogenannte signifikante digitale Präsenz); der zweite Vorschlag ist eine Übergangslösung und sieht die Einführung einer Digitalsteuer auf Erträge aus bestimmten digitalen Dienstleistungen vor.