Einkäufer sitzen oft am längeren Hebel und nutzen diese Konstellation aus. Dieser Eindruck drängt sich auf, wenn man dem Artikel «Krankes System» Glauben schenkt, der Anfang 2015 in dem deutschen Magazin «Wirtschaftswoche» erschien.
Rebecca Eisert und Henryk Hielscher berichten, wie die Einkaufsabteilungen der grossen Automobilkonzerne ihre Subunternehmen drangsalieren. Da ist die Rede von einem brutalen Vorgehen und verrohenden Umgangsformen. «Ohne Anstand und Respekt» würde verhandelt, ein eisiges und giftiges Gesprächsklima sei die Regel.
Wenn der Gesprächspartner auf der Beziehungsebene angreift, helfen dem Verkäufer Win-win-Strategien kaum weiter. Die traditionellen Verhandlungs- und Gesprächstechniken sind dann zum Scheitern verurteilt.
Dennoch gibt es Möglichkeiten, die Situation zu entschärfen und selbst unter erheblichem Druck mit schwierigen und harten Einkäufern und Kunden zu produktiven Gesprächsergebnissen zu gelangen. Der Weg dorthin besteht in einem kundentypengerechten Vorgehen, bei dem auf das bevorzugte Emotions- und Wertesystem des Gegenübers eingegangen wird.
Die Persönlichkeitsstruktur
Schwierige Einkäufer und Kunden gehören oft zu Menschen, bei denen das Dominanz-System stark ausgeprägt ist. Dominante Menschen brauchen den Erfolg, Leistungsorientierung und Härte sind selbstverständliche Faktoren ihres Lebens. Diese Härte aktualisiert sich in den Gesprächen mit Verkäufern zuweilen in einem unnachgiebigen und fast schon aggressiven Duktus.
Der dominante Einkäufer und Kunde orientiert sich an Aspekten wie Effektivität und Effizienz. Zahlen, Daten, Fakten und messbare Resultate sind für ihn gleich bedeutsam wie Gewinne, Vorteile und Kosteneinsparungen. Wenn er seine Interessen durchsetzen kann, wird sein Belohnungszentrum stimuliert. Darum dominiert er gerne Gesprächsrunden, schiebt sich in den Vordergrund, will andere führen und bestimmen, «wo es langgeht».
Der Nutzen dieser Erkenntnisse: Der Verkäufer kann sich von vornherein darauf einstellen und sich Gesprächsstrategien, Verhaltensweisen und Reaktionsoptionen überlegen, die ihm helfen, das Verkaufsgespräch mit dem harten Einkäufer und Verhandler zu einem Ergebnis zu führen, das auch für ihn befriedigend ist.
Die Macht der Emotionen
Die Neurowissenschaft geht davon aus, dass menschliches Verhalten entscheidend von den Emotionen gesteuert wird. Der Neurologe Antonio Damasio sagt, dass «jede Entscheidung einen emotionalen Anstoss braucht. Aus purem Verstand heraus könne der Mensch nicht handeln». Hans-Georg Häusel befasst sich mit den Auswirkungen der Denkleistungen des Gehirns auf Marketing und Verkauf und fasst den Kern der Hirnforschung in dem Satz so zusammen: «Alles, was keine Emotionen auslöst, ist für unser Gehirn wertlos.»
Wenn wir der Forschung folgen, werden um die 80 Prozent unserer Entscheidungen unbewusst getroffen – auch Kaufentscheidungen. Dies geschieht im limbischen System, dort ist das Emotionssystem beheimatet, das eine Person bevorzugt.Überdies beeinflusst es die Wahrnehmungen und die Motivstruktur eines Menschen. Die Forschung unterscheidet mit dem Stimulanz-System, dem Dominanz-System, Balance-Unterstützer-System sowie dem Balance-Bewahrer-System vier Emotionssysteme (s. Box «Die Emotionssysteme im Überblick»).