Unsere Kommunikation ist der beste Indikator dafür, wie kooperationsbereit und kooperationsfähig wir sind. Tatsächlich gibt es nur sehr wenige Menschen, die kontinuierlich im kooperativen Kommunikationsmodus sind. Der Psychologe Robert Bacal mutmasst, dass dies mit dem Entwicklungsstadium zusammenhängt, in dem wir unsere Sprache erlernen. Babys und Kleinkinder entdecken sich zu dieser Zeit gerade als eigenständiges Wesen und beginnen sich abzugrenzen. Wir lernen die Sprache also in einer Zeit, in der wir sehr selbstzentriert sind. Die ersten Versuche zur Kommunikation konzentrieren sich deshalb darauf, auszudrücken, was wir wollen und was wir nicht wollen. «Nein!» ist ein Wort, das Eltern in dieser Zeit oft hören.
Im Dialogfeld
Auf der Basis dieses Kommunikationsverhaltens lernen wir erst später, dass Zusammenleben andere Kommunikationsformen erfordert. Auch wenn wir den Eindruck gewinnen, manche hätten es nie gelernt, ist das bei den meisten Menschen schon der Fall. Jedoch scheitern auch sie früher oder später, wenn Stress und Druck ins Spiel kommen. Nur wenige Menschen haben ihre kooperativen Kommunikationsfähigkeiten so gut gelernt und geübt, dass sie wirklich in Fleisch und Blut übergegangen sind und dem Stresstest standhalten.
Für all diejenigen, die ihren kooperativen Kommunikationsstil weiter ausbauen und auch unter Druck länger beibehalten möchten, schlagen die Autoren des Sachbuches «Heikle Gespräche. Worauf es ankommt, wenn viel auf dem Spiel steht» (ISBN: 9783709303801) eine wesentliche Reflexionsfrage vor: «Bin ich noch im Dialog?» Befinden wir uns also – gemeinsam mit unserem Gesprächspartner – noch im Dialogfeld?
Beispiel Fussball
Stellen wir uns dieses Dialogfeld doch einfach einmal bildlich vor, zum Beispiel als Fussballfeld. Die auszutauschenden Informationen oder Gedanken sind die Spieler. Wie sieht es auf dem Spielfeld aus? Sind die Spielhälften gleich gross, sind ungefähr gleich viele Spieler beider Mannschaften auf dem Feld und gestalten sie das Spiel gemeinsam? Oder geht eine Mannschaft selbstverständlich davon aus, dass ihr der grössere Teil des Spielfeldes gehört? Versuchen die Spieler einer oder beider Mannschaften mit Gewalt den ganzen Raum für sich einzunehmen und die anderen Spieler vom Feld zu schubsen? Oder weigert sich eine Partei sogar, ihre Spieler überhaupt aufs Feld zu schicken?
Während das Bild des Fussballfeldes gut geeignet ist, um das Dialogfeld zu visualisieren, ist das Ziel der kooperativen Kommunikation natürlich ein anderes als beim Fussball. Hier geht es nicht darum auszufechten, wer der Gewinner und wer der Verlierer ist. Das Ziel ist eine gute Lösung zu finden, die beiden Seiten gerecht wird.
Die Grundlage dafür ist die ko-zentrierte Haltung. Das heisst, in «sowohl als auch» zu denken, statt in «entweder-oder». In der Kommunikation bedeutet das, den eigenen Standpunkt, die eigenen Ideen und Informationen gleichberechtigt neben denen des anderen gelten zu lassen. Auf dieser Basis kann eine Lösung entwickelt werden, die beiden gerecht wird oder auf Basis der unterschiedlichen Ideen eine ganz neue Herangehensweise zulässt. Insbesondere in Situationen, in denen sich Standpunkte widersprechen oder gegenseitig ausschliessen, mag das zuweilen unmöglich erscheinen.
Der kreative Lösungsraum
«Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind», sagte Albert Einstein. Folgen wir diesem Gedanken, müssen wir Informationen einer anderen Qualität ins Dialogfeld einspeisen, das heisst neben den Stürmern auch das Mittelfeld, die Verteidiger und den Torhüter aufs Feld schicken. Warum ist mir dieser Standpunkt so wichtig? Welches Bedürfnis steht dahinter? Was will ich auf keinen Fall erleben? Oft haben wir uns selbst darüber noch keine Gedanken gemacht, sondern bewegen uns einmal mehr auf dem Kleinkindniveau von «Das will ich eben!» – nur dass wir nicht mehr mit dem Fuss aufstampfen.
Umso wichtiger ist es, die oben genannten Fragen zu beantworten. Für uns selbst idealerweise, bevor wir in ein Gespräch gehen. Vom anderen erhalten wir auf unterschiedliche Weise Antworten, indem wir nachfragen und dann interessiert hinhören, was er uns sagt. Je mehr relevante Informationen im Spiel sind, umso mehr verwandelt sich das Dialogfeld in einen kreativen Lösungsraum.
Plötzlich gibt es neue Aspekte, wie eine für beide Seiten verträgliche Lösung gefunden werden kann, oder es entstehen neue Ideen, die einen Innovationssprung ermöglichen. Woran erkennen wir, dass wir nicht mehr im Dialog sind? Das erste einfache Indiz ist die Beantwortung der Frage: «Wer redet wie viel?» Kooperativ zu kommunizieren heisst, eine 50/50-
Verteilung der Redebeiträge beider Seiten anzustreben.
Weitere Anhaltspunkte ergeben sich, wenn wir auf die Was-Ebene schauen. Was wird gesagt? Passen die Informationen zum Thema? Sind die Aussagen lösungsorientiert? Wird mit Totschlag-Argumenten gearbeitet, mit Ultimaten Druck aufgebaut oder werden nur sehr wenige oder vage Aussagen getroffen, die Dinge bagatellisiert?