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Interview mit Bruno Schwager

«Nur ein ganzheitlicher Nachhaltigkeits-Ansatz nützt allen.»

Bruno Schwager, Head Global IQM (Integrated Quality Management) der Siemens-Division Building Technologies in Zug, über die Integration von Umweltschutz, Gesundheitsmanagement und Sicherheit in die Unternehmensstrategie und den Nutzen von nachhaltigem Wirtschaften.
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› Das Gespräch führte Prof. Max W. Twerenbold

Herr Schwager, Sie verantworten mit Ihrem Team von mehr als siebzig Qualitätsmanagern das erfolgreiche Funktionieren des Integrierten Management-Systems (IMS). Wie sind da Nachhaltigkeit und EHS – Environmental Protection, Health Management and Safety – eingebettet?

Ihre Frage gibt schon die halbe Antwort. «Eingebettet» heisst für uns «integriert». Wir sehen das so: Bildlich gesprochen, umfasst unser «Zertifikatsheft» die drei Hauptnormen Qualität (ISO 9001), Umwelt (ISO 14001) und Sicherheit (OHSAS 18001). Es ist das Basispaket kombinierter Normen, sie werden von SQS, der Schweizerischen Vereinigung für Qualitäts- und Management-Systeme (SQS) gleichzeitig auditiert und zertifiziert. Der Grundgedanke der Nachhaltigkeit ist darin bereits enthalten. Diese Interpretation des Qualitätsmanagements erachten wir als ausgesprochen zukunftsweisend. Der spezielle Fokus auf EHS ist somit für uns lediglich eine neue Seite in der «Heftstruktur». Integration prägt aber nicht nur den Aufbau unseres Systems, sondern auch den Umgang damit. Integrierte Systeme verhindern Doppelspurigkeiten, vereinfachen das Lesen der Prozesse, fördern das Verständnis bei den Mitarbeitenden. Gerade für Letzteres tun wir viel, zum einen über die Selektion der Qualitätsmanager und der EHS-Spezialisten, zum anderen durch die Förderung der integrierten Sichtweise. Wenn wir vom Hauptsitz aus Werke und Baustellen vor Ort besuchen, sind immer Q-Manager und EHS-Manager dabei, um eine gesamtheitliche Analyse zu gewährleisten.

Was erwartet denn die Division Building Technologies vom eigenen Nachhaltigkeitsstreben?

Wir haben drei Zielsetzungen. Erstens wollen wir nachhaltige, umweltverträgliche Produkte und Dienstleistungen anbieten. Zweitens sorgen wir dafür, dass diese Produkte über den ganzen Lebenszyklus nachhaltig sind. Wir achten also beispielsweise bereits bei der Beschaffung darauf, dass in den Werken mit moderner Ausrüstung gearbeitet wird. Drittens geht es uns darum, den gesamten Lebenszyklus im Griff zu haben – angefangen von der Herstellung über Supply Management, Installation, Nutzung bis hin zur Entsorgung. Transparenz bei den Lieferanten ist uns besonders wichtig, deshalb gehen wir beim Monitoring der Lieferanten sehr weit. Wir wissen nicht nur, welches Material in welchen Produkten steckt, sondern wir erfassen auch gezielt und strukturiert die Performance der Lieferanten.

Und auf welche Weise spüren Kunden und Nutzer diese Strategie?

Der Kunde spürt den persönlichen Kontakt, unser Engagement auf der Baustelle, er profitiert vom Feedback vor Ort und erkennt gleichzeitig, dass Siemens gewisse Anforderungen höher setzt als andere. Auch das Erheben der Kundenzufriedenheit nach Projektende ist bei Siemens Standard. Das schätzen nicht nur unsere Kunden, sondern auch die Mitarbeitenden. Denn sie merken, dass die Fachleute vom Hauptsitz draussen am Objekt wissen, was auf der Baustelle und in den Werken geleistet wird.

Zum EHS-Fokus: Worin besteht dieser im Kern?

Die Themen Umweltschutz, Gesundheitsmanagement und Sicherheit sind, wie gesagt, integrale Bestandteile der Siemens-Strategie und damit auch des IMS. Sie bieten vielfältigen Nutzen für Kunden, Mitarbeiter und Management. Der EHS-Fokus unterstützt die Verantwortlichen nicht nur bei der Einhaltung gesetzlicher EHS-Auflagen, sondern verringert potenzielle Risiken, kann Betriebskosten senken und fördert die Entwicklung von Geschäftschancen. Die Mitarbeitenden profitieren von sicheren und gesundheitserhaltenden Arbeitsbedingungen.

Was ist für Building Technologies das wichtigste Kriterium bei der Umsetzung von EHS?

Oberste Priorität hat eindeutig die Sicherheit auf den Baustellen. Wir wollen, dass unsere Mitarbeitenden die Baustelle immer gesund verlassen. Wesentlich ist in diesem Zusammenhang, unser EHS-Verständnis allen Mitarbeitenden anschaulich zu kommunizieren, damit sie Eigenverantwortung übernehmen können. Wir setzen EHS wirklich mit grossem Engagement um. Mitarbeitende sollen sogar die Kompetenz haben, Tätigkeiten abzulehnen, wenn ihre Sicherheit nicht gewährleistet ist.

Lässt sich der Nutzen von EHS für Building Technologies quantifizieren?

Gewiss. Im Rahmen des EHS-Konzepts erheben wir regional viele Messwerte, bündeln sie hier am Hauptsitz und analysieren sie zusammen mit den Datenlieferanten – und zwar nicht nur die Messwerte selbst, sondern auch die Rahmenbedingungen. Messgrössen sind unter anderem Krankheitstage, Arbeitsunfälle, Produktsicherheit, Kundenzufriedenheit oder vermeidbare Kosten. Wir achten sehr darauf, dass wir das Richtige richtig prüfen. In den letzten fünf Jahren konnten wir zahlreiche wichtige Erkenntnisse aus der Analyse und Interpretation der Messgrössen ableiten.

Worin besteht der Beitrag der externen Auditoren an die EHS-Ausrichtung?

Ich brauche Auditoren, die mir helfen, das Unternehmen Building Technologies mit anderen Augen zu betrachten. So wirken die Auditoren von SQS bei uns nicht einfach als Prüfer, sondern als Sparringpartner mit dem Vorteil der externen Sicht. Wir achten speziell darauf, Audits zu lancieren, welche Verbesserungspotenzial versprechen. Zu prüfende Standorte wie auch Personen werden deshalb bewusst gewechselt, neuralgische Stellen extra in die Prüfung einbezogen. Nach jedem Audit wollen wir einen Schritt weiter sein, bereichert durch eine Erfahrung, die uns den künftigen Weg aufzeigt. SQS hilft uns, Dinge aufzudecken, die wir mit eigenen Ressourcen allein nicht ohne Weiteres erkennen können. Das ist ein Mehrwert. Auditing ist also nicht einfach Mittel zum Zweck, und es kommt sehr darauf an, wie man das Audit aufsetzt, wie man mit der Auditgesellschaft kooperiert.

Wie vermitteln Sie Ihren «Botschaftern» Ihr IQM / EHS-Denken?

IQM-Manager kann man bekanntlich nur «on the job» lernen. Ein effektiv arbeitender IQM-Manager braucht sehr gutes Fachwissen, und er muss kommunikativ sein. Die meisten unserer IQM-Manager sind Ingenieure mit Erfahrung im Projektmanagement und im Engineering. Darauf achten wir bei der Selektion für die Zuger Zentrale. Um künftige IQM- und EHS-Manager aus den Ländergesellschaften mit unserem Gedankengut vertraut zu machen, kommen sie zur individuellen Ausbildung nach Zug. Sie bearbeiten hier eine Aufgabe, welche sie später im betreffenden Land implementieren. Solche Aufgaben motivieren sehr – und zwar beide Seiten. Der Erfolg der Implementierung wird beurteilt, und somit ist es möglich, Handlungsbedarf im entsprechenden Land aufzudecken. Nie geht es dabei um Kontrolle, vielmehr geht es ums Controlling der Verbesserung. Unsere Matrixorganisation mit einer führungsmässigen und einer fachlichen Zuordnung fördert den Dialog bei der Suche nach Lösungen. Von grosser Bedeutung ist überdies der grenzüberschreitende Erfahrungsaustausch, beispielsweise an den jährlich stattfindenden globalen und regionalen Networking- Konferenzen. Die IQM- und EHS-Manager der Länder erörtern dort insbesondere Best-Practice-Strategien. Wir vom Hauptsitz demonstrieren dort, wie wir unser Gedankengut vorleben. Damit haben wir Erfolg: Die Leute adaptieren unser Vorgehen und bestätigen uns fast immer, dass es bei ihnen genauso funktioniert hat. Das schafft in unserer «Qualitäts-Community» Respekt und Vertrauen.«

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