Editorial

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Alles nur Mathematik

Die meisten Menschen hegen kaum ein freundschaftliches Verhältnis zur Mathematik. Böse Erinnerungen an die Schulzeit, Unverständnis oder der Ruch des ihr anhaftenden nerdigen Beigeschmacks hält sie auf Distanz.

Offensichtlich hat unser Bildungssystem hier ein didaktisches Defizit. Für die individuelle, gesellschaftliche wie auch wirtschaftliche Entwicklung ist das ein Problem. Vielleicht ist es ja hilfreich, wenigstens zu wissen, dass Mathematik kein «inner circle» für geistige Überflieger ist. Denn wie eine Studie der Universitäten München und Bielefeld zeigt, sind Mathematikverständnis und -wissenszuwachs keine Frage der Intelligenz, sondern der Lernmotivation. 

Wie mathematische Muster unseren Alltag regulieren, warum Mathematik Spass machen kann und vor allem nützlich ist, beschreibt Kit Yates in seinem bemerkenswerten Buch «Warum Mathematik (fast) alles ist». An Beispielen aus verschiedenen Lebensbereichen – unter anderem auch in Zeiten der Pandemie – zeigt der Mathematiker, wie Zahlen aufdecken, aber auch verschleiern und manipulieren können. Eine Quintessenz des Wissenschaftlers ist, Zahlen nicht blind zu vertrauen, sondern zu lernen, sie selbst zu interpretieren. Dies ist demnach eine Grundvoraussetzung, um analytisch denken zu können und damit die Fähigkeiten zu entwickeln, kritisch über «die Welt» nachzudenken und Problemlösungen zu finden.

Speziell in der Businesswelt gilt das für den Umgang mit künstlicher Intelligenz, der Speerspitze der Digitalisierung. Denn KI ist angewandte Mathematik. Schon länger bestehende Algorithmen können durch heute verfügbare Technologie, Rechnerleistungen und Datenverfügbarkeit umgesetzt und angewendet werden. Das Besondere der KI entsteht aus der Kombination von Daten, Algorithmen und einer Geschäfts­relevanz. Aktuell sind KMU beim Einsatz von KI-Systemen noch recht zurückhaltend, während Experten grosse Potenziale insbesondere in den Bereichen Logistik, Vertrieb und Produktion, Einkauf und Kundenmanagement sehen. KI weder euphorisch noch ablehnend zu begegnen, sie zu verstehen und als Werkzeug zu begreifen, dürfte der Königsweg zu höherer Wertschöpfung und verändertem Innovationsverhalten sein. Hintergrundwissen zum besseren Verständnis dieser angewandten Mathematik kann dazu nur hilfreich sein.

P.S.: Mehr zum Thema KI lesen Sie im Interview in der Ausgabe Nr. 3/2022.

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