Agilität und die Fähigkeit zu laufender Veränderung sind entscheidende Überlebensfaktoren für Unternehmen. Durch Covid-19 ist dies deutlicher geworden denn je. Der HR-Bereich kann hier einen wesentlichen Beitrag leisten. Aber warum nutzt er sein Potenzial oft noch nicht aus? Die «HR-Studie 2020» des Softwarehauses Forcont Business Technology GmbH und des Lehrstuhls für Personalwirtschaft und Business Governance an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg liefert ein Stimmungsbild aus deutschen Unternehmen, das ähnlich auch auf Schweizer Unternehmen zutrifft.
Die Ergebnisse zeigen zunächst, vor welchen strategischen Herausforderungen HR-Verantwortliche stehen. Auf Platz eins liegt der Fachkräftemangel beziehungsweise das Gewinnen von qualifiziertem Personal, dicht gefolgt von der Digitalisierung von Personalprozessen.
Weitere drängende Aufgaben sind, interne Veränderungen zu begleiten, den administrativen Aufwand zu senken und Mitarbeiter langfristig zu binden. Neben seiner verwaltenden Funktion ist der HR-Bereich also zunehmend für das Entwickeln und Erreichen strategischer Unternehmensziele mitverantwortlich.
Zeit sparen braucht Zeit
Dieser Rolle werden viele Personalverantwortliche nicht so gerecht, wie sie es sich selbst wünschen. Dafür bräuchten sie vor allem eins: Zeit. Die ist im Arbeitsalltag Mangelware. In 37 Prozent der HR-Abteilungen sind es administrative Tätigkeiten, die am meisten Zeit beanspruchen. Zum Beispiel empfinden es die Befragten als langwierig, Dokumente wie etwa Arbeitsverträge zu erstellen und Mitarbeiteranfragen zu beantworten. Aber auch das Managen und Auswerten von Daten ist ein Zeitfresser. Das erscheint auf den ersten Blick überraschend, gibt es doch vielfältige Softwaretools, die den Umgang mit Daten und Dokumenten erleichtern könnten.
Doch um Routineabläufe zu automatisieren und somit zu beschleunigen, muss zunächst einmal Zeit investiert werden – von der Auswahl der Prozesse über das Finden einer passenden Lösung bis hin zur Schulung der Anwender. Vor diesem anfänglichen Mehraufwand scheuen so manche zurück. Dabei ist die Hürde vor allem eine psychologische. Denn ein neues Tool, gerade Software aus der Cloud, lässt sich in wenigen Monaten implementieren. Die Zeitersparnis macht sich direkt bemerkbar und die Investition zahlt sich oft bereits nach einem halben bis einem Jahr aus.
HR muss Antreiber sein
Die Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Technologien ist dennoch gross. Das Berufsbild des HRlers hat sich in den letz-ten Jahren stark verändert. Um ihre Rolle als strategische Partner ausfüllen zu können, sind Personalmanager bestrebt, den administrativen Aufwand zu senken. 81 Prozent der Befragten bezeichnen sich als offen oder sehr offen für digitale Lösungen. Hoch im Kurs stehen etwa Bewerbermanagement-Tools, Lohn- und Gehaltsabrechnungssysteme und digitale Personalakten. Einige Unternehmen beziehen diese Tools auch bereits aus der Cloud.
Gleichzeitig sind noch wesentliche Potenziale ungenutzt: Das Thema Mitarbeiteranfragen liegt etwa auf Platz drei der grössten Zeitfresser, aber nur ein gutes Drittel der Befragten setzt eine Mitarbeiter-Self-Service-Applikation ein. Auch bei den geplanten Automatisierungsprojekten nimmt die Personalbetreuung einen der hinteren Plätze ein. Setzen HR-Manager falsche Prioritäten? Wahrscheinlicher ist Folgendes: Um ihre Digitalisierungsvorhaben zu realisieren, müssen sie als Erstes die Geschäftsführung vom Nutzen der Investition überzeugen. Haben sie schon eine oder zwei neue Lösungen erfolgreich eingeführt, steigt der Rechtfertigungsdruck für weitere Prozessoptimierungen. Denn in der Vergangenheit waren es eher Abteilungen wie der Vertrieb oder der Kundenservice, die bei der Digitalisierung mit Priorität behandelt wurden.
Damit verkennen Unternehmen die zentrale Rolle des HR-Bereichs. Dieser fungiert als wichtige Schnittstelle nach innen und aussen. Eine digitalaffine Unternehmenskultur zu etablieren, die Technologiekompetenz der Mitarbeiter zu stärken, eine moderne Arbeitgebermarke zu entwickeln und glaubhaft zu kommunizieren, all das wird nur gelingen, wenn der HR-Bereich aktiv darauf hinarbeitet. Dafür muss er sich die nötigen Spielräume schaffen – was die Geschäftsführung unterstützen sollte.