Digitalisierung & Transformation

Beschaffungsmanagement

Maverick Buying – das unterschätzte Risiko

Es bringt Ineffizienz, Kosten und weitere Risiken mit sich und bleibt dennoch oft unerkannt: das Phänomen «Maverick Buying». Es bezeichnet Einkäufe von Unternehmen, die ausserhalb der vorgegebenen Beschaffungsprozesse getätigt werden. Bleiben sie unerkannt, summieren sich schnell die negativen Folgen. Digitale Einkaufsprozesse können hier Abhilfe schaffen.
PDF Kaufen

Maverick Buying wird manchmal auch als unsichtbares oder eigenwilliges Einkaufen bezeichnet. In der indirekten Beschaffung sind hier ineffiziente Einkäufe von Waren und Dienstleistungen gemeint, die von geringem Wert und ge­ringem Volumen sind (wie Kaffee, Kekse und Arbeitsausstattung), oder auch Ausga­ben für die IT-Ausrüstung, Reparatur oder Wartung von Anlagen, welche aus­serhalb der Rahmenvereinbarung mit definierten Lieferanten getätigt werden.

Ursachen von Maverick Buying

Da diese unabgestimmten Einkäufe meist von anderen Fachbereichen im Unter­nehmen durchgeführt werden, erfährt der Einkauf nicht einmal davon. Eingekauft wird eigenmächtig, auf dem scheinbar kürzesten Weg, um den individuel­-
len Bedarf möglichst schnell zu decken. Diese Faktoren führen mitunter zu Maverick Buying:

Fehlende Compliance-Kultur

Compliance beginnt an der Unternehmensspitze. Festgelegte Beschaffungs­prozesse müssen von der Geschäftsleitung unterstützt und gelebt werden. Denn andernfalls kann der zentrale Einkauf seine Beschaffungsstrategie nicht durchsetzen und die einzelnen Mitarbeitenden decken im Unternehmen ausserhalb der ausgehandelten Vertragsbedingungen und Preiskonditionen ihre Bedarfe.

Fehlen standardisierter ­Unternehmensprozesse

Wenn es im Unternehmen keine einheitlichen Prozesse gibt – oder ein nahtlo­ses Beschaffungssystem, das alle nutzen können –, entwickeln einzelne Teams ihre eigenen Einkaufsprozesse und es kommt zu Maverick Buying.

Komplexe Beschaffungsprozesse

Langwierige zentralisierte Beschaffungsprozesse können abschreckend wirken oder als unnötig wahrgenommen werden – gerade von Mitarbeitenden in regio­nalen oder spezialisierten Fachabteilungen oder wenn möglichst schnell etwas gebraucht wird, zum Beispiel bei der Entwicklung eines Prototyps. Sie wählen also nicht den besten, sondern den einfachsten Weg.

Zu wenig Auswahl in den Katalogen

Wenn die Kataloge der zugelassenen Lieferanten nur eine begrenzte Produkt­auswahl bieten, sehen sich die Einkau­fenden anderweitig um.

Negative Auswirkungen

Maverick Buying scheint oft der leichtere Weg der Beschaffung und wird von den Mitarbeitenden nicht als Risiko für die Unternehmung wahrgenommen. Aber wenn Transparenz und Rechenschaftspflicht verloren gehen, birgt das grosse Risiken für die Firmen. Dazu gehören vor allem:

Buchhaltungsfehler

Beim manuellen Eintragen der Bestell- und Lieferantendaten in das zentrale Buchhaltungssystem können Flüchtigkeitsfehler unterlaufen. Dadurch entstehen schnell Zahlungs- und Abstimmungsprobleme.

Unzureichende ­Unternehmensdaten

Der Einkaufsleitung und den Budget­verantwortlichen fehlt der Überblick über die indirekten Bedarfe des Unternehmens, da nicht einheitlich dokumentiert wird, wer, was, wann und wo bestellt. Das verhindert eine saubere Analyse der getätigten Beschaffungen und die Definition von realistischen Kennzahlen.

Fehlende Transparenz beim Cashflow

Fehlt eine gründliche Daten-Analyse, kann das schlussendlich auch zu einer fehlerhaften oder unvollständigen Finanzberichterstattung und unerwarteten Cashflow-Schwierigkeiten führen.

Hohe Prozesskosten

Maverick Buying steht dem eigentlichen Ziel des Einkaufs im Weg: Kosten einzusparen. Denn unkontrolliertes Einkaufen verursacht Arbeit für die Buchhaltung und somit höhere Verwaltungskosten. Unternehmensweite Prozesse optimieren im Gegensatz dazu P2P- und indirekte ­Beschaffungsvorgänge.

Beeinträchtigung bestehender Lieferantenbeziehungen

Wird bei Wettbewerbern von bestehenden Lieferanten bestellt, schadet dies den Beziehungen zu oft langjährigen Lieferpartnern. Mit Ad-hoc-Lieferanten bestehen keine Rahmenverträge. Dies kann Schwachstellen bei der Produktbeschaffung, Lieferzeiten, Rücksendungen, Rück­erstattungen und Lieferkettenrisiken entstehen lassen.

Konflikte bei CSR- und ESG-Strategien

Die Einhaltung von CSR-Richtlinien und ESG-Strategien werden immer stärker vorausgesetzt. Stakeholder wie Investoren und Aufsichtsbehörden fordern resiliente Lieferketten, die Einhaltung von Nach­haltigkeitskriterien und gesetzlichen Vorschriften sowie die Wahrung von Menschenrechten und eine CO₂-Bericht­er­stattung. Unternehmen geraten unter Druck, hier Transparenz zu schaffen und die Praktiken ihrer Lieferanten zu kennen. Wenn willkürlich bestellt wird, wird Nachhaltigkeits-Reporting erschwert. Stattdessen ist es empfohlen, Lieferanten zu prüfen und diese bevorzugt zu be­auftragen.

Vernachlässigung von Compliance in der Unternehmenskultur

Einheitliche Beschaffungsprozesse und klar definierte Bestellrichtlinien fördern auch das Vertrauen in eine Compliance-konforme Unternehmungsführung (Corporate Governance) und fördern beim Mitarbeiter das Bewusstsein, dass nicht willkürlich auf Firmenkosten bestellt werden kann.

Anzeichen für Maverick Buying

Es gibt viele Gründe, Maverick Buying im Unternehmen einzudämmen und genauer hinzusehen, in welchen Unternehmensbereichen es am häufigsten auftritt.

Für Maverick Buying gibt es folgende ­Anzeichen:

  • Eine unüberschaubare Anzahl an Kreditoren
  • Doppelt angelegte Lieferanten, vielleicht sogar mit unterschiedlichen Adressen
  • Hohe Kosten, verursacht durch Auftragsbearbeitung, das Lieferanten­management oder durch das Interne ­Kontrollsystem (IKS)
  • Bestellungen von gleichen Produkten zu unterschiedlichen Preisen
  • Bestellen von Ware, obwohl diese noch ungenutzt im Lagerbestand vorhanden ist
  • Lieferzeiten, Produktdetails und Preise, die von ausgehandelten Rahmenvereinbarungen abweichen

Lösungen

Ist Maverick Buying einmal erkannt, lässt es sich mit den richtigen Methoden und Prozessen relativ einfach eindämmen und die Beschaffungskosten wieder unter Kontrolle bringen. So lässt sich Maverick Buying vermeiden:

  • Eine Compliance-konforme Beschaffungsstrategie und die davon abgeleiteten Beschaffungsrichtlinien werden klar kommuniziert: Welche Bestellgenehmigungen sind nötig, über welche Wege und von welchen Lieferanten darf bestellt werden?
  • Revision und Anpassung der bisherigen Beschaffungsprozesse. E-Procurement-Lösungen helfen hier, die Prozesse zu digitalisieren und zu managen. Trainings für alle Nutzer sind hier entscheidend.
  • Zentrale Vertragsverwaltung, um Vertragskonflikte zu vermeiden und um auch dezentralen Teams die gleichen Konditionen wie im Einkauf zu er­möglichen. Mit digitalen Beschaffungslösungen lassen sich Vertragsdetails leicht verwalten und Einsparungsziele erreichen.
  • Ein primäres Beschaffungssystem mit umfangreichen Produkten von geprüften Lieferanten. Finden die Mitarbeitenden hier alles, was für den Rand­bedarf benötigt ist, kaufen sie weniger über andere Wege von nicht überprüften Lieferanten.
  • Stetiges Monitoring der Ausgaben pro User oder Fachabteilung, um Nachjustierungen schnell möglich zu machen und die Auswahl an benötigten Produkten oder Lieferanten prozessgerecht ­erweitern zu können.

Digitale Beschaffungstools

Um die Transparenz über getätigte Ausgaben zu bewahren und datengesteuerte, effiziente Entscheidungen treffen zu können, helfen digitale Beschaffungssysteme und automatisierte Prozesse enorm. Mit E-Procurement-Tools lassen sich operative Einkäufe im Randbedarf leichter monitoren und Budgets planen. Mehr Zeit für strategische Einkaufsentscheidungen wird geschaffen. E-Procurement-Plattformen helfen, Kriterien wie zertifizierte Lieferanten und Nachhaltigkeit besser in den Einkaufsprozess integrieren zu können und dies im Reporting analysieren und auswerten zu können. Mit den steigenden Anforderungen an den Einkauf und die Unternehmensführung bedarf es digitaler Procurement-Lösungen, die diesen Anforderungen gerecht werden.

Porträt