Digitalisierung & Transformation

Leadership

KI versus Mensch – Wer die bessere Führungskraft ist

Was bedeutet die rasante Entwicklung künstlicher Intelligenz für die Unternehmensführung? Der Beitrag zeigt, welche Führungsaufgaben KI zukünftig übernehmen kann, wo KI eine wertvolle Entscheidungshilfe sein wird und welche Leadership-Tätigkeiten KI niemals ausführen können wird, egal, wie fortgeschritten sie sein mag.
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Die KI ist auf dem Vormarsch: Fireflies läuft automatisch während des Zoom-Calls mit und erstellt erstklassige Zusammenfassungen, D-ID generiert auf Knopfdruck aus Texten Videos mit «fiktiven» Menschen, die kaum von der Realität zu unterscheiden sind, und ChatGPT verfasst Essays, analysiert Finanzdaten, reagiert auf Kundenanfragen und hilft Studierenden beim Lernen. Was aber bedeuten diese Entwicklungen für Führungskräfte? Kommen jetzt die Robo-CEOs?

Bedrohliche KI

ChatGPT, das Tool des US-Unternehmens OpenAI, an dem unter anderem Microsoft beteiligt ist, macht die Möglichkeiten künstlicher Intelligenz mittlerweile auch schon für Nicht-Digitalexperten greifbar – und lässt erkennen, wohin die KI-Reise gehen könnte. Die jüngsten Beweise, wie weit  KI fortgeschritten ist, sorgen nicht nur für Schlagzeilen, sondern auch für Panik: Millionen Arbeitsplätze weltweit sollen durch den technologischen Schub gefährdet sein. Tatsächlich stehen gewisse Arbeitsbereiche – wie etwa repetitive Aufgaben, die leicht durch Algorithmen und Maschinen ersetzt werden können –  vor gravierenden Änderungen. Ein Aspekt wurde bisher aber eher ausgeklammert: Führungsaufgaben sind auf den ersten Blick kaum vom Vormarsch maschineller Intelligenz bedroht. Aber ist das wirklich so?

NetDragon Websoft, Hersteller von Online-Spielen mit Sitz in Hongkong, hat den menschlichen CEO einer Tochterfirma kurzerhand durch einen KI-Chef ersetzt. Der Maschinen-CEO trifft nun genau jene Entscheidungen, die angeblich nur Menschen treffen können – etwa, welche unternehmerischen Risiken eingegangen werden können und wie effiziente Arbeitsplätze gestaltet sein sollten. Die Ergebnisse können sich sehen lassen: Die Kennzahlen des Unternehmens haben sich im Vergleich zum Markt sehr gut entwickelt. Einzelfall oder Trend? Tatsächlich sind bestimmte Bereiche der klassischen Führungsarbeit dazu prädestiniert, KI zumindest in Teil­bereichen in Anspruch zu nehmen.

Was KI kann – und was nicht

Prinzipiell kann eine Maschine ureigene menschliche Fähigkeiten nicht ersetzen, sehr wohl aber gezielt unterstützen. So kann KI bei der Auswertung von Daten – im Speziellen grosser Datenmengen – und bei der strukturierten Vorbereitung von Entscheidungen zum Einsatz kommen. Kreativität und Einfühlungsvermögen aber sind zutiefst menschliche Eigenschaften, die auch für Führungskräfte weiterhin von Bedeutung sein werden. Wie könnte der Einsatz von KI bei unterschiedlichen Managementaufgaben konkret aussehen? Die Autorin hat diese Fragen anhand der wichtigsten Aufgaben von Führungskräften analysiert:

Strategie und Planung

Künstliche Intelligenz ist ein Tool – nicht mehr und nicht weniger. Die Auswertung von Daten durch KI, bei Bedarf auch innerhalb kurzer Zeit, kann die Grundlage strategischer Entscheidungen sein, die letztlich aber nur Menschen treffen könnten. Schliesslich umfasst die Strategie auch Werte, Visionen und Überzeugungen, die von der jeweiligen Organisation definiert und verfolgt werden müssen. 

Organisation

«In Bereichen, in denen Standardisierung und Optimierung nötig sind, kann KI viel Gutes tun. Maschinen können strukturiert arbeiten, haben jedoch dort Grenzen, wo es um Ideen, um Innovation, um das Denken ausserhalb der Norm geht. Es kommt in Unternehmen immer auch auf jene Kombination von Faktoren an, die Menschen entsprechen, beispielsweise Emotion und Verständnis für Be­ziehungen. Spontan auf ein geändertes Umfeld zu reagieren und Herausforderungen in Chancen umzuwandeln, das können Menschen besser. 

Kontrolle und Finanzen

In diesem Bereich bietet der Einsatz von KI vielfach Möglichkeiten, weil grosse, oftmals sperrige Daten ausgewertet werden müssen und wichtige Details in dieser Datenmenge verborgen sein könnten, die als Grundlage für Entscheidungen nicht selten entscheidend sind. Dennoch bleiben Erfahrung und menschliches Fingerspitzengefühl, um daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen, unersetzlich. Routinierte Wirtschaftsprüfer mit 30 Jahren Berufserfahrung erkennen oft mit ­einem Blick, wo es hapern könnte. 

Human Resources

Maschinen helfen hier schon seit längerem, etwa indem sie Lebensläufe und ­Motivationsschreiben nach bestimmten Schlagworten durchsuchen und eine ­Vorauswahl treffen beziehungsweise da­rüber entscheiden, wer in die nächste Runde kommt. Maschinen sind weniger voreingenommen als Menschen, was im Personalwesen durchaus ein Vorteil sein kann. Letzten Endes braucht es in diesem Bereich aber wiederum menschliche Entscheidungen, auch weil das Zwischenmenschliche, also die sprichwörtliche «Chemie» passen muss. Das oder wenn es um die Motivation von Mitarbeitern oder die Vermittlung der Vision des Unternehmens geht, ist nichts, was Ma­schinen überlassen werden kann.

Kommunikation

Die Vor- und Aufbereitung der Grundlagen für eine Entscheidung kann eine KI übernehmen, etwa die Analyse von Kundendaten. Doch die Kommunikation selbst muss von Führungskräften ausgehen. Transparente, verständliche Kommunikation und der aktive Umgang mit Feedback und (konstruktiver) Kritik sind nur von Menschen und nicht maschinell zu bewältigen. Überall dort, wo es um zwischenmenschliche Beziehungen, Vertrauen, oder Wertschätzung geht, werden Menschen unersetzlich bleiben. Denken Sie etwa an Mitarbeiter- oder Verkaufsgespräche. 

In Ausnahmesituationen

Pandemie, Wirtschaftskrise oder Krieg: Auch in Krisenlagen wird die KI ein Tool bleiben, das unter anderem früh vor etwaigen Gefahren warnen kann. Doch welche Schlüsse daraus gezogen werden und wie die Krisenkommunikation abläuft – das bleibt Führungskräften aus Fleisch und Blut vorbehalten. 

Manchmal braucht es eine paradoxe Intervention, also eine Entscheidung, die genau das Gegenteil von dem ist, was normalerweise in einer derartigen Situation zur Anwendung kommt – einfach um die Scheuklappen des täglichen Lebens abzulegen und wieder bereit für Neues zu sein. Erklären Sie mir bitte, wie das eine KI bewerkstelligen soll. Generell sollten Führungskräfte – wie im übrigen Arbeitskräfte oder Studierende auch – sich auf das konzentrieren, was Maschinen eben nicht können: Empathie, Einfühlungsvermögen, kritisches Denken oder soziales Verständnis. 

Europas Chance

Furcht vor der KI ist nicht angebracht. Schon bei der Einführung von Computern war es ähnlich. Es gibt keinen Weg zurück, nun geht es um den sinnvollen Einsatz und die Gestaltung nach eigenen (menschlichen) Wünschen. Wir haben als Menschen so viele Aspekte, die uns gegenüber Maschinen überlegen machen.
 
Ein weiterer Aspekt: Der zukünftige Einsatz von KI spielt für Europa eine grosse Rolle. Europa könnte auf diesem Feld einen differenzierten Zugang finden und sich dabei von den USA und China abheben. Nicht die «the winner takes it all»-Mentalität und nicht den völligen Überwachungsstaat, sondern die Mitarbeiter ins Zentrum stellen: für eine Technologie, die dem Menschen dient, und nicht umgekehrt. Stichwort Digitaler Humanismus oder Corporate Digital Responsibility, wie dieser europäische Ansatz auch genannt wird. Wir wollen neue Technologien nutzen und zugleich unseren ­Werten folgen. Und genau hier kommt menschlichen Führungskräften eine zentrale Rolle zu.

Porträt