Strategie & Management

Unternehmenskultur

Willen zur Potenzialentfaltung als Leitlinie verankern

Vieles wird in Unternehmensgrundsätzen geregelt und in der Unternehmensphilosophie festgehalten. Was jedoch oft zu kurz kommt, ist das konsequente Bekenntnis zum Aus- und Aufbau der Mitarbeiterpotenziale. Der Beitrag zeigt, warum gerade das jedoch zu einer führungsintelligenten Unternehmensleitung gehört.
PDF Kaufen

In digitalen Zeiten scheint der Algorithmus oft wichtiger zu sein als der Mensch. Der «menschliche Faktor» kommt häufig zu kurz. Dass es auch anders geht, soll ein fiktives Beispiel verdeutlichen: Die Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens aus dem Versicherungsbereich mit sehr hohem Digitalisierungsgrad betonen explizit die Bedeutung der Mitarbeiterpotenziale jener Mitarbeiter, die sich für die Firma engagieren – diese sollen darum auf jeden Fall weiterentwickelt werden. Die Geschäftsführer stellen unmissverständlich klar: Wenn wir unsere Unternehmensziele erreichen wollen, brauchen wir die Kompetenzen und das Engagement unserer Mitarbeiter. Das zeugt von Führungsintelligenz.


Der strategische Leitsatz

Der Massstab für führungsintelligentes Verhalten ist, ob die Handlungen und Entscheidungen einer Führungspersönlichkeit einen Beitrag zur Verwirklichung der Unternehmensziele leisten (siehe «KMU-Magazin», Ausgabe 5/2018, S. 10 ff.: Der Weg zur führungsintelligenten Führungspersönlichkeit). Eine Führungskraft kann noch so zweckgerichtet, vernünftig und zielorientiert agieren – wenn ihre Führungsarbeit keinen nachweisbaren Beitrag zur Erreichung der Unternehmens­ziele leistet, handelt sie nicht füh­rungs­intelligent. Die Geschäftsführer jenes mittelständischen Unternehmens gehen mithin konsequent führungsintelligent vor, wenn sie die Entwicklung der Mitarbeiterpotenziale in einen Kontext stellen mit den Unternehmenszielen und dies auch in der Unternehmensphilosophie zum Ausdruck bringen. Elementarer Bestandteil der Unternehmensphilosophie ist der «strategische Leitsatz», in dem unternehmerische Vision, Ziele und Potenzialentwicklung zu einer Kernbotschaft komprimiert werden. Dieser liest sich so: «Als überregionaler Marktführer bieten wir unseren Kunden einen umfassenden Versicherungsschutz und begeistern sie durch Freundlichkeit und Fachkompetenz im professionell geführten Kundengespräch. Damit unsere Mitarbeiter dies leisten können, sehen wir es als unsere Pflicht und Verantwortung an, sie insbesondere bei dem Aufbau und der Entwicklung derjenigen Kompetenzen zu unterstützen, die sie benötigen, um ihre Aufgaben bestmöglich zu erfüllen!»


Die Unternehmensphilosophie

In der Unternehmensphilosophie kommt das Selbstverständnis eines Unternehmens zum Ausdruck. Hier wird definiert, welche Überzeugungen, Normen und Werte die Beziehungen zum Markt, zum Kunden, zu Partnern und Lieferanten bestimmen. Die Unternehmensphilosophie weist eine Orientierungs- und Ordnungsfunktion für alle Führungskräfte und Mitarbeiter auf, weil sie verschiedene Tätigkeiten unter einem Aspekt versammelt. Sie wirkt wie ein Polar- und Leitstern, an dem sich alle unternehmerischen Akti­vitäten ausrichten können. Darum ist zu empfehlen, die Unternehmensphilosophie schriftlich auszuformulieren und an zentraler Stelle für alle Mitarbeiter zugänglich zu machen. Was hier schwarz auf weiss beschrieben und festgehalten wird, gewinnt einen hohen Grad an Verbindlichkeit. Sie darf keine Angelegenheit «derer da oben» sein und bleiben, sondern sollte an alle Führungskräfte und Mitarbeiter kommuniziert werden. Dann können die dort thematisierten Inhalte eine enorme Sogwirkung entfalten – in unserem Beispiel besteht eine bedeutsame Folge in der Fokussierung auf die Entfaltung der Mitarbeiterpotenziale.


Für jeden zugänglich

Appelle an die Führungskräfte, sich wieder mehr um die Entwicklung der Mitarbeiterpotenziale zu bemühen, verhallen in vielen Unternehmen und gehen unter.So sind sie irgendwann überhaupt nicht mehr zu vernehmen. Darum sollte weiter oben angesetzt werden. Unternehmen, die den Willen zur Potenzialentwicklung in ihren Leitsätzen und der Unternehmensphilosophie festschreiben und verankern, leisten einen essenziellen Betrag zur Motivation der Mitar­beiter, die sich so auch ernst genommen fühlen. Eine solche Vorgehensweise nutzt natürlich auch der Geschäftsleitung  und dem Unternehmen insgesamt. Denn die brach-liegenden oder nur zum Teil entwickelten Mitarbeiter­potenziale, die nun durch Weiterbildungen wie zum Beispiel Ent­wicklungs­programme, Schulungen, Trainings und Coa­chings gefördert werden, sind genau diejenigen, die zur Erreichung der Unternehmensziele beitragen – beachten Sie  den strategischen Leitsatz.

Der Kunde im Fokus

Machen wir es konkret und legen das Versicherungsunternehmen unter die detaillierte Potenzialentfaltungs-Lupe: Der strategische Leitsatz fungiert wie eine Handlungsanleitung. Das Unternehmen will tolle Produkte bieten, eben optimalen Versicherungsschutz. Zugleich schreiben sich die Verantwortlichen die Kundenorientierung auf die Fahnen – es geht der Geschäftsleitung darum, auf möglichst allen Ebenen positive Kundener­fahrungen zu kreieren, dazu sind kompetente und freundliche Mitarbeiter nötig. Was jedoch genau heisst «Freundlichkeit und professionelle Fachkompetenz» in der Wahrnehmung der Kunden? Die Geschäftsleitung führt eine Kun­den­analyse durch, dazu kommt eine Kundenbefragung, um die Begriffe «Freundlichkeit» und «professionelle Fach­kompetenz» auszudifferenzieren und mit Leben zu füllen: Wann fühlen sich die Kunden freundlich beraten und bedient und wann vergeben sie bei der Bewertung der Fachkompetenz eines Beraters oder eines Verkäufers Bestnoten? Insbesondere die Befragung führt zu einem Katalog der aus Kundensicht elementar notwendigen Fähigkeiten. Nehmen wir an, den Kunden ist es wichtig, belegbare Infos zum Nutzen zu erhalten, sie wollen durch den Erwerb eines Ver­sicherungsproduktes Sicherheit «kaufen», sie wollen nichts «aufgeschwatzt» bekommen und sie stellen die Anforderung, nach dem Abschluss und Kauf kontinuierlich darüber aufgeklärt zu werden, ob ihre Versicherungen den Rahmenbedingungen angepasst werden müssen.


Kompetenzlücken schliessen

In einem nächsten Schritt wird aufseiten der Mitarbeiter der Ist-Zustand dieser Kompetenzen analysiert, und zwar Mit­arbeiter für Mitarbeiter. Das Ergebnis: 
Bei dem einen hapert es vielleicht an der Vorteils- und Nutzenargumentation, der andere hat Probleme, das individuelle Werte- und Emotionssystem des Kunden festzustellen und sein Beratungsgespräch darauf abzustellen. Der dritte Mitarbeiter redet zu viel (am Kunden vorbei), der Kollege schliesslich hat Schwierigkeiten im After-Sales-Prozess und bei der Nachbetreuung.  Und jetzt werden – am besten im Gespräch und im Commitment mit den einzelnen Mitarbeitern – zielgenaue Weiterbildungsaktivitäten und -massnahmen festgelegt, die den Beratern und Verkäufern helfen, versteckte Potenzialschätze zu heben und zu entwickeln, Schwächen abzumildern und Stärken auszubauen. Die Konsequenz: Das gesamte Unternehmen ist auf die Entwicklung genau der Kompetenzen ausgerichtet, die aus Kundensicht von höchster Relevanz sind. Und die Mitarbeiter werden beim Auf- und Ausbau der Fähigkeiten unterstützt, die sie benötigen, um Kunden zufrieden zustellen und glücklich zu machen. Was wollen sie mehr?


Potenzialbewusstsein wichtig

Die Übereinstimmung zwischen Anforderungs- und Qualifikationsprofil spielt für die allgemeine Mitarbeiterzufriedenheit eine  durchaus grössere Rolle als das Gehalt und andere monetäre Aspekte – dies zeigen und belegen Umfragen und Studien. Demnach ist ein inhaltlich spannender Job, der sich in einem netten Team erfolgreich bewältigen lässt, den meisten Arbeitnehmern wichtiger als die Bezahlung. Das beschriebene Vorgehen trägt zur Arbeitszufriedenheit bei – und eine höhere Arbeitszufriedenheit wirkt sich eher selten schädlich auf die Produk­ti­vität aus. Letztendlich benötigen wir ein neues Potenzialbewusstsein. Eines der grössten unternehmerischen «Verbrechen» ist die Verschwendung oder Zer­störung von Mitarbeiterpotenzialen. Es liegt so also in der Verantwortung führungsintelligenter Persönlichkeiten­, sich der aktiven Entwicklung aller Mitarbeiterpotenziale zu widmen, die der Erreichung der Unternehmensziele und dem «Wachstum» des Mitarbeiters dienen.

Porträt