Strategie & Management

Führungskräfteentwicklung

Wie Unternehmen zeitgemässe Konzepte entwickeln

Die Erkenntnis, dass Führungskräfteentwicklung dem digitalen Zeitalter anzupassen ist, reift zunehmend in den Unternehmen. Deshalb überdenken zurzeit viele ihre Führungskräfteentwicklungsprogramme und gestalten diese neu.
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Vielen Unternehmen wird zunehmend bewusst, dass sie ihre Führungskräfte mit System weiterentwickeln müssen, weil sie sonst zum Beispiel den Prozess der digitalen Transformation nicht werden meistern können. Denn anders als oft gedacht  verliert Führung in der von rascher Veränderung und sinkender Planbarkeit geprägten Vuka-Welt nicht an Bedeutung. Im Gegenteil, Führung wird immer wichtiger, da sonst den Mitarbeitern der erforderliche Halt und die nötige Orientierung fehlen, die sie auch bei einem weitgehend selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Arbeiten brauchen.

Neue Führung, neue Konzepte

Zugleich muss sich Führung ändern. Auch dies wird den Unternehmen immer stärker bewusst. Sie sollte unter anderem agiler und flexibler, personen- und teamorientierter, zukunftsorientierter und offener für Veränderungen sowie motivierender und inspirierender sein.

Um diese Anforderungen zu erfüllen, benötigen die Führungskräfte zum Teil neue Kompetenzen. Zudem setzen sie bei ihnen eine hohe Verhaltensflexibilität, eine selbstreflexive Haltung sowie eine hohe Veränderungs- und auch Lernbereitschaft voraus. 

Sowohl die hierfür erforderliche Einstellung als auch die nötigen Kompetenzen wurden den Führungskräften und Führungsnachwuchskräften in den klassischen Entwicklungsprogrammen der Unternehmen nur bedingt vermittelt. Deshalb überdenken zurzeit viele Unternehmen ihre Führungskräfteentwicklungsprogram­me oder entwickeln neue, sofern sie ihre alten bereits auf Eis gelegt hatten. 

Dies ist auch aus folgendem Grund nötig: Die moderne Informations- und Kom­munikationstechnik ermöglicht andere Lern-Architekturen als die der tradierten Entwicklungsprogramme. Letztere bestanden oft primär aus einer vorab definierten Abfolge von Präsenzseminaren, auf die jeweils eine Transferphase im Betriebs- und Führungsalltag folgte.

Digitalkompetenz gefragt

Ein solches Design wird heute weder dem Bedarf der Unternehmen noch den Erwartungen der Programmteilnehmer gerecht. Denn bei ihnen handelt es sich inzwischen meist um Digital Natives, die die moderne Informations- und Kommunikationstechnik nicht nur privat, sondern auch beruflich ganz selbstverständlich nutzen, zum Beispiel im Rahmen der Projektarbeit. Also erwarten sie auch, dass diese Technik in den ihnen offerierten Entwicklungsprogrammen genutzt wird, soweit dies zielführend und effektiv ist. 

Solche zeitgemässen Entwicklungsprogramme zu entwerfen, fällt den Personalentwicklern in den Unternehmen zum Teil noch schwer – unter anderem, weil ihnen nicht selten die hierfür nötige Digitalkompetenz fehlt. Das heisst, sie können, weil ihnen das erforderliche Digital-Know-how und IT-technische Verständnis partiell fehlen, oft nur bedingt einschätzen,

  • wohin die technologische Reise (im Unternehmen) geht und
  • welche Lern-Architekturen aktuell (beziehungsweise in naher Zukunft voraussichtlich) bereits möglich und sinnvoll wären.

Deshalb sind sie beim Entwickeln zukunftsweisender (Fürhungskräfte-)Ent-wicklungsprogramme auf eine professionelle Unterstützung durch den IT-Bereich ihres Unternehmens oder externe Berater angewiesen. Dies erschwert es ihnen, ihre Funktion als Mitgestalter des digitalen Transformationsprozesses professionell wahrzunehmen.

Ziele definieren 

Beim Planen und Gestalten moderner, zeitgemässer Führungskräfteentwicklungsprogramme sowie deren Realisierung empfiehlt sich ein mehrstufiges Vorgehen. Der erste Schritt sollten zum Beispiel crossfunktionale und hierarchieübergreifende Workshops sein, in denen die Personal­entwickler – im Dialog mit  ihren firmen­internen Kunden und Auftraggebern – 

  • ein gemeinsames Verständnis der Grund­prinzipien von Führung im di­gitalen Zeitalter entwickeln und 
  • ein Bewusstsein für den hieraus resultierenden Changebedarf auf der Unternehmens- und Führungskultur­ebene schaffen.

Hierfür aufbauend kann ein gemeinsames Grundverständnis für den Changebedarf im HR-Bereich entwickelt werden. 

Auf dieser Basis kann dann wiederum eine Verständigung darüber erfolgen, was die Kernfunktionen einer modernen Führungskräfteentwicklung sind. Das Ergebnis kann lauten: 

  • Den (angehenden) Führungskräften sollen die Schlüsselkompetenzen vermittelt werden, die sie zum Führen im digitalen Zeitalter brauchen, beziehungsweise diese sollen weiter ausgebaut werden.
  • Sie sollen mit den Führungsinstrumenten und -methoden vertraut gemacht werden, die sie zum Führen künftig brauchen. Und:
  • Bei ihnen sollen die Verhaltenssicherheit und Verhaltensflexibilität entstehen, die sie in der Vuka-Welt zum Wahrnehmen der verschiedenen Führungsrollen wie Manager sein, Leader sein, Befähiger und Ermächtiger sein im Betriebs- und Führungsalltag brauchen.

Notwendige Einigkeit 

Ein wichtiges Ziel darf hierbei keinesfalls vergessen werden: In der Organisation für das nötige Alignment in der Führungsmannschaft sorgen; also dafür, dass zwischen den Führungskräften bereichs- und hierarchieübergreifend eine weitgehende Übereinkunft besteht bezüglich 

  • der Werte sowie des Menschenbilds, von dem sie sich beim Führen leiten lassen, sowie 
  • der Ziele, die sie hierbei verfolgen

und zwar unabhängig von ihrer Persönlichkeit und ihres auch aufgrund ihrer Funktion in der Organisation teils unterschiedlichen Führungsstils. Ein solches Agreement ist nötig. Sonst wird das Führungshandeln beliebig und in dem Unternehmen entsteht keine gemeinsame Führungskultur. 

Entwicklungsbedarf ermitteln 

Sind die Entwicklungsziele ermittelt, gilt es im zweiten Schritt den Entwicklungsbedarf auf der Ebene des Gesamtunternehmens und auf der Bereichsebene zu bestimmen. Dieser Soll-Ist-Vergleich kann auf verschiedene Weise erfolgen. Nicht selten werden hierfür strukturierte Interviews mit den Führungskräften auf der mittleren und oberen Führungsebene durchgeführt. 

Hierdurch gelangt man zwar oft zu recht validen Ergebnissen. Trotzdem empfiehlt sich beim Ermitteln des Entwicklungsbedarfs in der Regel ein Vorgehen, das auch die Führungskräfte auf der operativen Ebene und zumindest ausgewählte Mitarbeiter integriert. Aus mehreren Gründen: Zum einen erhalten dann die Führungskräfte auch ein Feedback von den ihnen nachgelagerten Ebenen über ihren Führungsstil und ihr Führungsverhalten. Das schärft ihre Sensibilität für den eigenen Changebedarf. Zum anderen gilt es, wenn das angestrebte Ziel zum Beispiel lautet «Die Mitarbeiter sollen eigenverantwortlicher arbeiten und ihre Führungskräfte sollen sich stärker als ihre Befähiger und Ermächtiger verstehen», auch an die Mitarbeiter das Signal zu senden: «Uns werden mehr Mitsprache- und Gestaltungsmöglichkeiten eingeräumt.»

Zukunftweisend soll es sein

Sind die Entwicklungsziele und der Entwicklungsbedarf bekannt, kann das Grob­konzept des künftigen Führungskräfteentwicklungsprogramms entwickelt werden. Dieses sollte sich im digi­talen Zeitalter unter anderem durch folgende Faktoren auszeichnen: 

  • Die moderne Informations- und Kommunikationstechnik wird gezielt genutzt, um die Entwicklungsprogramme effektiv und zielführend zu gestalten. Und: 
  • Online- und Präsenzlernen werden zielorientiert so verknüpft, dass sie sozusagen eine Einheit bilden.

Dabei gilt es in der von rascher Veränderung und sinkender Planbarkeit geprägten Vuka-Welt jedoch zu beachten: Die so entwickelten Programme dürfen keine statischen sein, da zum Beispiel die Antwort auf die Frage, inwieweit eine bestimmte Form des Lernens zielführend ist, auch vom jeweiligen Stand der Technik und von den Rahmenbedingungen abhängt. Deshalb gilt es die Frage, welcher Mix zielführend ist, stets neu zu beantworten.

Moderne Programmelemente

Dessen ungeachtet zeichnen sich moderne Führungskräfteentwicklungsprogramme in der Regel dadurch aus, dass sie folgende Elemente miteinander verbinden:

  • Kollektive Qualifizierung (zum Beispiel in Seminaren, Trainings, Webinaren; mittels Lernplattformen): Ziel dieser Massnahmen ist es, den Teilnehmern die Skills zu vermitteln, die sie zum Führen im digitalen Zeitalter brauchen; und ausserdem durch das gemeinsame Lernen dafür zu sorgen, dass das nötige Alignment entsteht.
  • Individuelle Qualifizierung (zum Beispiel mittels Coaching, Mentoring): Ziel dieser Massnahmen ist es, bei den Teilnehmern die Verhaltenssicherheit und -flexibilität zu erzeugen, die sie zum Wahrnehmen ihrer Führungsfunktion brauchen, und ihr Selbstbewusstsein als Führungskraft zu stärken.
  • Transferunterstützende Massnahmen (zum Beispiel Teamcoaching, Erfahrungsaustausch): Ziel dieser Massnahmen ist es, dass die Teilnehmer tatsächlich das gewünschte Führungsverhalten zeigen und im Unternehmen eine Führungskultur entsteht, die den Erfor­dernissen des digitalen Zeitalters entspricht.
  • On-the-job-Lernen: Ziel dieser Massnahmen ist es, die neuen Führungskompetenzen systematisch auszubauen und zur Routine werden zu lassen.

Dabei variiert der Umfang der indi­viduellen und kollektiven Förder- und Unterstützungsmassnahmen auf den verschiedenen Führungsebenen in der Regel. Bei den Führungsnachwuchskräften, denen noch das Basis-Handwerkszeug in 
Sachen Führung ver­mittelt werden muss, dominieren ent­­sprechend oftmals die kollektiven Entwicklungsmassnahmen. 

Je erfahrener die Führungskräfte sind und je exponierter ihre (Führungs-)Position ist, umso individueller auf ihren persönlichen Bedarf zugeschnittener werden in der Regel die Förder- und Unterstützungsmassnahmen. 

Ein Kick-off als Startpunkt

Steht das Führungskräfteentwicklungsprogramm, empfiehlt es sich, dieses in
einer Kick-off-Veranstaltung allen Führungskräften zu präsentieren und zu erläutern. Ziel dieser Massnahme ist es,

  •  einen emotionalen und inhaltlichen Startpunkt für das Führungskräfteentwicklungsprogramm zu schaffen und 
  • bei den Teilnehmern ein gemeinsames Grundverständnis von Führung im digitalen Zeitalter sowie ein Bewusstsein für die Notwendigkeit einer Veränderung zu erzeugen.

Dies gelingt am ehesten, indem die Topmanager in dem Kick-off noch einmal an alle Führungskräfte – möglichst illustriert an Beispielen aus dem Unternehmens- und Führungsalltag – folgende Botschaften senden:

  • «Führung wird im digitalen Zeitalter immer wichtiger.»
  • «Ohne eure Unterstützung, geschätzte Führungskräfte, können wir als Unternehmen unsere Ziele nicht erreichen.» Und:
  • «Führung muss sich im digitalen Zeitalter verändern beziehungsweise weiterentwickeln.» 

Entwicklungspfade aufzeigen

Dies allein genügt jedoch meist nicht, um bei den Führungskräften das nötige Betroffensein und die erforderliche Veränderungsenergie zu erzeugen. Deshalb empfiehlt es sich, unmittelbar vor dem Kick-off oder im Anschluss an diesen mit allen Führungskräften mit einem Kompetenzanalyse-Tool wie dem «LEADT» des IFIDZ eine Selbstreflexion durchzuführen hinsichtlich ihres individuellen Entwicklungsbedarfs. Ziel dieser Massnahme ist eine individuelle Standort­bestimmung der Führungskräfte unter anderem im Hinblick auf ihre digital ­orientierte Führungsreife; ausserdem ihnen (Lern-)Impulse für ihre individuelle Entwicklung zu geben. Hierauf aufbauend können dann zum Beispiel ihre Führungskräfte mit ihnen individuelle Lern- und Entwicklungsvereinbarungen treffen, die sowohl dem Bedarf der Führungskräfte als auch dem Bedarf des Unternehmens und dessen Entwicklungszielen entsprechen. 

Dabei gilt es jedoch zu beachten: Diese Vereinbarungen haben in der Vuka-Welt stets nur einen vorläufigen Charakter, basierend auf dem aktuellen gemeinsamen Erkenntnisstand. Entsprechend wichtig ist es, dass die Führungskräfte mit ihren Mitarbeitern im Gespräch bleiben, um die Vereinbarungen im Bedarfsfall zu modifizieren oder neu zu justieren.

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