Strategie & Management

Corporate Sustainability

Wie Schweizer Unternehmen mit Nachhaltigkeit umgehen

Das Thema Nachhaltigkeit bewegt die Wirtschaft. Erkenntnisse darüber, wie KMU damit umgehen, sind bislang nicht erfasst. Gehört Nachhaltigkeit bereits zum grundlegenden Verständnis des Schweizer Unternehmertums oder stehen die Unternehmen noch vor gros­sen Herausforderungen? Die «Swiss Coporate Sustainability Survey 2012» gibt Antwort.
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Diverse Studien zur globalen Verbreitung von Corporate-Responsibility-Aktivitäten haben ergeben, dass vor allem Grossunternehmen immer mehr Verantwortung für die langfristigen Folgen ihrer Aktivitäten wahrnehmen möchten. Schon alleine aus Angst, ihre Reputation zu beschädigen, haben sie mehr oder weniger ernsthaft ihre Produkte, Produktion, Einkauf und Verkauf auf nachhaltige Unternehmensverantwortung umgestellt.

Wie aber haben sich nun schweizerische Unternehmen dieser Herausforderung gestellt? Darauf gibt die vorliegende Studie eine Antwort. Sie basiert auf einer differenzierten Umfrage und schliesst damit eine Lücke. Denn bis heute steht die Schweiz im internationalen Vergleich zwar als Vorreiter für ökologische Politik, wie weit aber vor allem auch ihre kleinen und mittleren Unternehmen tatsächlich Nachhaltigkeit in ihrem Leitbild fordern und umsetzen, war bisher nicht bekannt.

Die erstmals von der ZHAW School of Management and Law durchgeführte Studie «Swiss Corporate Sustainability Survey 2012» gibt Einblicke in Schweizer Unternehmen und deren Nachhaltigkeitsaktivitäten. Ziel der Studie ist, einen für die Schweiz charakteristischen Überblick über den Status quo zum Umgang von Unternehmen mit den Themen der Nachhaltigkeit zu bekommen. Dabei geht es um die Fragen, welche Themen wie aktiv bearbeitet werden, wie systematisch Unternehmen dabei vorgehen und welche Trends sie sehen.

So schätzen von 511 Entscheidungsträgern, die sich an der Umfrage beteiligten, mehr als die Hälfte die Leistung des eigenen Unternehmens zu Nachhaltigkeitsthemen im Vergleich zum Branchendurchschnitt als überdurchschnittlich ein. Neuere Instrumente wie die GRI unterscheiden zu Nachhaltigkeit drei Themengruppen – wirtschaftliche, ökologische und soziale Themen. Trotzdem verbinden Schweizer Unternehmen den Begriff Nachhaltigkeit mehrheitlich nur mit ökologischen Themen. Soziale und wirtschaftliche Aspekte stehen weniger im Vordergrund. Hingegen sind Assoziationen wie Zukunftsorientierung und Langfristigkeit weitverbreitet.

Wie die Befragung zeigt, ist Nachhaltigkeit im Unternehmen keine One-Man-Show. Das Thema ist zwar klar auf Geschäftleitungsebene angesiedelt (siehe Grafik auf Seite 26), das Ergebnis zur Gesamtverantwortung zeigt aber auch, dass bei rund zwei Drittel der befragten Unternehmen Nachhaltigkeit im Unternehmen bei einer oder mehreren Personen angesiedelt ist. Denn hier müssen die strategischen Vorgaben gemacht werden.

Die Mitarbeitenden sind aber letztendlich diejenigen, die den Gedanken tragen müssen. Durch Einbindung in Projekte und aber auch durch Feedbackstrukturen können Mitarbeitende in den Veränderungsprozess integriert werden. «Mitarbeiterintegration ist der Schlüssel, um den Nachhaltigkeitsgedanken im Tagesgeschäft zu etablieren und eine nachhaltige Unternehmenskultur zu schaffen», sagt dazu beispielsweise Günther Kscheschinski, COO der Maestrani Schweizer Schokoladen AG.

Kunde im Mittelpunkt

Die Stärkung des Kundenvertrauens und der Kundenbindung sind die meistgenannten Triebfedern für Unternehmen (51,7%), sich mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen. Dass Kundenbindung bei den Schweizer Unternehmen grundsätzlich ein Thema ist, bestätigt auch die Studie «Swiss CRM 2012». Themen, die sich auf stärkere Kundenbindung und bessere Ausschöpfung von Kundenpotenzialen sowie Kundenwertmanagement beziehen, liegen demnach im Trend. Weitere Gründe sind der Erhalt und die Verbesserung der Unternehmensreputation (45,0 %) sowie die Konformität mit den Unternehmenszielen (37,8 %). Der Druck seitens der Konsumenten scheint ebenfalls spürbar zu sein, denn die Befriedigung der Kundenbedürfnisse wird mit 31,1 Prozent als Hauptgrund angegeben. Das Interesse von Investoren ist für die wenigsten Unternehmen ausschlaggebend für eine nachhaltige Unternehmensausrichtung (2,5 %). Die Bedeutung der Kundensicht (Kundenbindung und Vertrauensgewinn) und der Reputation implizieren eine gewisse Orientierung nach aussen, die sich vorweggenommen auch in den Nennungen zu den eingesetzten Kommunikationskanälen wiederfindet. Kundengespräche stehen hier im Vordergrund.

Langfristige und gesellschaftliche Motive wie die Verantwortung gegenüber nachfolgenden Generationen oder Gründe der Unternehmenssicherung folgen erst auf unteren Rängen. Auch die Antwortkategorie «Andere» beinhaltet keine offen genannten Beweggründe, die in Zusammenhang mit langfristigen globalen Herausforderungen wie zum Beispiel Klimawandel oder Energiekrisen stehen. Die Schweizer Unternehmen sind mit diesen Antworten nicht alleine. Aus der Studie von Accenture (2012), an der 766 CEOs aus 100 Ländern teilgenommen haben, geht hervor, dass 72 Prozent «Brand, trust and reputation» als Treiber für Nachhaltigkeitsaktivitäten nennen. Es ist an der Zeit, den Gedanken abzulegen, dass «grün» schlecht für das Geschäft ist.

Entgegen der erwähnten starken Kundenorientierung stehen die Mitarbeiter als relevante Anspruchsgruppen (Stakeholder) an erster Stelle, gefolgt von den Lieferanten. Die Interaktion dieser Stakeholder in Zusammenhang mit der Umsetzung von Nachhaltigkeitsthemen ist noch wenig etabliert. Auch Netzwerkaktivitäten sind wenig ausgeprägt. Nach Meinung von Experten ist die dort festgestellte Zurückhaltung insbesondere bei KMU auf die begrenzten zeitlichen und finanziellen Ressourcen zurückzuführen.

Für rund die Hälfte der Unternehmen sind Nachhaltigkeitsthemen in ihrer Gesamtheit Gegenstand eines systematischen Managementansatzes entlang der typischen Phasen Orientierung, Planung, Umsetzung und Überprüfung. Managementele -mente von «Stakeholder und Nachhaltigkeitsthemen identifizieren» über «Strategien zu Nachhaltigkeitsthemen entwickeln» bis zu «Leistung zu Nachhaltigkeitsthemen bewerten» sind zu 45 % bis 60 Prozent weitgehend («Trifft eher zu») oder vollständig («Trifft zu») umgesetzt. Lediglich etwa ein Drittel definiert Richtlinien für den Umgang mit wichtigen Stakeholdern oder interagiert mit ihnen in Bezug auf gemeinsame Zielsetzungen.

Bei der Strategieentwicklung zeigt sich, dass rund die Hälfte der Unternehmen Strategien zu Nachhaltigkeitsthemen analysiert und bewertet (45,9 %), definiert (50,0 %) und diese im Verlauf der Zeit anpasst und weiterentwickelt (54,0%). Ein ähnliches Antwortmuster (in Bezug auf die Mittelwerte) lässt sich bei der konkreten Planung der Strategieumsetzung erkennen. Etwas mehr als die Hälfte der Unternehmen (51,6 %) definiert operative Ziele, plant entsprechende Massnahmen (51,3 %) und definiert Kennzahlen zur Messung der Nachhaltigkeitsziele (48,3 %).

Nur sehr wenige Unternehmen sind Mitglied in formellen Netzwerken oder Verbänden mit Bezug zu Nachhaltigkeitsthemen. 74,4 Prozent geben an, keinem Verband oder Netzwerk anzugehören. Die qualitative Inhaltsanalyse der Antwortmöglichkeit «Andere» zeigt vor allem sehr branchenspezifische Verbände. Darunter zum Beispiel explizite Nennungen wie «Branchenverband», «Schweizerisch-Liechtensteinischer Gebäudetechnikverband», «Fachverein für die Spitalingenieure» oder «Holzbau Schweiz». Den Erfahrungsaustausch zu Umwelt-, Sozial­und Managementthemen suchen 3,7 % der Unternehmen im Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften (Öbu).

Der grosse Anteil an Unternehmen ohne entsprechende Mitgliedschaften könnte sich einerseits mit der Grösse des befragten Unternehmens und anderseits durch die damit verbundenen, teilweise hohen Kosten der Mitgliedschaft erklären lassen. Kleinere Unternehmen sind innerhalb ihrer Branche zudem meist schon gut vernetzt. Gerade der Aufbau von Netzwerken und Unternehmenskooperationen ist ein zentraler, interaktiver Aspekt für nachhaltigkeitsorientierte Innovationsprozesse. Der Erfahrungsaustausch und die damit entstehenden Synergieeffekte sind die treibende Kraft für einen auf Nachhaltig­keit und Zukunftsfähigkeit abzielenden Strukturwandel.

Dass sich die Unternehmen im Austausch mit der Aussenwelt zurückhalten, zeigt sich auch in Zusammenhang mit anderen Ergebnissen wie zum Beispiel bei der eher wenig verbreiteten Stakeholder-Interaktion. Erfolgreiche Unternehmen mit sozial verantwortlichen Führungspersönlichkeiten denken in Stakeholdernetzwerken. Dabei geht es darum, dass alle, die an einem Prozess beteiligt sind, einen Beitrag leisten und so für das gesamte Netzwerk auf der ganzen Wertschöpfungskette ein Vorteil entsteht. Durch diese gute Etablierung aller im Netzwerk können gerade KMU erfolgreich sein, weil sie sich auf die Unterstützung ihres Netzwerks verlassen können.

Auf die Frage, ob strengere gesetzliche Vorschriften zu Nachhaltigkeitsthemen zu befürworten oder abzulehnen seien, standen jeweils fünf befürwortende und fünf ablehnende Begründungen zur Auswahl (Mehrfachauswahl möglich). Insgesamt fanden die befürwortenden Begründungen doppelt so viel Zustimmung wie die ablehnenden. Dieses Verdikt kommt doch einigermassen überraschend und könnte all jenen Verbänden und Lobbyorganisationen zu denken geben, die sich regelmässig im Namen der Wirtschaft gegen strengere Umwelt- oder Sozialgesetze starkmachen. Noch deutlicher fällt bei gleicher Fragestruktur die Haltung gegenüber freiwilligen Standards aus. Die befürwortenden Äusserungen wurden fast vier Mal so häufig gewählt wie die ablehnenden.

Interessanterweise befürworten Unternehmen, die ihre eigene Nachhaltigkeitsleistung als unterdurchschnittlich einschätzen, strengere gesetzliche Vorschriften tendenziell mehr als diejenigen, die sich im oder über dem Durchschnitt sehen. Die grösste Zustimmung im Zusammenhang mit gesetzlichen Vorschriften findet die Aussage, dass strengere gesetzliche Vorschriften zu Nachhaltigkeitsthemen zu befürworten sind, damit Nach­haltigkeit gefördert wird (Zustimmung von 43,5 % der Antwortenden). Weitere Gründe sind mit einem abnehmenden Anteil von Befürwortern: Die Herstellung gleicher Voraussetzungen für alle im Sinne eines fairen Wettbewerbs (37,7 %) und die positiven Effekte einer Vorreiterrolle der Schweiz auf die langfristige Wettbewerbsfähigkeit (34,5 %). Die am meisten genannten Gründe für die Ablehnung strengerer gesetzlicher Vorgaben sind die Gefahr kurzfristiger Wett­bewerbsnachteile und die Befürchtung, dass dadurch für fortschrittliche Unternehmen die Möglichkeiten zur Diffe­renzierung gegenüber Mitbewerbern schwinden (je 17,4 %).

Nachhaltigkeit ist für die Schweizer Unternehmen ein Thema für die Zukunft. Daraus Potenziale für ihre eigene Geschäftstätigkeit zu nutzen und die Bedürfnisse der Kunden zu befriedigen, ist für viele Unternehmen eine Herausforderung. Das Thema Energie ist auch im zweiten Jahr nach Fukushima das Trendthema Nr. 1 in Schweizer Unternehmen.

Nachhaltigkeit wird auch in Zukunft in den Schweizer Unternehmen nicht an Bedeutung verlieren. Für 84,9 Prozent der Befragten wird die Bedeutung einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Unternehmensführung leicht (48,4%) oder sogar stark (36,5%) zunehmen. Unternehmen stehen damit internen und externen Herausforderungen gegenüber. Es ist zu befürchten, dass Nachhaltigkeit in Wirtschaftskrisen vernachlässigt wird. Dies hängt davon ab, ob Nachhaltigkeit als Kosten- oder Erfolgsfaktor gesehen wird. Unternehmen kompensieren ihre CO²-Emissionen häufig mit Zertifikaten. Nachhaltig würde der Ansatz erst, wenn es auch ein Programm zum Energiesparen gebe. Studien (z.B. A.T. Kearney, 2009) zeigen, dass sich Nachhaltigkeit auf Dauer auszahlt und die Krisenresistenz steigt, wenn langfristige Unternehmensgesundheit statt kurzfristige Gewinnmaximierung im Fokus stehen.

Die Beschäftigung mit Nachhaltigkeitsthemen ist in Schweizer Unternehmen weitverbreitet. Es wird nicht nur einiges unternommen, es wird dabei auch erstaunlich zielgerichtet und systematisch vorgegangen. Diesen Schluss lassen die Antworten im Rahmen der vorliegenden Befragung zu, auch wenn die Auswahl der antwortenden Unternehmen nicht repräsentativ für die Gesamtheit der Schweizer Unternehmen ist. Ein gewisser Nachholbedarf lässt sich vor allem in Bereichen der Kommunikation, der Datenerfassung und der Interaktion mit den Stakeholdern feststellen.

Auch wenn sich einige Unternehmen davor scheuen, ihre Aktivitäten zu kommunizieren, ist hier eine Unterstellung der Nicht-Nachhaltigkeit fehl am Platz. Die Diskussion mit den Experten aus unterschiedlichen Branchen weist eher auf einen kulturellen Zusammenhang hin. Schweizer Unternehmen kommunizieren erfahrungsgemäss eher zurückhaltend. So sehen viele es als unangebracht an, sich mit Leistungen zu profilieren, die sie bereits für selbstverständlich halten.

Die Ergebnisse zeigen, dass neben den 20 Prozent, die auf Kommunikationsaktivitäten verzichten, auch vielseitig kommuniziert wird. Ein pauschaler Vorwurf des Greenwashings ist aber nicht angebracht, denn ein Grossteil der Unternehmen gibt an, das Thema Nachhaltigkeit im Leitbild und in der Vision verankert zu haben. Potenzial schlummert vor allem im Bereich Social Media. Das bestätigt auch der «Swiss Social Media Report 2012». Gleichwohl sind die dafür notwendigen personellen Ressourcen für KMU, aber auch für Grossunternehmen nicht zu unterschätzen, denn bei Social Media sind Glaubwürdigkeit und Transparenz Pflicht.

Offen bleibt, wie sich die Schweizer Unternehmen in Bezug auf Nachhaltigkeit entwickeln werden und ob sie die Chancen nutzen, die aus den genannten Herausforderungen und Trends entstehen. Nach Expertenaussagen werden jene Unternehmen, die glaubwürdig und mit gutem Beispiel vorangehen, auch eine allfällige nächste Krise überstehen. «

Die Studie «Swiss Corporate Sustainability Survey 2012» ist kostenlos über die www.imm.zhaw.ch (unter dem Menüpunkt «Forschung und Entwicklung» in der Rubrik «Studien») erhältlich.

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