Strategie & Management

Studie: Wirtschaft im Wandel

Wie Schweizer KMU zukunftsfähig bleiben wollen

Internationalisierung, Regularisierung, Klima- und Demografiewandel, veränderte Kundenerwartungen, Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft gehören zu den Schlüssel­aufgaben, denen sich KMU derzeit stellen müssen. Eine Studie zeigt, wie Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz den Wandel einer «neuen Normalität» etablieren.
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In Familienunternehmen und KMU ist nichts mehr wie früher. Um die Trendwende zur «neuen Normalität» zu meistern, müssen die Unternehmen in ihre digitale Transformation investieren und sich im Kampf um Talente behaupten. Wie gut ihnen das gelingt, beantwortet die Studie «European Private Business Survey 2019». Dazu hat das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen PwC knapp 2500 Unternehmen in 31 europäischen Ländern (EU plus Norwegen, Schweiz und Türkei) befragt, darunter 90 Entscheidungsträger in der Schweiz. Die Studie zeigt: Für Schweizer Fami­lienunternehmen und KMU bleibt noch einiges zu tun.

Positive Wachstumsprognosen

76 Prozent der Schweizer Familienun­ternehmen und KMU erwarten für die kommenden zwölf Monate eine positive Umsatzentwicklung (2018: 69 Prozent). Diese Zuversicht teilt in den DACH-Ländern nur der österreichische Mittelstand (77 Prozent). In Deutschland sind die Unternehmen mit 46 Prozent trotz wachstumsstarker letzter Jahre weitaus pessimistischer. Negativer gestimmt sind nur noch die Unternehmen in Griechenland (45 Prozent) und Schweden (44 Prozent).

Für die düstere Stimmung in Europa gibt es einige Gründe: Das weltweite Wirtschaftswachstum hat sich verlangsamt und auch das kommende Jahr dürfte deutlich kühler werden. Das geht aus der gemässigteren Konjunkturentwicklung in China, dem Handelskrieg zwischen den USA und China, den Unsicherheiten als Folge der Brexit-Debatte und den geopolitischen Spannungen am Persischen Golf hervor. Gleichzeitig befürchten die Unternehmen, dass sich die Überalterung und der Fachkräftemangel weiter negativ auf die Geschäftsentwicklung auswirken.

Für Schweizer Familienunternehmen ist das wirtschaftliche Terrain alles andere als einfach. Weil der Binnenmarkt oft zu klein ist, sind viele Unternehmen international ausgerichtet. Das erfordert Compliance in diversen Rechtsstaatlichkeiten. Die verschärfte protektionistische Haltung zahlreicher Regierungen birgt zusätzliche Risiken und manche Märkte sind stark überreguliert. Zudem ist der internationale Wettstreit enorm: Asiatische Mitbewerber entfalten sich rasend schnell und profitieren von günstigen Produktionskapazitäten.

In diesem anspruchsvollen Kontext ist eine zuversichtliche Stimmung zwar hilfreich. Gerade in der neuen Normalität raten wir von PwC Schweiz den Schweizer Familienunternehmen und KMU, ihre traditionelle Weitsicht mit ihrer bewährten Innovationskraft zu kombinieren. So erreichen sie eine Wendigkeit, die ihnen international einen einmaligen Wettbewerbsvorteil verschafft.

Technik im Fokus

Wer zukunftsfähig bleiben will, kommt um die Digitalisierung nicht herum, ganz unabhängig von Branche und Grösse. Das haben Familienunternehmen und KMU weltweit erkannt. In der Schweiz ist dieses Bewusstsein allerdings erst in 51 Prozent der Betriebe vorhanden. In den Niederlanden und Grossbritannien (85 Prozent) oder auch Skandinavien (72 Prozent) erachten Unternehmen die Digitalisierung als deutlich relevanter.

Generell verstehen Schweizer Unter­nehmen die Digitalisierung als techno­logische Angelegenheit; nur etwas mehr als ein Drittel der Schweizer Unternehmen geht das Thema strategisch an (vergleiche Abbildung 1). An erster Stelle steht für die Studienteilnehmer eine zukunftsfähige IT (66 Prozent). Diesen rein technischen Blickwinkel nehmen auch Deutschland (74 Prozent) und Öster-reich (71 Prozent) ein. Erst danach folgen in den DACH-Ländern Ideen für digi­tale Geschäftsmodelle. Immerhin haben 42 Prozent der hiesigen Unternehmen digitale Geschäftsmodelle entwickelt und 33 Prozent setzen auf die Zusammenarbeit mit Partnern.

Zurückhaltend bei Investitionen

Schweizer Unternehmen sind entsprechend reserviert mit Investitionen in die Digitalisierung: Nur acht Prozent der Studienteilnehmer planen mehr als fünf Prozent ihres Investitionsvolumens für die Digitalisierung ein. In Deutschland und Österreich ist dieser Anteil mit 24 Prozent beziehungsweise 23 Prozent fast fünf Mal so hoch. Die meisten befragten Schweizer Familienunternehmen und KMU wollen in den nächsten fünf Jahren weniger als drei Prozent ihres gesamten Investitionsvolumens für die Digitali­sierung einsetzen. Hierfür vertritt PwC Schweiz eine etwas andere Ansicht. Die Digitalisierung gehört fraglos auf die strategische Agenda von Familienunternehmen und KMU. Sie bringt effizientere und flexiblere Produktion, verbesserte Maschinenverfügbarkeit, gezieltere Ressourcennutzung, automatisierte Kundenkontakte sowie optimierte Prozesse mit sich. Diese Vorteile sollten Unternehmer in der Schweiz nicht einfach ausblenden.

Die finanzielle Zurückhaltung Schweizer Unternehmen dürfte einerseits daran liegen, dass sie die Auswirkungen der Zukunftstechnologien unterschätzen. Nur gerade vier Prozent sind hier von der Relevanz der künstlichen Intelligenz (KI) überzeugt. Als zentral für die Zukunft gelten das Internet der Dinge (39 Prozent) und Robotics (32 Prozent), gefolgt von der virtuellen Realität (19 Prozent) und dem 3D-Druck (18 Prozent). 

Die Bedenken gegenüber der Digitalisierung liegen in einer Reihe weiterer Themen begründet. Als grösstes Hindernis für die digitale Transformation werten die Schweizer Studienteilnehmer die mögliche Arbeitsbelastung der Mitarbeitenden (53 Prozent), entsprechende Kosten (44 Prozent) und den Mangel an interner digitaler Expertise (34 Prozent). 

Allerdings erstaunt es nicht, dass Familienunternehmen und mittelständische Unternehmen ihre Investi­tionsentscheide gerne gründlich überlegen und schrittweise vorgehen möchten. Immerhin stehen hohe Summen zur Debatte – in Familienunternehmen sogar das familiäre Vermögen. 

Digitale Kompetenzen gefragt

Innovative Technologien sind nur so gut wie die Menschen, die sie nutzen. Mit anderen Worten: Für eine erfolgreiche digitale Transformation braucht es digitale Experten. Letztlich geht es um existenzielle Ziele: Wachstum, Know-how, Marktmacht. Fast die Hälfte der europäischen Unternehmen muss durch den Fachkräftemangel Umsatzverluste beziehungsweise verlorenes Umsatzpotenzial hinnehmen. In der DACH-Region hat sich die Problematik im Vorjahresvergleich insgesamt leicht verbessert. Nicht so in der Schweiz: Hier stellen die Studienteilnehmer 2019 Umsatzverluste beziehungsweise entgangenes Umsatzpotenzial in der Höhe von 5,2 Milliarden Euro fest; 2018 waren es noch 5 Milliarden Euro. 

Meinungen und Taten erweisen sich als erstaunlich widersprüchlich: 54 Prozent der Schweizer Familienunternehmen und KMU meinen, nicht über die richtigen Talente zu verfügen, um das Potenzial digitaler Technologien ausschöpfen zu können. Doch nur 21 Prozent der gesuchten Mitarbeitenden entfallen auf digitale Spezialisten (vergleiche Abbildung 2). In erster Linie sind Aushilfskräfte (32 Prozent), Auszubildende und Techniker (je 27 Prozent) gefragt, erst dann folgen Ingenieure (23 Prozent) und digitale Experten (21 Prozent).

Die digitalen Fähigkeiten in Schweizer Unternehmen stammen zu 43 Prozent aus den eigenen Reihen und zu 54 Prozent von externen Partnern. 10 Prozent arbeiten dazu mit Start-ups zusammen. 82 Prozent der Unternehmen möchten das notwendige digitale Know-how durch interne Schulungen aufbauen, 79 Prozent über die Rekrutierung entsprechender Fachkräfte und 70 Prozent über den Einsatz von externen Trainings. 

Im Kampf um digitale Talente konkurrieren Schweizer Familienunternehmen und KMU,  die öfters in ländlichen Gegenden angesiedelt sind, zwar oft mit namhaften Konzernen in urbanen Gegenden. Trotzdem haben sie ihren Fachkräften einiges zu bieten. Nicht selten dürfen diese bei guten Leistungen rasch viel Verantwortung übernehmen und das Unternehmen aktiver mitgestalten, als dies in kotierten Grossunternehmen möglich wäre. Diese Trümpfe gilt es, im Kampf um Talente auszuspielen.