Strategie & Management

Unternehmenskultur

Wie Konsequenz zum Erfolgsfaktor wird

Gegenwärtig investieren viele Unternehmen in ihre Zukunftsfähigkeit. Mit viel Geld ringen Konzerne um die besten Köpfe der digitalen Welt und kämpfen hart darum, die träge gewordenen Tanker zu hybriden Organisationen aus Hierarchie und Agilität umzubauen. Auch KMU kommen um diese Neuorientierung nicht herum.
PDF Kaufen

Von heute auf morgen lässt sich eine Neuorientierung nicht erreichen. Grund genug, Wege zu finden, die schnell Spielraum und Zeit verschaffen und zugleich die Zukunftsfähigkeit stärken. In jeder Organisation liegen erfahrungsgemäss Ressourcen brach, die im Tagesgeschäft übersehen oder im schnellen Wechsel der Leadership-Moden ignoriert werden. Dabei können die meisten Unternehmen relativ zum Aufwand von einer strafferen und konsequenter agierenden Organisation viel mehr profitieren als von hastig durchgepeitschter Agilität.


Verführerische Inkonsequenz

Konsequenz ist ein starker und sofort verfügbarer Hebel für mehr Durchsetzung und Umsetzung im Unternehmen. Leicht fällt sie dennoch nicht, weil Inkonsequenz extrem verführerisch ist. Ausserdem hat sie mehrere Ursachen, weil sie eine Kulturfrage und keine der reinen Verfahrenseffizienz ist. Mangelnde Konsequenz tangiert alle Strukturen, Prozesse und sozialen Ausdrucksformen des Unternehmens. Sie äussert sich in falschen und überholten Glaubenssätzen, in schlampig verfolgten Prozessen, in schulterzuckend akzeptierter Unzuverlässigkeit und in einem Aktionismus, der Fleiss suggeriert, wo man zu bequem zum Denken ist. Inkonsequenz äussert sich vor allem in:

  • Unreife: eigene Unklarheit hinsichtlich zentraler Werte. Besitzen zum Beispiel alle Mitarbeiter und Führungskräfte das gleiche Verständnis von Erfolg, Zuverlässigkeit, Vertrauen etc.?
  • Inkonsistenz: Unberechenbarkeit und Sprunghaftigkeit im Denken und Handeln. Führungskräfte müssen einen klaren Kurs jederzeit durchhalten, damit die Organisation weiss, wie sie mit ihnen produktiv zusammenarbeitet.
  • Feigheit: Mangelnder Mut, Scheinnotwendigkeiten abzuwehren, um unnötigen Ballast vom System und den Mitarbeitern zu nehmen. Fehlt dieser Mut, sinken Produktivität, Geschwindigkeit und Motivation.
  • Unfähigkeit: Neben dem Mut zu Prioritäten fehlt die Fähigkeit, Entscheidendes von Nebensächlichem zu trennen. Dies betrifft nicht nur die Chefs selbst, sondern die gesamte Organisation.   


Konsequenzkultur

Der erste Schritt zur Konsequenzkultur besteht darin, das Denken konkreter zu machen. Viele halten es für ökonomisch und verlässlich, alte Erfolgsmuster un­hinterfragt auf alle künftigen Fälle zu übertragen. Das klingt nach Know-how-
Anwendung auf der Basis empirischer Gewissheit, nach rationaler Systematik und nach Ressourcenintelligenz – bedeutet im Herzen aber Verschwendung. Statt immer frisch und innovativ zu denken, verlegt man sich aufs Mantra des «Das haben wir immer so gemacht, und es hat immer funktioniert.» Auf diesem Weg wird die unternehmerische Reflexion zum Opfer eines sicherheitsfixierten Klammerns an überholte Verfahrensmuster.

Das zweite Denkhindernis ist Aktivitä­tenwahn. Wer sich intensiv in eine Lösung vertieft, wirkt inaktiv, und wer hektisch 1000 Sachen gleichzeitig anpackt, scheint dynamisch. In Wahrheit jedoch ist «keine Zeit» ein Zeichen von Unreife und bedeutet Selbstentmachtung, weil niemals Zeit, sondern immer Prioritäten das Problem sind. Uncharmant ausgedrückt, ist jeder, der mehr als drei Prioritäten hat, zu faul, Dinge tief zu denken oder zu feige zur Delegation von Aufgaben oder zum Treffen unpopulärer Entscheidungen. Leider ist den Menschen der Macher näher als der Denker. Je nach Charaktertypus dominieren entweder Methodenstarrsinn oder Hektik die dringend nötige Kreativität. 

Lösungsansätze

Mit einem Drei-Punkte-Plan kann man sich gegen Impulsmanagement und Methodenstarrsinn schützen und dem Denken den nötigen Raum geben:

  1. Visualisieren und Verstehen der wesentlichen Einflussfaktoren und ihrer Beziehungen
  2. Beantwortung der Frage: Was bedeutet das für mögliche Handlungsoptionen?
  3. Die Wahl der effektivsten und effizientesten unter drei wirklich unterschiedlichen Optionen

Wichtig ist es, diese Denkarbeit in mindestens drei Lösungsansätzen zu visualisieren. Andernfalls wird jedes Pro des erstbesten Einfalls überbewertet und jedes Kontra kleingeredet. Die erste Lösung ist zwar nicht immer unsinnig, aber auch selten die beste.

Zu wenig nachgedacht wird aber nicht nur über den besten Weg zum Ziel, sondern auch über das Ziel selbst. Hat man das aktivitätsbasierte Management erst überwunden, scheitert das ergebnisorientierte Führen danach an diffusen Zielen. Wenn der CEO pauschal zum «Lifestyle-Anbieter Nr. 1» werden will, ohne konkrete und bildhaft vermittelbare Vorstellung davon, was das bedeutet, liegen Entwicklung, Marketing und Vertrieb bald im Kampf um die Deutungshoheit. Einen wirklichen Sinn und Strahlkraft haben Ziele aber nur,

  • wenn sie logisch fundiert, praktisch erreichbar und emotional mitreissend sind,
  • wenn allen klar ist, wie sich die Welt praktisch ändert,
  • welche positiven Auswirkungen dies mit sich bringt
  • und wie diese zuerst spürbar und später in Kennzahlen messbar werden.

Nur mit diesen Parametern kann ein plastisches Bild entstehen, das Menschen begeistert dazu bewegt, sich jeden Tag fokussiert am Sinn ihres Tuns zu orientieren, statt sich im Streit über das beste Vorgehen aufzureiben.


Brillanz braucht Präsenz

Die Konsequenz im Tun beginnt mit der Konsequenz im Kopf. Aus diesem Grund ist Präsenz eine weitere persönliche Säule der Konsequenz. Ein Kampfsportler, welcher auch nur für einen Moment den Besuch der ungeliebten Schwiegereltern im Kopf hat, landet per Donnerschlag auf den Brettern. Es kommt also auch auf den Fokus an, den Menschen ihren Prioritäten verleihen.

Nur durch Präsenz kann Brillanz statt Durchschnitt entstehen. Dafür braucht es Selbsterziehung, die auf Selbstbeobachtung fusst. Für die regelmässige Reflexion von Prioritäten, Aktivitäten und Gedanken sollte man einen Teil seiner Aufmerksamkeit und seiner Arbeitszeit bewusst reservieren. Nur wer präsent ist und immer weiss, was er wann und warum tut, kann brillant sein. Warum also nicht jeden Tag eine feste Zeit zur Selbstreflexion reservieren?

Transparenz hilft Konsequenz

Der steinige Weg der Selbstdisziplin wird zur Basis dafür, andere aus Laisser-faire zur Konsequenz zu bringen. Dafür braucht es Wertedefinitionen, die von allen verstanden und akzeptiert sind und gelebt werden. Die zentralen Begriffe dabei lauten Verbindlichkeit, Verlässlichkeit und Vereinbarung.

  • Verbindlich ist, wer eine Vereinbarung unter Berücksichtigung aller relevanten Notwendigkeiten und Möglichkeiten schliesst und einhalten will.
  • Vereinbarung heisst eine gegenseitige Übereinkunft bezüglich Erwartungen und den dafür notwendigen Vorgaben.
  • Verlässlich ist, wer Vereinbarungen hält oder rechtzeitig neu verhandelt.

Natürlich benötigt diese Kultur Transparenz: Es muss nicht nur klar sein, was Vereinbarung heisst, sondern auch, was es bedeutet, sie einmal oder gar öfter zu brechen. Eine «Konsequenzmechanik» beginnt damit, dass Versäumnisse auch im Beisein anderer angesprochen werden. Das heisst nicht, hart gegen den Menschen zu sein – nur konsequent gegenüber seiner Leistung. Kein lautstarkes «Herunterputzen vor versammelter Mannschaft», sondern ein fallbezogenes: «Ich halte Sie hier für unzuverlässig.» Dass dieses Vorgehen Schuld und Schamgefühle auslöst, ist natürlich, aber gewollt und wirkt aktivierend. Kritik ist natürlich persönlich, ohne persönlich zu werden.

Da harte Konsequenzen zwar möglich sind, bei leichten und seltenen Fällen aber wenig zur Anwendung kommen, hilft ein Verlässlichkeitsschwein, der Sache den Anschein übermässiger Strenge zu nehmen. Wer etwas vergisst oder nicht liefert, ohne abzusagen, leistet einen Beitrag, und alle paar Monate geht die Mannschaft davon essen. Das Schwein wird zur humorvollen Metapher für Zuverlässigkeit und erinnert jeden an seine Verpflichtungen.


Kommunikation

Insofern beginnt Konsequenz-Kommunikation immer mit der Klärung, ob alle unter einem Begriff, einer Aufforderung und anderen sprachlichen Äusserungen das Gleiche verstehen. Wachsamkeit ist dabei Trumpf. Allzu leicht nicken viele zu Dingen, die längst noch nicht verstanden sind. Im Zweifel muss die nötige Übereinstimmung aktiv hergestellt werden, bevor man losmarschieren kann.

Professionalisiert werden müssen auch die Kommunikation und das Informationsmanagement. In vielen Unternehmen erzeugen Informationsflut und menschliche Neugier einen gefährlichen Mix aus «Jeder weiss zu viel und alle reden mit – ob es sie etwas angeht oder nicht». Im Fall von Meetings gilt das besonders: Ist dieses Treffen wirklich nötig? Nur weil es am Montag immer stattfindet? Falls ja: Wozu? Was soll es konkret bringen? Und warum soll man Kompromisse mit Teilnehmern verhandeln, die von einer Frage nicht berührt sind? Vorrangig sind konkrete Ziele, ein flexibler und ergebnisorientierter Fahrplan statt starrer Agenda – und ausschliesslich die Stakeholder am Tisch. Alle anderen bleiben weg.

Damit eine Konsequenz auch betriebswirtschaftlich wirkt, muss sie Geschwindigkeit erzeugen. Im Management die letzte Wahrheit zu ergründen, ist definitiv zu teuer, um alle Ressourcen daraufzuwerfen. Besser und schneller geht es mit Prototypen, die Schritt für Schritt zur Reife kommen, statt der Perfektion nachzujagen. «Schnelle, schmutzige Qualität» bedeutet Ergebnis pro Zeit. Darauf müssen alle Abläufe einzahlen. Wer noch
designt, während die anderen Schlechteres schon verkaufen, verliert.

Ebenso wie es unmöglich ist, einen umgekippten Teich in einem Tag zu revitalisieren, lässt sich auch ein inkonsequent geführtes Unternehmen nicht binnen eines Monats wiederbeleben. Zum Glück verträgt aber auch Konsequenz einen engpasskonzentrierten KVP: Wo lässt sich schnell das meiste erreichen? Was folgt darauf? Immer aber sollte gelten: Erst, wenn das Wozu klar ist, wird das Wie beschlossen.

Porträt