Von heute auf morgen lässt sich eine Neuorientierung nicht erreichen. Grund genug, Wege zu finden, die schnell Spielraum und Zeit verschaffen und zugleich die Zukunftsfähigkeit stärken. In jeder Organisation liegen erfahrungsgemäss Ressourcen brach, die im Tagesgeschäft übersehen oder im schnellen Wechsel der Leadership-Moden ignoriert werden. Dabei können die meisten Unternehmen relativ zum Aufwand von einer strafferen und konsequenter agierenden Organisation viel mehr profitieren als von hastig durchgepeitschter Agilität.
Verführerische Inkonsequenz
Konsequenz ist ein starker und sofort verfügbarer Hebel für mehr Durchsetzung und Umsetzung im Unternehmen. Leicht fällt sie dennoch nicht, weil Inkonsequenz extrem verführerisch ist. Ausserdem hat sie mehrere Ursachen, weil sie eine Kulturfrage und keine der reinen Verfahrenseffizienz ist. Mangelnde Konsequenz tangiert alle Strukturen, Prozesse und sozialen Ausdrucksformen des Unternehmens. Sie äussert sich in falschen und überholten Glaubenssätzen, in schlampig verfolgten Prozessen, in schulterzuckend akzeptierter Unzuverlässigkeit und in einem Aktionismus, der Fleiss suggeriert, wo man zu bequem zum Denken ist. Inkonsequenz äussert sich vor allem in:
- Unreife: eigene Unklarheit hinsichtlich zentraler Werte. Besitzen zum Beispiel alle Mitarbeiter und Führungskräfte das gleiche Verständnis von Erfolg, Zuverlässigkeit, Vertrauen etc.?
- Inkonsistenz: Unberechenbarkeit und Sprunghaftigkeit im Denken und Handeln. Führungskräfte müssen einen klaren Kurs jederzeit durchhalten, damit die Organisation weiss, wie sie mit ihnen produktiv zusammenarbeitet.
- Feigheit: Mangelnder Mut, Scheinnotwendigkeiten abzuwehren, um unnötigen Ballast vom System und den Mitarbeitern zu nehmen. Fehlt dieser Mut, sinken Produktivität, Geschwindigkeit und Motivation.
- Unfähigkeit: Neben dem Mut zu Prioritäten fehlt die Fähigkeit, Entscheidendes von Nebensächlichem zu trennen. Dies betrifft nicht nur die Chefs selbst, sondern die gesamte Organisation.
Konsequenzkultur
Der erste Schritt zur Konsequenzkultur besteht darin, das Denken konkreter zu machen. Viele halten es für ökonomisch und verlässlich, alte Erfolgsmuster unhinterfragt auf alle künftigen Fälle zu übertragen. Das klingt nach Know-how-
Anwendung auf der Basis empirischer Gewissheit, nach rationaler Systematik und nach Ressourcenintelligenz – bedeutet im Herzen aber Verschwendung. Statt immer frisch und innovativ zu denken, verlegt man sich aufs Mantra des «Das haben wir immer so gemacht, und es hat immer funktioniert.» Auf diesem Weg wird die unternehmerische Reflexion zum Opfer eines sicherheitsfixierten Klammerns an überholte Verfahrensmuster.
Das zweite Denkhindernis ist Aktivitätenwahn. Wer sich intensiv in eine Lösung vertieft, wirkt inaktiv, und wer hektisch 1000 Sachen gleichzeitig anpackt, scheint dynamisch. In Wahrheit jedoch ist «keine Zeit» ein Zeichen von Unreife und bedeutet Selbstentmachtung, weil niemals Zeit, sondern immer Prioritäten das Problem sind. Uncharmant ausgedrückt, ist jeder, der mehr als drei Prioritäten hat, zu faul, Dinge tief zu denken oder zu feige zur Delegation von Aufgaben oder zum Treffen unpopulärer Entscheidungen. Leider ist den Menschen der Macher näher als der Denker. Je nach Charaktertypus dominieren entweder Methodenstarrsinn oder Hektik die dringend nötige Kreativität.