Führungskräfte kämpfen zunehmend mit Information-Overload und tun sich schwer damit, Daten und Informationen nützlich in Entscheidungsprozesse einzubinden. Insbesondere das Top-Management muss immer mehr Daten in höherer Kadenz verarbeiten. Mittlerweile ist es bis zur Hälfte der Arbeitszeit mit geschäftskritischen Entscheidungen beschäftigt (vgl. Treasure Data 2022). Obwohl die meisten Unternehmen die Verarbeitung von Daten als essenziell für die Qualität ihrer Entscheidungen betrachten, sind nur die wenigsten mit der Form der Informationsverarbeitung zufrieden (Alix Partners 2023, Barc 2022).
Die Auswirkungen dieser Unzufriedenheit sind nicht zu unterschätzen: Das Management verzeichnet heute hinsichtlich Entscheidungsprozessen ungemein höhere Stresswerte (vgl. Cazaly 2021). Dynamiken, die selbst jahrhundertealte Institutionen wie die Credit Suisse innerhalb kürzester Zeit zu Fall bringen, üben zusätzlichen Druck auf das Management aus, die richtigen Informationen zur richtigen Zeit zu verarbeiten. Wieso gelingt es den Unternehmen angesichts dieser prekären Lage nicht, relevante Daten in angemessener Weise in Entscheidungsprozesse einzubinden?
Grenzen konventioneller Tools
Für geschäftskritische und strategische Entscheidungen haben Unternehmen in der Regel auf klassische Tools wie SWOT, BSC, PESTLE, Porter’s Five-Forces-Modell oder Risikomatrizen zurückgegriffen. Diese Tools haben lange gut funktioniert, werden aber den heutigen Bedürfnissen von Unternehmen nicht mehr gerecht.
Folgende drei Gründe zeigen auf, weshalb der Nutzen dieser Tools in Zeiten von Information-Overload, Digitalisierung und Automatisierung zunehmend an Wert verliert:
Fehlende Relevanz und Aktualisierung von Informationen
Unternehmen verbrauchen heute viele Ressourcen beim Zusammentragen und der Interpretation entscheidungsrelevanter Daten. Es fehlen ihnen pragmatische Techniken, um relevante von irrelevanten Informationen zu unterscheiden (vgl. Kahnemann 2021). Konventionelle Managementtools helfen aufgrund ihrer statischen Anwendung (Durchführung oft nur alle ein bis zwei Jahre) weder bei der laufenden Identifikation relevanter Daten und Informationen noch bei der Einbindung von Daten in geschäftskritische Entscheidungen.
Weiter unterstützen sie das Top-Management weder bei der Synchronisierung zahlreicher Datenquellen, dem rechtzeitigen Einbezug von Mitarbeitenden und Stakeholdern noch bei der Konsolidierung der Informationen aus den zahlreichen Geschäftsprozessen. In einer sich schnell ändernden Welt mit deutlich kürzeren Planungsphasen und stetig ändernden Bedingungen werden konventionelle Tools folglich schnell zu veralteten Datenquellen. Aufgrund begrenzter Aktualisierungsmöglichkeiten und der fehlenden Eingrenzung relevanter Themen tragen sie selbst zum Information-Overload im Top-Management bei.
Fehlende Geschwindigkeit
Konventionelle Managementtools kosten die Unternehmen viel Zeit. Sie wurden in Zeiten entwickelt, in welchen wir die Verknappung der Zeit noch kaum wahrnahmen. Das Top-Management von heute leidet unter dem Druck, aus einer Flut mehrdeutiger Daten und Informationen aus kaum synchronisierten Unternehmensprozessen die richtigen Schlüsse zu ziehen. Der Zeitdruck in Entscheidungssituationen hat sich deutlich erhöht und der Absprache-Aufwand in der Entscheidungsfindung ist gestiegen. Führungskräfte sind deshalb darauf angewiesen, dass ihnen ein grosser Teil dieser Arbeit abgenommen wird.
88 Prozent der Führungskräfte weltweit wünschen sich eine intelligente Automatisierung der nicht mehrwertstiftenden administrativen Aufgaben (SS&C 2023). Tools sollen einen erheblichen Anteil der Sammlung, Konsolidierung, Interpretation und Priorisierung von Informationen automatisiert übernehmen. Wichtig dabei ist, dass die Automatisierung zu keiner Blackbox wird. Mit anderen Worten muss das Management auf einfache Weise nachvollziehen können, wieso sich die Informationen in der vorgelegten Weise präsentieren beziehungsweise auf welcher Basis sich die Fakten oder Variablen zusammenstellen (Schleer-van Gellecom 2022).
Fehlende Datenreduktion
Konventionelle Tools begrenzen die Anzahl Informationen, Datenformate und Medienbrüche kaum. Obwohl mittlerweile erkannt wurde, dass die Fülle an
zu verarbeitenden Informationen Management und Mitarbeitende zunehmend frustrieren (vgl. SS&C 2023) und zu suboptimalen Entscheidungen führen (vgl. Kahnemann 2021), sind Lösungen zur konsequenten Reduktion von Daten (sogenannte «Smart Data») noch kaum in unserer Gesellschaft angekommen.
Auch neuere Ansätze wie Big Data erweitern oft die Datenlage, ohne dass ein direkter Nutzen für die Entscheidenden absehbar ist. Der Mensch muss zuerst definieren, welche Daten und Variablen sinnvoll sind, bevor Maschinen die automatisierte Auswertung übernehmen.
Decision Intelligence als Lösung
Mit Decision Intelligence (DI) nimmt sich nun ein junges Feld den aktuellen Problemen des Top-Managements an. DI nutzt hierzu Erkenntnisse aus unterschiedlichsten Disziplinen (zum Beispiel Entscheidungstheorien und Managementwissenschaften), kombiniert sie mit Data Analytics und Technologien wie Machine Learning und ergänzt sie mit bewährten Praktiken (vgl. Gartner 2022). Auf diese Weise löst DI die für Führungskräfte heute kaum zu bewältigende Problematik des Information-Overloads sowie den Umgang mit zahlreichen Datenquellen.
Dabei kommt den Data Analytics eine nicht minder wichtige Rolle zu, indem relevante Informationen von irrelevanten getrennt werden. Beispielsweise erzielen Unternehmen, die Big Data und Analytics in smarter Weise verbinden, acht bis zehn Prozent höheren Profit und verzeichnen durchschnittlich eine Reduktion ihrer Gesamtkosten von durchschnittlich zehn Prozent (BARC 2022).
DI ist für das Top-Management deshalb so interessant, weil es verschiedene Management-Ansätze, Prozesse, Technologien und Daten integriert. Sie trägt daher zur gezielten Reduktion von Informationen bei, minimiert den Administrationsaufwand und unterstützt das Unternehmen zudem bei seinen Digitalisierungszielen. Mit anderen Worten haben wir es erstmalig mit einem Managementansatz zu tun, der den Information-Overload im Top-Management reduziert und gleichzeitig die Entscheidungsrelevanz von Informationen erhöht. Dabei steht die kombinierte Nutzung der Fähigkeiten von Mensch und Maschine («Mensch-Maschine-System») im Vordergrund. Kombiniert deshalb, weil der Mensch insbesondere bei Entscheidungen in einem Umfeld mit vielen Unbekannten der Maschine mit seinen Fähigkeiten noch weit voraus ist.
Handlungsansätze
In vielen Unternehmen ist das Top-Management hinsichtlich Informationsverarbeitung und Entscheidungsfindung am Anschlag. Die Vogel-Strauss-Technik wird bald nicht mehr funktionieren, denn nicht getroffene Entscheidungen kumulieren sich unweigerlich auf und stellen Unternehmen künftig vor noch grössere Herausforderungen.
Die meisten Unternehmen sind sich dem disruptiven Charakter dieser Herausforderungen jedoch bewusst (vgl. weltweite CEO-Befragung von Alix Partners 2023):
- 98 Prozent erwarten eine radikale Anpassung ihres Business Models in den nächsten drei Jahren.
- 75 Prozent denken, dass ihr Unternehmen zu langsam adaptiert beziehungsweise entscheidet.
- 85 Prozent wissen nicht, wo sie mit dem Wandel anfangen sollen.
- 83 Prozent denken, dass die Trägheit des Management Boards den Wandel erschwert.
Das sind erstaunliche Zahlen und sie zeigen auf, dass offensichtlich enormer Handlungsdruck besteht. Nun gibt es keine Pauschallösungen, trotzdem kann DI gepaart mit einfachen Verhaltensregeln zu einer zufriedenstellenden Lösung in Unternehmen beitragen. Nachfolgend drei Handlungsansätze, die dabei unterstützen können:
Radikale Reduktion der Prozesse
Radikale Reduktion der zahlreichen Managementprozesse auf möglichst einen einzigen einfachen Entscheidungsprozess. Das Top-Management muss damit brechen, sich in alle Strategie-, Risikomanagement-, IKS-, BCM-, Unternehmensentwicklungs-, Prozessmanagement, Change-Management, Innovationsmanagementprozesse etc. eindenken zu müssen. Es gibt keine belastbare wissenschaftliche Evidenz, dass diese Ansätze einem Unternehmen zu intelligenteren Entscheidungen verhelfen.
Der Information-Overload, den diese oft widersprüchlichen Prozesse mittlerweile produzieren, verhilft Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern nicht zu besseren Entscheidungen. Die genannten Prozesse und deren Ergebnisse sollten in einen einzigen, gut durchdachten Entscheidungsprozess integriert und Alibi-Prozesse mutig aufgehoben werden.
Nutzung der Schwarmintelligenz (interne Sicht)
Im Entscheidungsprozess sollten Unternehmen sich auf den konsequenten Zusammenzug «interner» Informationen bei Mitarbeitenden, Stakeholdern, Expertinnen und Experten fokussieren. Dabei ist die Konzentration darauf, wie das Know-how effektiv in den Entscheidungsprozess eingebaut werden kann, essenziell. Es gibt mittlerweile einige wertvolle Tools, die Unternehmen auf einfache Art und Weise beim Zusammenzug von im Unternehmen verfügbaren Informationen unterstützen. Die Schwarmintelligenz hilft dem Unternehmen auf verlässliche und oft eindeutige Weise, strategisch relevante Handlungs- und Entscheidungsansätze zu erkennen (vgl. Hamann 2019).
Automatisiertes Monitoring des Unternehmensumfelds (externe Sicht)
Nutzung neuer Technologien wie KI und Machine Learning für die Filterung unternehmensrelevanter Informationen im Umfeld. Diese Technologien haben ein grosses Potenzial, um insbesondere Bewegungen von Konkurrentinnen sowie Veränderungen von Märkten, Produkten oder Trends zu tracken. Im heutigen dynamischen Umfeld müssen sich Unternehmen zumindest teilweise auf effektive und komplexitätsreduzierende Tools verlassen, um wichtige Ereignisse zeitnah zu identifizieren. Insbesondere in KMU, wo ein «manueller» Zusammenzug von Daten oft zu komplex, zeitaufwendig oder auch teuer ist, können neue Technologien diesbezüglich einen deutlichen Mehrwert schaffen.