Der Ausdruck «War for Talent» beschreibt ein hoch kompetitives Umfeld für die Rekrutierung und die Bindung talentierter Mitarbeitender. 1997 wurde der Begriff zum ersten Mal von McKinsey-Direktor Ed Michaels verwendet, der damit die stetige Suche einer innovativen Personalabteilung nach den besten Mitarbeitenden bezeichnete. Fachkräfte fehlen der Schweiz heute insbesondere in den MINT-Berufen, also in den Bereichen Mathematik, Ingenieurwesen, Naturwissenschaften, Technik und im Gesundheitswesen. Dies obschon die Schweiz über sehr renommierte Universitäten und Hochschulen verfügt. Das Problem ist demzufolge vielschichtig und komplex und die Frage nach «Anreizen» für Bewerber wird zentral.
Wie aber macht sich dieser Kampf um Talente im Unternehmensalltag bemerkbar? Erste Indizien können das gänzliche Ausbleiben von Bewerbungen auf Ausschreibungen sein oder Bewerbungen, die auf die Anforderungen und das Level der ausgeschriebenen Vakanz nicht passen. Der Kampf kann aber auch erst im Rekrutierungsprozess oder noch später deutlich werden – dann nämlich, wenn sich gut umsorgte Bewerber plötzlich für ein anderes, parallel geprüftes Angebot entscheiden oder wenn die Mitarbeitenden in der eigenen Organisation verstärkt von Headhuntern angesprochen und für neue Positionen abgeworben werden.
Kampf ohne Grenzen
Die Ursachen für den War for Talent sind vielfältig. Der grösste Einfluss dürfte von der demografischen Entwicklung ausgehen: Die geburtenstarken Jahrgänge sind bereits in Pension oder werden es demnächst sein. Viele dieser Stellen können nicht nachbesetzt werden. Weiter sinkt in den europäischen Ländern seit einigen Jahren die Geburtenrate, was die Situation zusätzlich verschärft.
In den letzten Dekaden wurde ein tiefgreifender Wandel von der Industriegesellschaft zur Informationsgesellschaft vollzogen. Treiber hierfür waren der technologische Fortschritt – heute beobachtbar in der Digitalisierung – und damit verbunden die Entwicklung hin zu einer Wissensgesellschaft. Arbeitnehmende sehen sich heute mit höheren Anforderungen konfrontiert und die Anzahl Jobs für Hochqualifizierte hat rapide zugenommen. Das lebenslange Lernen und damit das Verständnis für die Notwendigkeit, sich kontinuierlich weiterzubilden, um die eigene Arbeitsmarktfähigkeit zu erhalten oder zu steigern, werden zum Ziel einer qualifizierten Elite.
Der Kampf um die besten Talente erfolgt heute global und die Vernetzung, unter anderem durch die sozialen Netzwerke, macht den Zugang für viele Akteure einfacher; Unternehmen suchen nicht nur lokal, sondern weltweit nach qualifizierten Mitarbeitenden. Grenzen stellen in der Rekrutierung keine Hindernisse mehr dar und häufig werden individuelle hochattraktive Pakete geschnürt, um Talente zu einem Transfer zu bewegen. Diese beinhalten eine attraktive Kompensation und nicht selten auch Opportunitäten für den Lebenspartner. Gerade sehr gut ausgebildete Arbeitnehmer sind für gewöhnlich auch besonders flexibel. Sie verfügen über eine kultivierte Offenheit und Neugier, sie können sich oft mühe-los in mehreren Sprachen auf einem hohen Level unterhalten und fühlen sich in vielen Städten und Ländern zu Hause.