Strategie & Management

Human Resources (Teil 2 von 6)

Wie KMU ihre Attraktivität als Arbeitgeber steigern können

Employer Branding bezeichnet eine Strategie zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des Arbeitgebers, etwa in den Bereichen Mitarbeitergewinnung und -bindung, Unternehmenskultur und Unternehmensmarke. Nachdem sich der erste Teil dieser Serie mit dem War for Talent beschäftigt hat, zeigt dieser, wie das KMU als attraktiver Arbeitgeber punkten kann.
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«Welche Schlagworte assoziieren Sie mit unserer Firma?», ist eine klassische Frage im Vorstellungsgespräch, die klären soll, inwiefern sich die Person bereits mit der Unternehmensmarke befasst hat oder auch wie sie persönlich zu ihr steht. Die Antwort auf diese Frage kann wichtige Hinweise zur externen Wahrnehmung des Unternehmens liefern. Marken haben eine Signalfunktion, geben Orientierung und können potenzielle Mitarbeitende – wenn sie positiv assoziiert sind – förmlich anziehen. Häufig stehen Marken für grundlegende Werte und sind wichtig für die Bildung eines Identifikations- und Zusammengehörigkeitsgefühls im Unternehmen selbst. 

Berührungspunkt Internet

Der erste Berührungspunkt zu einem Arbeitgeber entsteht immer häufiger online. Gerade die neuen Generationen googeln Stellenangebote ganz selbstverständlich, suchen nach Hintergrund­informationen und einschlägigen Erfahrungsberichten zu Arbeitgebern. Damit gehören das Kreieren und die kontinuierliche Pflege einer ansprechenden Firmenwebseite und -präsenz auf den Social-Networking-Plattformen wie Linkedin, Xing oder auch Facebook zu den wichtigen Aufgaben der Marketing- und auch der Personalverantwortlichen.

Nicht selten erschrickt ein Manager, wenn er auf einen kritischen Beitrag eines Ex-Mitarbeitenden bei der Unternehmensbewertungsplattform Kununu aufmerksam gemacht wird – wenn plötzlich anonym und aus Insiderquellen über Sonnen- und Schattenseiten des Arbeitsalltags berichtet und damit eine Transparenz geschaffen wird, die dem Unternehmen nicht immer dienlich ist. Dann spätestens erkennen die meisten Arbeitgeber, wie wichtig das Thema Employer Branding und damit verbunden eine adressatengerechte, transparente und zeitnahe Kommunikation sind. 

Positive Effekte

Employer Branding soll dem Unternehmen einerseits zu einer effektiveren wie auch effizienteren Personalrekrutierung verhelfen, die Qualität und Passung der Bewerber dauerhaft steigern und Kosten im Rekrutierungsprozess einsparen. Andererseits sollen sich qualifizierte und engagierte Mitarbeitende mit dem Unternehmen stärker identifizieren können und damit emotional langfristig an das Unternehmen gebunden werden. 

Wertvolle und messbare Nebeneffekte einer starken Arbeitgebermarke sind damit nebst einer höheren Leistungsorientierung der Angestellten auch eine geringere Fluktuation und eine Senkung des Krankenstandes. Weiter werden auch weniger Bürodiebstähle verzeichnet, da die stärkere Identifikation und das gewachsene Commitment der Mitarbeitenden sie weniger dazu verführt.

Arbeitgebermarke schaffen

Doch wie kann Employer Branding in KMU definiert und umgesetzt werden? Fest steht: nicht über Nacht. Aber richtig aufgegleist ist die Umsetzung nachhal­tig wirksam und mit minimalen Kosten möglich. Der aufwendige und wohl auch herausforderndste Teil liegt im ersten Schritt: sich als Organisation selbst den Spiegel vorzuhalten. Denn der Aufbau einer Arbeitgebermarke ist mit Reflexion und einer tiefgehenden Firmenanalyse verbunden. Die Geschäftsleitung muss Klarheit über die organisationalen Stärken und Schwächen der Unternehmung erreichen. 

Um die eigene Arbeitgeberattraktivität formulieren zu können, muss das Management ein Bewusstsein dafür schaffen, was der emotionale Faktor in der Organisation ist, der das eigene Unternehmen von den Mitbewerbern unterscheidet. Hierbei lohnt es sich, nicht nur die Mitbewerber in der eigenen Branche zu reflektieren – im Gegenteil, um Talents zu rekrutieren, muss man breiter denken: Wer ist ganz grundsätzlich ein attraktiver Arbeitgeber und warum? Wie ist der eigene Ruf als Arbeitgeber am Markt? Ist das Unternehmen bekannt für seine traditionelle und konservative Kultur oder gilt das Unternehmen als besonders fairer Arbeitgeber? Wird das Unternehmen gar als ein Hidden Champion und Innovationsträger der Branche wahrgenommen? 

Oft sind Unternehmen über die Jahre betriebsblind geworden und es lohnt sich, Hilfe von aussen durch Ex­perten oder zumindest neutrale Personen zu beanspruchen, um diese Fragen zu be­antworten und auf den Kern zu stossen. Die Klärung der eigenen Zielgruppe und damit das Bewusstsein über Bedürfnisse und Anforderungen potenzieller Mit­arbeitenden an den Arbeitgeber ist ein weiterer Punkt, der berücksichtigt werden soll. Dem Unternehmen muss klar sein, welchen Beitrag es selbst leisten kann, um diese Wünsche und Erwartungen seitens Mitarbeitenden zu erfüllen oder noch besser zu übertreffen. So gelingt die Stärkung der Arbeitgebermarke. Auch die Kommunikation des sauber definierten Employer Brandings soll wohlüberlegt und strukturiert aufgegleist werden. Es soll ein kongruentes, einheitliches Image entstehen, das Mitarbeitende, Kunden und andere Anspruchsgruppen sowohl erreicht als auch überzeugt. Damit dieses nachvollziehbar erfasst und authentisch transportiert werden kann, bedarf es ei­-ner profunden Klärung der Firmeniden­tität, der Firmenwerte (Teil 4 der Serie, «KMU-Magazin»-Ausgabe 10/20) und der grundsätzlichen Arbeitgeberattraktivität.

Arbeitgeberattraktivität

Die Arbeitgeberattraktivität wird von vielen Faktoren beeinflusst. Nebst einem ansprechenden Tätigkeitsfeld und Perspektiven für die persönliche und fachliche Entwicklung, attraktiven Vergütungsmodellen oder Beiträgen zur Weiter­bildung ist auch die Unternehmenskultur massgeblich für die Anziehungskraft von Unternehmen. Hier können KMU durch ihre Kreativität und Offenheit punkten und sich auf diese Weise von Grossunternehmen durch individuelle Lösungen unterscheiden.

Eine attraktive Work-Life-Balance, die es durch flexible Arbeitszeiten und Arbeitsorte möglich macht, gemeinsam mit der Familie das Mittagessen zu geniessen oder das Kleinste selbst zu Bett zu bringen, hat schon so manch sehr gut dotiertem Job «die Show gestohlen». Auch können Unternehmen gewinnen, die ihren Mitarbeitenden die Möglichkeit bieten, den eigenen Hund mitzubringen, und das Kopflüften beim Gassi-Gehen als wohltuende und leistungsfördernde Pause für die Arbeitskraft verbuchen. Auch andere Beiträge an die körperliche Gesundheit gehören dazu, wie etwa frisches Obst zur Konsumation zu offerieren oder die Option, bei genügend Ehrgeiz beispielsweise der firmeneigenen Laufgruppe beizutreten. 

Weiter bietet sich beispielsweise die Möglichkeit an, bei einer Führungskraft für die monat­liche Sitzung zum Thema Leadership bei einem qualifizierten Coach aufzukommen, da hier für sie das grösstmögliche Entwicklungspotenzial geortet wurde. 

Gelebte Marke

Sehr viele KMU bergen alleine durch den Standort des Unternehmens Vorteile für die Mitarbeitenden. Wenn niedrige Mieten in der Gegend zu verzeichnen sind, dennoch aber eine sehr gute Anbindung an den öffentlichen Verkehr wie auch die Nähe zu Naherholungsgebieten oder Parks gegeben sind, zahlt der Firmenstandort direkt auf das Konto der Familienzeit oder Freizeit ein. 

Die bewusste und gezielte Arbeitgebermarkenbildung ist längst nicht mehr nur Sache der grossen Konzerne, zu denen Bewerber vermeintlich eher wechseln, weil dort Sicherheit und Perspektiven locken. Gerade in KMU wird die Marke authentisch im Verhalten der handelnden Personen spürbar. 

So lebt der Inhaber, der morgens vor dem Firmengebäude das weggeworfene Marsriegelpapier findet und aufhebt, den Wert der Bodenständigkeit und signalisiert seiner Belegschaft: «Ich bin mir für nichts zu schade.» Dieses Vorleben motiviert, es ihm gleichzutun, strahlt Authentizität aus und stärkt das Band zwischen Arbeitnehmer und Firma. 

Die Botschaft «Wir sind bodenständig» ist dann nicht Farce, sondern echt und wird gelebt. KMU sind häufig von der Spitze bis zur Basis von einer Kultur durchdrungen, die ihnen aus allen Poren tritt und die sich in einem Konzern in derselben Intensität und bereichsübergreifend in dieser Form nie wird etablieren können – zu hete­rogen sind die Subkulturen in den Abteilungen und Standorten. Damit Arbeit­gebermarken also wirken, müssen sie immer auch gelebt werden.

Mitarbeiter als Botschafter

Abschliessend gilt festzuhalten, dass der Aufbau eines Employer Brandings keine kurzfristige Aktion, sondern vielmehr eine mittel- bis langfristige Strategie ist, die einiges an operativer Umsetzungskompetenz und Beharrlichkeit erfordert. Wer diese Mühen scheut, wird eher früher als später Schwierigkeiten bei der Rekrutierung und der Bindung von qualifizierten Mitar­beitenden haben. Denn der etwas althergeholte Spruch «Jedes Unternehmen hat genau die Mitarbeitenden, die es verdient» gewinnt immer stärker an Aktualität und impliziert gleichzeitig die Macht des Employer Branding. 

So ist jedes Unternehmen gefordert, die nötigen Massnahmen zu ergreifen und zu einem Arbeitgeber zu werden, der entsprechend nur die besten Mitarbeitenden verdient.

Den Stein ins Rollen bringen kann eine Befragung der eigenen Mitarbeitenden: Was ist ihnen wichtig bei der Arbeit? Worauf sind sie besonders stolz? Was erzählen sie ihren Freunden beim Feierabend-Bier über den eigenen Arbeitgeber? Die Wahl des Arbeitsplatzes ist häufiger als gedacht eine emotionale Angelegenheit, denn: Arbeitszeit ist Lebenszeit. Und zufriedene Mitarbeitende sind die besten Botschafter für das eigene Unternehmen.

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