Strategie & Management

Veränderungsmanagement I

Wie Innovationskraft und -geschwindigkeit zu erhöhen sind

Wie können Unternehmen ihre Innovationskraft und -geschwindigkeit erhöhen? Diese Frage ist zurzeit aufgrund des digitalen Wandels der Wirtschaft aktueller denn je. Doch vielen fällt es schwer, eine passende Antwort hierauf zu finden – auch weil ihnen unklar ist, was Innovation überhaupt bedeutet.
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Glaubt man den Veröffentlichungen von Unternehmen, dann sind sie alle innovativ. Dasselbe gilt für die Forderung, bereit zu sein, neue Wege zu gehen. Sie gehört gerade zum festen Rederepertoire aller Unternehmensführer – gerade in Zeiten, in denen sich die sogenannte digitale Transformation der Wirtschaft vollzieht. 

Doch sind die Unternehmen wirklich so innovativ, wie sie sich gerne präsentieren? Die meisten nicht! Nicht selten beschränkt sich die sogenannte Innovation auf ein Optimieren des Bestehenden – auch weil vielen nicht bewusst ist, was
Innovation überhaupt bedeutet.

Was Innovation bedeutet

Kreativität versus Innovation

Kreativität bezeichnet die geistige Fähigkeit, neue Ideen und Designs zu entwerfen; Innovation hingegen einen Schaf­fensprozess, bei dem aus neuen Ideen brauchbare Lösungen werden. Kreativität kann zielorientiert sein, Innovation ist es stets. Sie zielt darauf ab, definierte Ziele zu erreichen, und hieran wird auch die Qualität der Ideen und Problemlö­sungen gemessen. 


Dieses Denken hatten (fast) alle grossen Erfinder. So lautete zum Beispiel eine Maxime von Thomas Edison, der unter anderem die Glühbirne erfand: «Was sich nicht verkaufen lässt, das will ich nicht erfinden.»

Verbesserung versus Quantensprung

Im Betriebsalltag wird oft jede Verbes­serung im Rahmen des Bestehenden als Innovation bezeichnet. Bei «echten» In­novationen werden Aufgaben oder Probleme jedoch ganz anders als bisher gelöst. Es wird ein sogenannter Musterwechsel vollzogen, der statt einer partiellen Verbesserung wieder einen Quantensprung ermöglicht.

Ein solcher Musterwechsel war beim Skispringen der Wechsel vom Parallelstil zum V-Stil ab 1986. Er ermöglichte es den Skispringern, viel grössere Weiten zu erzielen. Im wirtschaftlichen Kontext stellt zum Beispiel das Bezahlen per Smartphone statt mit Bargeld einen Mus­terwechsel dar; ebenso das Fernablesen von Stromzählerdaten.

Trend versus Paradigmenwechsel

Die Basis für «echte Innovationen» sind keine kurzlebigen Moden und Trends, sondern oft Technologieschübe, die so fundamental sind, dass sich die Paradigmen des wirtschaftlichen (und gesellschaftlichen) Lebens radikal verändern. Ein solcher Paradigmenwechsel war der Siegeszug der Informationstechnologie. Er ermöglichte Folgetechnologien wie den PC, den Mobilfunk, das Internet und die Social Media, die das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben revolutio­nieren beziehungsweise bereits revolu­tioniert haben.

Was Innovation lähmt

Angst und nochmals Angst – dabei gilt es zwischen psychologischen, organisationalen Barrieren und kulturellen Barrieren zu unterscheiden.

Psychologische Barrieren

  • Angst zu versagen: Wer Neues wagt und scheitert, wird in unserer Gesellschaft schnell als «Versager» gebrandmarkt. Das hält viele Personen und Organisationen davon ab, radikal Neues zu denken und neue Wege zu beschreiten.
  • Angst vor Kontroll- und Effizienz­verlust: Innovationsprozesse lassen sich (von oben) nicht so leicht steuern wie etablierte Geschäftsprozesse. Sie sind stets mit Unwägbarkeiten verknüpft. Ausserdem sinkt bei ihnen zwischenzeitlich oft der Output. Das veranlasst viele Personen und Organisationen, lieber das Bestehende zu optimieren, weil sie diese Prozesse beherrschen und unter Kontrolle haben.
  • Angst vor Macht- und Kompetenzverlust: Innovation bedeutet Neuland betreten. Das heisst: Denk- und Verhaltensmuster müssen hinterfragt und teilweise über Bord geworfen werden. Das bedeutet auch: Denk- und Verhaltensroutinen, die Sicherheit vermitteln, werden obsolet. Und das Erfahrungswissen der «alten Hasen» (auch in der Unternehmensführung)? Es verliert an Wert. Das macht vielen Angst.

Organisationale Barrieren

Organisationale Hindernisse sind Materialisierungen der genannten psychologischen Barrieren. Sie dokumentieren sich in Unternehmen zum Beispiel in komplexen Genehmigungsverfahren (Angst vor Kontrollverlust) und in rigiden Plan- und Budgetvorgaben (Angst vor Vorsagen). Auch das Kompetenzgerangel, das oft in Zusammenhang mit Innovationsprozessen entsteht, ist Ausdruck einer psychologischen Barriere: der Angst vor Macht-/Einflussverlust.

Kulturelle Barrieren

Eine Voraussetzung für Innovation ist eine Kultur, die Fehlversuche erlaubt. In der Organisation muss ein Geist herrschen, wie er sich in folgender Anekdote über Edison manifestiert, der fast 9000 Versuche unternahm, bis die Glühbirne marktreif war. Als ein Mitarbeiter nach dem 1000sten Versuch zu Edison sagte: «Wir sind gescheitert», erwiderte er: «Ich bin nicht gescheitert. Ich kenne jetzt 1000 Wege, wie man keine Glühbirne baut.»

Mit schwerfälligen Innovationsprozessen mit definierten Abläufen, Schnittstellen und klaren Regeln lassen sich nur Verbesserungen erzielen. «Echte» In­novationen erfordern andere Mana­gementkonzepte.

Merkmale eines «Innovators»

Ein Entrepreneur, also Innovator an der Spitze eines Unternehmens oder Unternehmensbereichs, zu sein, bedeutet mehr, als die anvertraute Organisationseinheit zu managen und die Ressourcen effektiv zu nutzen. Es schliesst auch solch kreative Elemente ein wie 

  • das Identifizieren von (Markt-)Chancen, 
  • das Finden neuer (Geschäfts-)Ideen und 
  • deren Umsetzung in Form neuer Problemlösungen und Geschäftsmodelle.

Das setzt bei Entrepreneuren, die stets zugleich Innovatoren sind, folgende Eigenschaften voraus:

Neugierig sein

Entrepreneure hinterfragen scheinbar selbstverständliche Dinge. Sie stellen Fragen, die andere nicht stellen – zum Beispiel: Muss ein Auto ein Lenkrad haben? Warum stapeln sich in meiner Schublade die Gebrauchsanleitungen und Fern­bedienungen? Muss ein Unternehmen eine Zentrale haben?

Innere Unruhe

Entrepreneure geben sich mit den bestehenden Lösungen nicht zufrieden. Sie beobachten ein Phänomen wie, dass es in fast jedem Haushalt eine Bohrmaschine gibt, die maximal ein, zwei Mal pro Jahr genutzt wird. Dann fragen sie sich: Warum ist das so? Und kommen zum Ergebnis:

  • «Leute kaufen Bohrmaschinen, weil sie Löcher brauchen.»
  • «Sie brauchen Löcher, um etwas zu befestigen.»
  • «Löcher sind lästig.»

Und danach begeben sie sich auf die Suche nach neuen Problemlösungen (um letztlich zu neuen «Produkten» zu gelangen, die man verkaufen kann).

Imagination

Entrepreneure können sich Dinge anders vorstellen, als sie sind. Sie sehen beim Betreten einer leeren Wohnung nicht die kahlen Räume – also die Realität. Ihr geistiges Auge sieht vielmehr, wie die eingerichtete Wohnung aussehen könn­te. Sie sehen also die Potenziale und Chancen.

Ausdauer und Beharrlichkeit 

Entrepreneure zeichnen sich durch eine gewisse «Starrköpfigkeit» aus. Sie glauben auch noch an eine mögliche Lösung, wenn die ersten Versuche gescheitert sind und fast alle im Umfeld sagen: «Das klappt nie.» Zugleich bewahren sie jedoch den erforderlichen Realitätsbezug, ohne den sie Fantasten wären.

Unternehmer- statt Manager-/Verwaltergeist

Entrepreneure sind Macher und Erfinder zugleich. Das heisst, sie verfügen wie Edison über einen gesunden Pragma­tismus. 

Die Innovationskraft pushen

Innovation setzt in den Unternehmen eine Kultur voraus, in der es das Mana­gement als seine Kernaufgabe begreift, Innovationen voranzutreiben, um den künftigen Erfolg zu sichern. Dies ist gerade im Prozess der digitalen Trans­formation der Wirtschaft, in dem viele Unternehmensführer danach streben, aus­ser der Innovationskraft auch die Agilität ihrer Organisation zu erhöhen, sehr wichtig.

Mit folgenden Massnahmen können Sie als Manager oder Führungskraft die Innovationskraft in dem Ihnen anvertrauten Bereich fördern. 

Die Mitarbeiter mit der Marktrealität konfrontieren

Bringen Sie Ihre Mitarbeiter in Situationen, in denen sie erleben, was in den Märkten «abgeht» – zum Beispiel 

  • in den Schwellenländern,
  • bei den Technologieführern,
  • in verwandten Branchen oder 
  • bei Unternehmen, die die Marktentwicklung verschlafen haben.

Setzen Sie Ihre Mitarbeiter diesen Rea­litäten aus, denn Menschen ruhen sich gerne auf Erfolgen aus. 

Querdenker fördern

Belohnen Sie «Quer-» und «Vordenker» – selbst wenn ihre Ideen nicht umsetzbar sind. Ihre Mitarbeiter müssen spüren: Das Suchen nach neuen Lösungen und Wegen ist von unseren «Chefs» erwünscht.

Den Mitarbeitern erlauben, Regeln zu brechen

Regeln, Strukturen, definierte Prozesse sind kein Selbstzweck. Sie haben nur so lange einen Wert, wie sie dem Erreichen der Ziele dienen. Sie müssen regelmässig hinterfragt werden. Vermitteln Sie Ihren Mitarbeitern dieses Denken.

Den Mitarbeitern Fehlversuche gestatten

Loben und belohnen Sie Mitarbeiter, die Neues wagen und kalkulierte Risiken eingehen – selbst wenn ihre Versuche nicht erfolgreich sind. Denn wenn Ihre Mitarbeiter Angst haben «Wenn es nicht klappt, sanktioniert mich der Chef», beschreiten sie keine neuen Wege.

«Kreativ-Inseln» schaffen

Richten Sie in Ihrer Organisation, Ihrem Bereich «Inseln» ein, wo sich zum Bei­-spiel Nachwuchskräfte und Experten als «Unternehmer» betätigen können. Solche «Creative Labs» generieren oft grossartige Ideen und Business-Modelle.

Innovation zum Alltagsthema machen

Meist wird in Meetings nur das Dring­liche abgearbeitet. In ihnen besteht kein Raum für Zukunftsfragen. Sprechen Sie daher gezielt auch Fragen an wie: 

  • Welche neuen (technologischen) Entwicklungen gibt es, könnte es in naher Zukunft geben?
  • Was bedeuten diese für uns? 
  • Wie könnten sie weitergehen? 
  • Welche Chancen/Gefährdungen er­geben sich hieraus für uns?

Nur wenn das Management sich selbst und die Leistungsträger regelmässig dazu zwingt, sich mit Zukunftsfragen zu befassen, tun dies die «Macher» in der Regel auch. Ansonsten ist die Gefahr gross, dass sie im Alltagsgeschäft versinken und sich mit ihren Teams rein auf das Optimieren des Bestehenden beschränken.

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