Strategie & Management

Ideenmanagement

Wie Führungskräfte schöpferische Prozesse fördern

Schöpferische Intelligenz führt nur zu Erfolg, wenn mehrere Faktoren optimal und in Ba­lance zusammenspielen. Es reicht nicht, nur auf einen kreativen Kopf zu hoffen, der Ideen nach unten delegiert. Wie Kreativität im Team zu Innovation reifen kann, zeigt dieser Beitrag.
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Im Wettrennen um die Poleposition im Markt ringen Unternehmen permanent um neue Ideen. «Innovate or Die» heisst die Devise. Betriebe lassen ein Patent, Copyright und Markenzeichen nach dem ­anderen eintragen. Um neue Produkte, Dienstleistungen, Methoden oder Techniken voranzutreiben, versuchen viele, ganz gezielt die Kreativität ihrer Belegschaft zu stärken – von Fintech-Grössen, die Leistungen inselbegabter Menschen für sich nutzen, bis zu Ingenieurteams, die Tänzer anheuern, um sich bei der Programmierung von Roboterbewegungen unterstützen zu lassen. Nie bekam dieser Soft Skill mehr Aufmerksamkeit.

Laut Workplace Learning Reports von Linkedin aus den Jahren 2019 und 2020 steht Kreativität ganz oben auf der Liste der gefragtesten Kompetenzen. HR-Verantwortliche bitten Bewerber explizit um Beispiele ihres Erfindergeists. Nach der Future of Jobs Survey 2020 des Weltwirtschaftsforums zählt Kreativität zu den Topskills, deren Bedeutung nach Einschätzung von Arbeitgebern bis 2025 stark zunehmen wird. Die Coronapandemie hat den Bedarf noch gesteigert. Viele Unternehmen waren plötzlich gezwungen, neue Wege zu finden, um ihr Bu­si­ness weiterzuführen. Auch ist inzwischen die Erkenntnis durchgesickert: VUKA ist gekommen, um zu bleiben, Organisationen müssen sich mehr und mehr auf agile und kreative Arbeitsweisen einstellen. 

Luft nach oben

Um kreative Prozesse gezielt fördern zu können, hat Dale Carnegie Training mehr als 5000 Mitarbeiter in 16 Ländern zum Thema befragt. Das Ziel der Studie (Dale Carnegie Training: Kreativität – ein sozialer Prozess. Die zwischenmenschliche Dynamik von Innovation am Arbeitsplatz. White Paper. 2021): besser verstehen, was Kreativität beeinflusst und wie gut es Organisationen gelingt, ein innovativ-freundliches Umfeld zu schaffen. Der Status quo offenbart Luft nach oben. Vielen Unternehmen fehlt es an Routine, frische Ideen aufzuspüren und auszuarbeiten. Zwar stimmten fast drei Viertel der Teilnehmer zu, dass Kollegen nützliche Vorschläge machen. Deutlich weniger bestätigten jedoch, dass Führungskräfte neue Einfälle aktiv einfordern.

Kurz gesagt: Viele gute Gedanken bleiben in der Geschäftswelt Theorie. Fast drei von zehn Befragten erklärten, dass es nicht einfach sei, Unterstützung für Ideen zu erhalten. Gleichzeitig bekunden die meisten, dass ihr Betrieb mehr beitragen könnte, um kreative Anregungen zu fördern. Dass der Skill an Bedeutung im Arbeitsleben ­gewinnt und die Akteure dort schöpferisch veranlagt sind, scheint unbestreitbar: 82 Prozent der Stimmen bestätigten, dass in ihrem Team kreative Köpfe arbeiten. Doch ein Entwicklungsteam braucht mehr als mutige Talente, um zu funktionieren. Ob ein Hirngespinst zum Produkt reift, hängt vom Umfeld ab. Einen Gedanken in eine Innovation zu verwandeln, braucht vor allem eins: Sozialkompetenz und ein festes Prozedere.

Mit Widersprüchen umgehen

Beides umzusetzen, ist anspruchsvoll. Wer Einfallsreichtum steigern will, kämpft mit sozialen Widersprüchen. Die Forschung hält paradoxe Erkenntnisse bereit, wie Kreativität in Teams und Unternehmen gesteigert werden kann:

Diversität versus Homogenität

Einige Stimmen gehen davon aus, dass Vielfalt Kreativität fördert. Viele unterschiedliche Perspektiven bereichern jedes Brainstorming. Andere Forschungsarbeiten zeigen jedoch, dass Diversität kreative Leistungen auch verhindern kann – und zwar wenn Vielfalt sich negativ auf den Teamzusammenhalt auswirkt. Zu grosse Unterschiede können trennen und Entwicklungen ausbremsen.

Starke versus schwache Bindungen

Wissenschaftler fanden heraus, dass ­zwischenmenschliche Beziehungen mit schwacher Bindung – also zu manchen Kollegen, entfernten Nachbarn oder lockeren Bekannten – die Entstehung neuer Ideen erleichtern. Sie stellten aber ebenso fest, dass Menschen ihre Gedanken im Umfeld «schwacher Verbindungen» sel­tener teilten – hier dominiert die Angst vor Ablehnung.

Konflikt versus Kooperation

Zum einen verbessern sich Konzepte durch konstruktives Feedback und das gesunde Austragen von Konflikten, Harmonie lähmt jede Entwicklung. Ande­rerseits können zu viele kritische Stimmen auch verhindern, dass Menschen zu neuen Ideen finden.

Individueller versus sozialer Prozess

Geschichtsbücher erzählen häufig von einzelnen Genies und ihren kreativen Momenten: Einstein, Newton, Edison … Die Wahrheit klingt weniger heldenhaft: Erfindungen bauen meist auf frühere Arbeiten auf, wobei die menschliche Gesellschaft wie ein kollektives Gehirn funktioniert.

Kreativität als Teamwork

Das zeigt: Schöpferische Intelligenz führt nur zu Erfolg, wenn mehrere Faktoren optimal und in Balance zusammenspielen. Es reicht nicht, auf einen kreativen Kopf zu hoffen, der vor Ideen sprudelt und diese nach unten delegiert. Besonders in Schweizer Unternehmen gilt die Devise, möglichst viele an Entscheidungen zu beteiligen und Kompromisse zu finden. Kein Land ist schliesslich von so vielen unterschiedlichen Kulturräumen geprägt. Nur durch sozialen Austausch finden vielfältige Systeme zu wirkungsvollem Konsens. Damit am Ende ein Spitzenergebnis herauskommt, hinter dem alle stehen können, braucht es somit immer die gemeinsame Leistung einzelner Köpfe, Teams und Netzwerke. Um das zu gewährleisten, holt sich beispielsweise ein langjähriger Kunde von Dale Carnegie für neue Ideen externe Unterstützung ins Haus. Wie in der typischen Ideenreise stammt der erste Impuls von einer einzelnen Person – etwa die Anregung, eine nachhaltige Version des eigenen Angebots umzusetzen. Einzelideen basieren auf eigenen Erfahrungen mit anderen – engen Freunden oder lockeren Begegnungen. Auf dem Weg zur Innovation durchläuft die Idee dann weitere Phasen – Ausarbeitung, Verteidigung, Umsetzung.

Hat der Mitarbeiter die Idee grob skizziert, teilt er sie mit seinen Kollegen. Anschliessend schleift das Unternehmen die Skizze in Teamarbeit feiner: Was wollen wir genau? Wie kann das am Ende aussehen? Welche Hürden sind zu meistern? Sind diese Fragen geklärt, aktiviert die Arbeitsgruppe Kollegen, Beteiligte und andere Ressourcen, um das Projekt weiterzuentwickeln, zu verteidigen und das Go der Entscheider einzuholen. Stabile Netzwerke und soziale Beziehungen tragen hier entscheidend zum Gelingen bei. Am Ende engagieren sich alle, um die Theorie zum Leben zu erwecken. Nach mehreren Abstimmungsrunden entsteht so das finale Produkt. 

Wertschätzung bleibt Schlüssel

Diesen Prozess sollten Unternehmen fest implementieren. Dabei kommt er moderner Führung auf mehreren Ebenen entgegen: Dieses Vorgehen zahlt auf Koope­rationsbereitschaft, Mitbestimmung, Arbeitsmoral und hohes Engagement ein. Trotz besonders leistungsorientierter Führungskulturen versuchen wirksame Manager stets, individuelle Befindlich­keiten zu berücksichtigen und offen für Kompromisse zu sein. Diese partizipativen Elemente finden im sozialdominierten Kreativprozess besonderen Raum. 

Um den Weg zur Innovation zu ebnen, ­besteht der erste Schritt darin, die in­trinsische Motivation des Einzelnen zu ­be­feuern. Die Forschungsarbeiten von Dale Carnegie weisen auf Wertschätzung, Selbstsicherheit, Empowerment und Bindung zum Unternehmen als Aspekte für hohes Engagement hin. Die Führungsriege kann diese Gefühle gezielt fördern – indem Experten eigenständig Entscheidungen treffen dürfen; indem sie Zweifler auf ihre Stärken aufmerksam machen und für gute Ergebnisse loben. Menschen verfügen ­zudem über wenig Kapazitäten für inno­vative Gedanken, wenn Probleme ihren Alltag prägen. Nicht nur deshalb sollten kreativ-freundliche Unternehmen dafür sorgen, dass Mitarbeiter sich wohlfühlen und Stress niedrig bleibt. Die ­Kreativität des Einzelnen wächst, wenn Vorgesetzte Mitarbeiter ermutigen, ihre Expertise auszubauen, ihr Wissen zu vertiefen und sich neue Fertigkeiten anzueignen. Gleichzeitig wollen Menschen sich mit ihrem Umfeld verbunden fühlen. Dazu gehört ein hohes Mass an Zusammenhalt innerhalb des Teams. Genauso zahlt auch der Zugang zu weiter entfernten Communitys auf das Gelingen innovativer Prozesse ein. HR-Experten er­mutigen Mitarbeiter daher, stetig ihre ­beruflichen Netzwerke zu erweitern. So bauen sie Bindungen auf, um neue Ideen besser und schneller umzusetzen. 

Die Schwarmkompetenz

Ein intaktes Teamgefüge entscheidet darüber, ob kreative Anstösse zu Erfolgs­produkten anwachsen oder verpuffen. Zum Beispiel überprüft die Gruppe den neuen Input erstmals auf Herz und Nieren. Im besten Fall entwickelt sie die gute Basis weiter und findet einen Weg, entsprechende Ressourcen sowie die Genehmigungen zu erwirken, um aus ihr eine echte Innovation zu machen. Führungskräfte können dabei aktiv unterstützen:

Emotionale Verbindung fördern

Wer als Teamleiter kreative Prozesse ­fördern will, ergreift jede Gelegenheit, die jeweilige Aufgabe mit dem Purpose des Unternehmens zu verbinden. Denn wem es gelingt, sich in die Nutzer eines Produkts oder Prozesses hineinzuversetzen, findet leichter Verbesserungsmöglichkeiten. Wer die Herausforderung emotional begreift und spürt, sucht und identifiziert mit höherem Engagement Probleme, die eine Lösung wert sind. 

Psychologische Sicherheit schaffen

Empfinden Akteure psychologische Sicherheit, fördert das deren Effektivität. Ein angenehmes, stabiles Umfeld sorgt ­dafür, dass Gruppen auch bei Konflikten ihre Arbeit so erledigen können, dass vertrauensvolle Beziehungen intakt bleiben. Ein hohes Level an psychologischer Sicherheit erhöht die Risikobereitschaft, auch «wilde» Entwürfe zu teilen sowie ehrliches Feedback zu fordern und zu geben. 

Techniken und Prozesse ­vermitteln

Indem HR-Experten Teams in Kreativitätstechniken schulen, senden sie ein starkes Signal, dass sie Schöpferkraft wertschätzen. Gleichzeitig geben sie den Arbeitskreisen konkrete Werkzeuge an die Hand. Mitarbeiter brauchen ein Bewusstsein für die Ideenreise. Konkrete Techniken wie Brainstorming, konvergentes und divergentes Denken dienen als Vehikel, um Alternativen zu entdecken, die über die naheliegenden hinausgehen.

Kollektive Kreativität

Dass Menschen sich an unterschiedliche klimatische, geografische und sonstige Bedingungen anpassen können, verdanken sie ihrer kollektiven Kreativität. Zwar forschen Wissenschaftler noch immer nach den genauen neurowissenschaft­lichen Hintergründen. Allgemein akzeptiert ist inzwischen aber, dass die Fähigkeit zur Kreativität bei jedem vorhanden ist. Trotzdem reicht es als Unternehmen nicht, besonders fantasiebegabte Köpfe als Ideen-Fabrik anzuheuern. Innovation gestaltet sich als komplexer sozialer Prozess. Das Schicksal neuer Einfälle hängt vom Zusammenspiel verschiedener Akteure und besonders von deren Kommunikation und Sozialkompetenz ab. Zum Glück können Unternehmen diese Soft Skills gezielt unterstützen, sodass Ideen nicht verpuffen, sondern tatsächlich als Innovationen auf dem Markt landen.

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